Datenlobby kämpft mit Tracking-Brandbrief gegen ePrivacy

Der Verband der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) macht mit einem Offenen Brief Lobbyarbeit gegen EU-Datenschutz. Weil der Verband auch noch illegal trackt, haben wir dessen Brandbrief in Klartext übersetzt.
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Titelbild: Logo des „Verbands für Datensammlung und Zweckentfremdung“ (VDZ)

Der Verband der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) fordert in einem Offenen Brief, dass der Datenschutz in der ePrivacy-Verordnung abgeschwächt wird. Weil der Verband massiv Lobbyarbeit gegen den Schutz der Privatsphäre macht und auf seiner Seite auch noch illegal trackt, haben wir den VDZ-Brandbrief in Klartext übersetzt.

VDZ trackt illegal ohne Kürzung von IP-Adressen

Damit Sie sich nicht vom VDZ und Google tracken lassen müssen, haben wir die Seite für Sie besucht – natürlich mit einem guten Werbeblocker, der auch vor Google Analytics schützt. Der Offene Brief bindet nämlich Google Analytics ein, und zwar auf eine Weise, die in der EU nicht legal ist, weil dadurch die komplette IP-Adresse an Google-Server übertragen wird. Die IP-Adresse gehört zu den personenbezogenen Daten, und für große Internetfirmen wie Google ist es ein Leichtes, die Person zu ermitteln, die dahinter steht. Um Google Analytics in der EU legal nutzbar zu machen, bietet Google an, eine gekürzte IP-Adresse zu erfassen, doch von dieser Möglichkeit hat der Lobbyverein VDZ keinen Gebrauch gemacht: 

Das Ergebnis der Tracking-Analyse mit privacyscore.org findet sich unter „Check if Google Analytics has the privacy extension enabled“: „The site uses Google Analytics without the AnonymizeIP Privacy extension.“ Wir haben das Ergebnis dokumentiert unter web.archive.org, denn der VDZ wird das illegale Tracking sicherlich zügig abstellen.

Unsere korrigierte Version des VDZ-Briefs

Offener Brief: Europa darf die kommerzielle Durchleuchtung aller Bürgerinnen und Bürger nicht verpassen!

Branchenübergreifende Koalition von kommerziellen Überwachern der europäischen Medien- und Internetwirtschaft spricht sich in einem offenen Brief gegen die Pläne der Europäischen Union für die sogenannte E-Privacy-Verordnung aus.
Wir wollen, dass digitale Durchleuchtung zur Grundlage wird für künftiges Wachstum, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für gesellschaftlichen Fortschritt. 

Die Europäische Kommission schätzt, dass sich der Wert der europäischen Datenwirtschaft von 285 Mrd. EUR im Jahr 2015 auf 739 Mrd. EUR im Jahr 2020 erhöhen wird. Wir wollen dabei richtig Geld verdienen, und dafür müssen wir an möglichst detaillierte persönlichen Daten kommen. Datenschutzgesetze wie die Datenschutz-Grundverordnung oder die geplante ePrivacy-Verordnung sind uns dabei im Weg. Öffentlich formulieren wir das aber anders und schreiben: Big Data bietet Regierungen und Behörden die Chance, die Gestaltung und die Wirksamkeit von öffentlichen Maßnahmen zu verbessern.  
Diesen Weg hat die Europäische Kommission im Jahr 2016 mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingeschlagen. Am 25. März 2018 wird die DSGVO in Kraft treten und gleichzeitig die Rechte der Bürger stärken und das regulatorische Umfeld vereinfachen, um somit Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen zu fördern.  
(Wir mussten leider irrsinnig viel Geld für Lobbyarbeit ausgeben, um den Datenschutz so niedrig zu halten, wie es nur geht. Schuld daran hatte unter anderem der Abgeordnete Jan Philip Albrecht und sein Team. Die haben immer wieder dem EU-Parlament eingeredet, dass „Privatsphäre“ ein Grundrecht sei.)

Wenn die Privatsphäre aller Menschen in der EU wirkungsvoll geschützt wird, können wir mit unseren datengetriebenen Geschäftsmodellen kaum Geld verdienen. Denn wir weigern uns in vernünftige Innovation zu investieren und uns fehlt der Wille, privatsphärefreundliche Geschäftsmodelle zu entwickeln. Leider ist Privatsphäre ein Grundrecht, darum formulieren wir in der Öffentlichkeit sehr vorsichtig und sagen: Um das Vertrauen der Bürger in digitale Technologien zu erhalten, ist die Wahrung der Privatsphäre entscheidend.  

Wir wollen, dass die Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation und der Schutz personenbezogener Daten nur oberflächlich hergestellt werden. Wir wollen, dass Gesetze die Privatsphäre von Menschen nur auf dem Papier schützen, aber in Wirklichkeit kommerzielle Durchleuchtung in Echtzeit von allen Menschen ermöglichen.

