„Zusammenarbeit braucht Kommunikation“

Der Friedensaktivist Eric Bachman hat den Menschen im Jugoslawien-Krieg Kommunikation trotz abgeschalteter Telefonleitungen ermöglicht. Jetzt war er bei Digitalcourage in Bielefeld zu Besuch und hat uns von seiner Arbeit damals erzählt.

Eric Bachman ist seit vielen Jahren mit Digitalcourage verbunden. In den 90er Jahren hat er ein Mailbox-System im ehemaligen Jugoslawien mit aufgebaut, durch das die Menschen trotz Krieg miteinander kommunizieren konnten.

Wie kam es dazu, dass ein Mailbox-Netzwerk mitten im Jugoslawienkrieg aufgebaut wurde?
Ich bin seit Jahrzehnten aktiver Trainer für gewaltfreie Aktionen und wurde von den Anti-Kriegs-Aktivisten in Kroatien eingeladen, ein Training zu machen. Das war 1991 und ich bin mit zwei anderen von Deutschland nach Zagreb gefahren. Schon bevor wir aufbrachen, begann der militärische Konflikt. Es gab Raketenangriffe auf Zagreb. Um komplett zu verstehen, was los war, mussten wir aber auch weiter nach Belgrad fahren, um zu sehen wie dort aussah. Leute haben uns massenweise Post und Briefe mitgegeben, weil die Kommunikation zwischen Zagreb und Belgrad nicht mehr funktionierte. Das Abschalten der Telefonleitungen war zu dem Zeitpunkt nicht nur eine Sache von Zerstörung, sondern hauptsächlich eine politische Entscheidung, sodass nicht mehr telefoniert werden konnte.

Wie wurde Kommunikation trotz abgeschalteter Leitungen wieder möglich?
Als erstes habe ich für die Umwelt-, Friedens- und Frauengruppen einen Fax-Weiterleitungs-Dienst eingerichtet. Die kroatischen Aktivisten konnten ein Fax an eine Nummer in England oder den Niederlanden senden und das wurde dann sofort an die entsprechende Nummer in Belgrad weitergefaxt und umgekehrt.

Faxen ist ja langsam und umständlich. Konnte nicht auch schon das Internet genutzt?
1991 war E-Mail etwas Neues, Internet gab es nur in Universitäten, aber nicht flächendeckend wie jetzt. Es gab aber Hobby-Netzwerker, die Bulletin Boards, also Mailboxen, betrieben haben. Eine weltweit verbreitete war das Fido-Net. Es bestand aus Computern, Modems und Leitungen. Mit meinem Computer konnte ich mich in einen anderen wählen und das war wie ein elektronisches schwarzes Brett. Die Mitteilungen wurden aber nicht sofort weitergeleitet, sondern nur ein-, zweimal, manchmal auch drei- oder viermal am Tag: Store and forward – Lagern und Weiterleiten war das Prinzip damals. Diese Mailboxen gab es damals überall und manche von ihnen hatten Gateways ins Internet und einige Leute aus den Friedensgruppen haben mich gefragt, ob ich nicht ein paar Modems besorgen könnte. Ich ging dann erstmal nach Deutschland, hielt Vorträge darüber, was in Kroatien und Serbien los ist und habe Geld für Modems gesammelt. Aber die Modems haben das Kommunikationsproblem nicht gelöst, weil die jugoslawischen Hobby-Netzwerk-Administratoren nicht mitgemacht haben. Sie haben zugestimmt, aber eigentlich wollten sie keinen Kontakt zum sogenannten Feind aufbauen. Also habe ich den Friedensgruppen gesagt: Wenn ihr diese Kommunikation wollt, dann müsst ihr das selber aufbauen und ich helfe euch dabei.

Wie sah diese Hilfe aus?
Ich kannte Freunde, die die nötigen Erfahrungen hatten und das war damals der FoeBuD, wo ich schon aktiv war. Da habe ich dann gelernt, wie man unser Programm Zerberus installiert und 1992 haben wir dann eine Mailbox in Zagreb und in Belgrad aufgestellt. Dabei hatten wir das Problem, dass es an Telefonleitungen mangelte. Um eine Leitung zu bekommen, mussten 1000 Dollar bezahlt werden, eine Unmenge Geld für die Leute damals. Wir haben bestehende Büroleitungen benutzt – nach Feierabend. Die Leitungen in Belgrad waren unwahrscheinlich schlecht, die Leitungen waren häufig mit geöltem Papier umwickelt. Bei Gewitter und Regen wurden die Verbindungen noch schlechter.

Seit der Arbeit in Jugoslawien ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen. Was haben Sie aus der Geschichte der Mailboxen über elektronische Kommunikation gelernt?
Es war erstaunlich, was sich aus den Mailboxen entwickelte: Es gab Leute in Sarajevo, die haben Kontakte durch die Mailbox mit Leuten in Belgrad aufgebaut, die haben Freundschaften geschlossen, obwohl die Länder selbst gekämpft haben. Leute haben zusammengehalten. Wenn man Leuten die Möglichkeit gibt zu kommunizieren, kann viel Positives entstehen. Denn Kommunikation ist notwendig, wenn man Lösungen will – und zu der Zeit ging es um Anti-Kriegs-Kampagnen – wenn Leute miteinander etwas bewegen wollen, wenn Leute in Kontakt miteinander bleiben wollen, seien es Freunde, seien es Familie, sei es für Zusammenarbeit, sei es, dass es darum geht, die Situation zu ändern. Wenn man nicht miteinander kommunizieren kann, steht man ganz alleine da. Wenn wir etwas bewirken wollen, müssen wir zusammenarbeiten und ohne Kommunikation ist das unmöglich.

Eric Bachman ist Trainer für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und Aktionen.
Das Interview führte Friedemann Ebelt, Redaktion von Theresa Kruse.

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