Die vorgeschlagene „E-Privacy“-Verordnung, über die vor Kurzem im Europäischen Parlament abgestimmt wurde und die derzeit zwischen den Mitgliedstaaten verhandelt wird, schadet unserer kommerziellen Überwachung.  
Wir haben Angst, dass die derzeitigen Vorschläge das Sammeln, Auswerten und Verkaufen von persönlichen Daten erschweren wird.
  
Der gegenwärtige Entwurf für die E-Privacy-Verordnung sieht ganz schlimme Dinge für unsere Geschäftsmodelle vor, darum haben wir uns folgende Argumente ausgedacht:
 

  • Globale Player werden bei der Erfassung und Verarbeitung von Daten, insbesondere von Standortdaten, bevorzugt behandelt. (Das können wir zwar nicht beweisen, aber wir behaupten das gerne. Menschen, wie der Trackingexperte Wolfie Christl (siehe Twitter) argumentieren gegen unsere Behauptung, aber er verdient sein Geld auch nicht mit den privaten Daten anderer Menschen.) Wir sagen also: Daten, die durch Geräte und Betriebssysteme gesammelt werden, würden ungerechtfertigt und unter Missachtung eines effizienten und angemessenen Verbraucherschutzes als weniger empfindlich betrachtet als solche, die mit europäischen Kommunikationsnetzwerken verbunden sind;
  • Die in der DSGVO vorgesehene Möglichkeit, Daten bei Bereitstellung angemessener Garantien, wie beispielsweise bei berechtigtem Interesse, der Weiterverarbeitung für Zwecke, die mit dem gegebenen Zweck vereinbar sind, und für statistische Zwecke, zu verarbeiten, soll beseitigt werden. Das ist schlecht, denn dann können wir uns keine berechtigten Interessen mehr einfallen lassen, um Leute online und offline zu durchleuchten.
  • Die komplexe Wertschöpfungskette und die rapide Entwicklung der digitalen Werbung soll nicht berücksichtigt werden (Dabei muss doch allen klar sein, dass eine profitable Werbeindustrie weit über dem „Grundrecht“ auf „Privatsphäre“ steht. Nur Loser haben etwas zu verbergen: Was stimmt nicht mit Ihnen?)
  • Die Regie über „Cookie“-Tracker soll an die Browser-Software übertragen werden. Somit werden Internetnutzer davon abgehalten, bewusst darüber zu entscheiden, welche Beziehung sie zu jeder einzelnen Website pflegen möchten. (Das ist schlecht, denn dann können wir nicht so einfach Druck auf Nutzer ausüben in unsere Durchleuchtung einzuwilligen.) Des Weiteren würde Potential, in Europa in Qualitätsjournalismus zu investieren, erheblich geschwächt. Eins ist klar: Die Werbeindustrie ist der Garant für die Pressefreiheit! Es ist eine Lüge, dass Werbung und Journalismus in einem Interessenkonflikt zueinander stehen. Redaktionen, die von Werbeeinnahmen abhängig sind, berichten immer neutral über ihre Auftraggeber und ihre Produkte! Presseverlage und Medienhäuser würden daran gehindert, eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Lesern und Kunden aufzubauen und ihre redaktionellen Inhalte zu vermarkten; auch hier quengelt Wolfie Christl (siehe Twitter);
  • Europäische Technologieunternehmen und Start-ups wären in einem gebundenen lokalen Minimarkt der EU gefangen wie Sklaven. Der Untergang der Internetwirtschaft wäre besiegelt. Tausende Unternehmen würden in Konkurs gehen und Millionen Menschen würden ihre Arbeitsplätze verlieren und verelenden!
  • Der Entwurf der E-Privacy-Verordnung zielt auf bestimmte Technologien, wie beispielsweise Machine-to-Machine ab, ohne eine Notwendigkeit hierfür aufzuweisen, während Regulierung immer so technologieneutral wie möglich sein sollte. Wir sehen nicht, dass das dieses „Internet der Dinge“ zukünftig irgendeine relevante Rolle spielen wird, also muss hier auch keine „Privatsphäre“ geschützt werden.

Wir wollen, dass politische Entscheidungsträger den Entwurf der E-Privacy-Verordnung so umschreiben, dass wir ungestört das Leben von Menschen durchleuchten können.

Wir wollen alle Daten. Wir wollen Bewegungs- und Verhaltensprofile erstellen. Wir wollen auch psychologische Profile erstellen. Wir wollen diese Daten auswerten, Menschen nach ihren Profilen bewerten und wir wollen diese Daten verkaufen an Versicherer, Arbeitgeber und alle, die uns dafür bezahlen. Denn wir sind der VDZ – Verband für Datensammlung und Zweckentfremdung.

Den originalen Brief des Verbands der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) haben folgende Unternehmen und Verbände unterzeichnet:

Grafik von vdz.de

Liste der Unterzeichner (anklicken zum Ausklappen)

    AIKAKAUSMEDIA (The Finnish Periodical Publishers’ Association, Finland)
    ALEJ (Association Luxembourgeoise des Editeurs de Journaux, Luxembourg)
    ARI (Asociacion de Revistas de Information, Spain)
    Asociacia Vydavatel’ov Tlace (The Slovak Press Publishers’ Association, Slovakia)
    Associaçao Portuguesa de Imprensa (Portuguese Press Association, Portugal)
    Athens Daily Newspaper Publishers Association (Greece)
    BDZV (Federal Association of German Newspaper Publishers, Germany)
    BFM TV (France)
    Bouygues Telecom (France)
    CEPI (European Coordination of Independent TV Producers, Belgium)
    Criteo (France)
    Danske Medier (The Association of Danish Media, Denmark)
    Deutsche Startups (Germany)
    EMMA (European Magazine Media Association, Brussels)
    ENPA (European Newspaper Publishers’ Association, Brussels)
    EPC (European Publishers Council, Brussels)
    European Startup Network (Brussels)
    Fédération Française des Télécoms (France)
    FIEG (Federazione Italiana Editori Giornali, Italy)
    FNPS (Fédération Nationale de la Presse d’Information Spécialisée, France)
    France Digitale (France)
    GESTE (France)
    Gravity (France)
    IAB Europe (Brussels)
    IAB France (France)
    Izba Wyadawcow Prasy (Polish Chamber of Press Publishers, Poland)
    Internet Economy Foundation (Germany)
    LAPRESSE.be (Alliance des medias d’information, Belgium)
    Magazines Ireland (Ireland)
    MMA (Magazine Media Association, The Netherlands)
    Orange (France)
    PMP (Plataforma de Media Privados, Portugal)
    PPA (The Professional Publishers Association, UK)
    SEPM (Syndicat des Editeurs de Presse Magazine, France)
    SFR (France)
    SPECT (Syndicat des Producteurs et créateurs de programmes audiovisuels, France)
    SNPTV (Syndicat National de la Publicité Télévisée, France)
    SPQN (Syndicat de la Presse Quotidienne Nationale, France)
    SRI (Syndicat des Régies Internet, France)
    Startup Belgium (Belgium)
    Startup Cyprus (Cyprus)
    Sveriges Tidskrifter (Swedish Magazine Publishers Association, Sweden)
    Teads (Luxembourg)
    TF1 (France)
    The Ppress (The Belgium Periodical Press, Belgium)
    Unie Vydavatelu (Czech Publishers’ Association, Czech Republic)
    Union of Publishers in Bulgaria (Bulgaria)
    UPP (Union des éditeurs de la Presse Périodique, Belgium)
    UPREG (Union de la Presse en Région, France)
    VDZ (Association of German Magazine Publishers, Germany)
    Verband SCHWEIZER MEDIEN (Swiss Media, Switzerland)
    Webedia (France)
    Zalando (Germany)

Weiterführende Informationen zur Lobbyarbeit gegen ePrivacy:

Digitalcourage: e-Privacy: Unsere Stellungnahme gegen die Mythen der Industrie
https://digitalcourage.de/blog/2017/e-privacy-mythen-der-industrie

Berichterstattung von netzpolitik.org zur ePrivacy-Verordnung und der Lobbyarbeit der Datenindustrie:
https://netzpolitik.org/tag/eprivacy-verordnung/

Hintergrund auf datenschutzbeauftragter-info.de:
„Google Analytics datenschutzkonform einsetzen“

Videovortrag von Ingo Dachwitz: Lobby-Schlacht um die ePrivacy-Verordnung  Die EU hat die Wahl: Schutz von Menschen oder von Geschäftsmodellen?
https://media.ccc.de/v/34c3-9271-lobby-schlacht_um_die_eprivacy-verordnung

Stefan Krempl (heise.de): Lobby-Bericht E-Privacy: Wie die Industrie starken Datenschutz bekämpft
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Lobby-Bericht-E-Privacy-Wie-die-Industrie-starken-Datenschutz-bekaempft-3863245.html

Digitalcourage: ePrivacy: Surfen, chatten und telefonieren wir ab 2018 vertraulicher?
https://digitalcourage.de/blog/2017/eprivacy-surfen-chatten-und-telefonieren-wir-ab-2018-vertraulicher

Corporate Europe ObservatoryBig Data is watching you: The industry lobby battle against ePrivacy
https://corporateeurope.org/power-lobbies/2017/10/big-data-watching-you
 

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Lesetipp: Corporate Surveillance in Everyday Life

Screenshots eines Tweets von @WolfieChristl vom 7. März 2018: "Es DARF nicht passieren, dass die Leute leicht verhindern können, dass jeder ihrer Klicks, jeder Ortswechsel & jedes Wischen am Smartphone an bis zu 100 Firmen übertragen werden" …sagen Online-Werbewirtschaft, Criteo, Verleger, Telekoms, Zalando etc: