Warum 2025 Mut gemacht hat – und 2026 uns fordert
Liebe Leserinnen und Leser,
das Jahr neigt sich dem Ende zu – Zeit, einmal innezuhalten und zurückzublicken. 2025 war für Digitalcourage ein intensives, aber auch ermutigendes Jahr. Gemeinsam haben wir viel erreicht.
Unsere Verfassungsbeschwerde gegen die Staatstrojaner hat Rechtsgeschichte geschrieben: Das Bundesverfassungsgericht hat ihren Einsatz deutlich begrenzt und bei vielen Delikten für verfassungswidrig erklärt.
Für Aufmerksamkeit sorgte auch unsere Klage gegen die Deutsche Bahn. Der Prozess zum „DB-Schnüffel-Navigator“ zeigte erneut, wie viele persönliche Informationen die App weitergibt. Nach dem Prozessauftakt hofften wir auf ein zeitnahes Urteil. Doch bis heute gab es keinen weiteren Verhandlungstag. Wir sehen dem Urteil mit Zuversicht entgegen und hoffen auf eine Entscheidung, die den Datenschutz stärkt.
Ein Grund zur Freude waren auch die 25. BigBrotherAwards. Mit Ralph Caspers als neuem Moderator, zwei neuen Laudatorinnen und einem Rekord an Zuschauer.innen im Livestream zeigte sich: Wir sind viele, die hinschauen und widersprechen.
All diese Erfolge sind nur möglich, weil uns viele Menschen den Rücken stärken. Dieses Vertrauen brauchen wir auch im nächsten Jahr. 2026 wird herausfordernd: In Brüssel drohen mit den sogenannten Omnibuspaketen Angriffe auf unsere digitalen Schutzrechte, in Berlin die Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung. Und wir wollen unsere Digitalzwang-Petition abschließen – mit der Forderung nach einem Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang.
Dafür brauchen wir Rückhalt: Bis Ende des Jahres wollen wir 5.000 Mitglieder erreichen. Denn mehr Mitglieder verleihen unseren Anliegen mehr Gewicht und sie helfen uns, unabhängig zu arbeiten.
Mit besten Grüßen aus Bielefeld
Das Team von Digitalcourage
Inhalt
1 Digitalcourage auf dem 39. Chaos Communication Congress
Der Congress ist restlos ausverkauft und Digitalcourage ist vom 27. bis 30. Dezember mit einem eigenen „Habitat“ dabei. In diesem vertreten sind die Assemblies der Digitalcourage-Ortsgruppe Hamburg, der BigBrotherAwards und der TecKids.
Gezeigt wird unter anderem der „Fahrkartenautomat des Grauens“, dazu gibt es Einblicke in die BigBrotherAwards, unseren Online-Shop „in Echt“ und viele Details aus der laufenden Arbeit bei Digitalcourage.
Wenn der Platz es zulässt, reisen auch der Flipper sowie die Kugelbahnen mit, mit denen wir Suchmaschinen und das Fediverse auf anschauliche und spielerische Weise erklären. Der genaue Standort im Congress Center Hamburg steht noch nicht fest. Erfahrungsgemäß gilt jedoch: Wer dort unterwegs ist, stolpert früher oder später ohnehin über Digitalcourage.
2 Debatte verschärft sich: Europa hinterfragt US-dominierte IT
Die Debatte um die europäische digitale Souveränität nimmt weiter Fahrt auf. Die Konferenz der schweizerischen Datenschutzbeauftragten (Privatim) hat ein deutliches Signal gegen die Abhängigkeit von US-Tech-Konzernen gesetzt. Wegen der US-Gesetzgebung – insbesondere des Cloud Act – sehen die Aufsichtsbehörden derzeit keine Möglichkeit, beim Einsatz großer internationaler Cloud-Anbieter den Schutz sensibler öffentlicher Daten zu gewährleisten. Diese Klarstellung wird viele Schweizer Behörden vor große Herausforderungen stellen: Folgen sie der Einschätzung, könnten verbreitete Anwendungen wie Microsoft 365 künftig nur noch sehr eingeschränkt genutzt werden.
Auch im Europäischen Parlament mehren sich die Stimmen, die vor der Abhängigkeit von US-Konzernen warnen. In einem fraktionsübergreifenden Schreiben weisen Abgeordnete darauf hin, dass die Parlamentarier.innen fast vollständig mit US-Hard- und Software arbeiten – ein Beispiel für die strukturelle Verwundbarkeit europäischer Institutionen. Sie betonen, dass in einer Welt wachsender geopolitischer Spannungen selbst Staaten, die für Europa lange als „Freunde“ galten, zu politischen Gegnern werden können – und ihre IT-Konzerne dann als strategisches Druckmittel eingesetzt werden. Eine solche Abhängigkeit berge erhebliche Risiken für Europas Souveränität und für die Sicherheit öffentlicher Daten; zudem flössen so Milliarden an Steuergeldern ins Ausland. Die Abgeordneten fordern deshalb, dass europäische Alternativen stärker eingesetzt werden sollen. Ziel müsse sein, die digitale Souveränität zu stärken und europäische Wertschöpfung zu sichern.
In unseren Gesprächen in Berlin und Brüssel hören wir immer wieder, es gäbe keine Alternativen zu US-Tech-Konzernen. Es fehlt aber nicht an Alternativen, sondern am Willen, sie umzusetzen.
Dass sich der Verzicht auf Big Tech auch finanziell lohnt, zeigt Schleswig-Holstein: Durch den Wechsel von Microsoft auf Open-Source-Software spart das Land rund 15 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Software-Lizenzkosten aller Ministerien auf Bundesebene knackten 2023 erstmalig die Milliardenmarke.
3 Tech-Tipp: Ein gutes Geschenk – Mit dem Fediverse durchstarten
Weihnachten ist auch das Fest, an dem der in alle Welt verstreute Nachwuchs nach Hause kommt, um die alljährlichen IT-Probleme von Eltern und Großeltern zu lösen: „Kannst du mal kurz schauen, warum der Drucker nicht mehr geht?“ – „Ich hab irgendwas am Handy verstellt …“
Warum nicht einmal mehr für die Verwandtschaft tun als nur profane Technikpannen beheben? Viele Menschen, die uns früher mahnten „Glaub nicht alles, was im Internet steht“, stolpern heute selbst über KI-Bilder von Prominenten mit sechs Fingern oder anderen Unsinn in ihren Feeds. Falschnachrichten, Tracking, Werbung und Hassrede sind auf Facebook, Instagram oder X längst mehr als nur störend – sie gefährden unsere demokratische Öffentlichkeit. Dabei gibt es eine Alternative: ein soziales Medium, das Privatsphäre und Selbstbestimmung ernst nimmt und nicht auf Ausbeutung ausgelegt ist: Das Fediverse.
Passend zum gemeinsamen Technik-Tüfteln unterm Weihnachtsbaum haben wir die Fediverse-Anleitung in unserer Rubrik “Digitale Selbstverteidigung” gründlich aktualisiert: „Ihr Start ins wirklich soziale Medium“. Darin erklären wir, was das Fediverse besonders macht und wie Sie Schritt für Schritt hineinfinden – mit vielen kleinen Tipps aus der Praxis. Vielleicht das beste Geschenk, das Sie Ihrer Verwandtschaft zwischen Druckerkabeln und Handy-Einstellungen machen können.
Und wenn es etwas zum Einpacken sein soll: Unser „kurz&mündig“ zum Fediverse haben wir ebenfalls überarbeitet. Die 3. Auflage ist schön illustriert, geheftet – und eignet sich hervorragend für den Platz direkt unter dem Weihnachtsbaum. Außerdem haben wir Elena Rossinis vierminütiges Fediverse-Erklärvideo neu vertont, damit sich auch ohne lange Ausführungen eine ganz neue Social-Media-Welt entdecken lässt.
Fediverse-Anleitung:
https://digitalcourage.de/fediverse-anleitung
Fediverse-Erklärvideo (4 Minuten):
https://digitalcourage.video/w/p4VBLACzX1sFG1YfVs1JEB
„kurz&mündig“ zum Fediverse (3. Auflage):
https://shop.digitalcourage.de/kategorie/fediverse-gebunden.html
4 Keine Macht für Oligarchen: Bundesregierung endlich runter von X
Noch immer nutzen Bundesregierung, Kanzler und zahlreiche Bundesbehörden die Plattform X (ehemals Twitter) – trotz offener Drohungen von Elon Musk und dem US-Außenminister gegen Europa sowie klarer Rechtsverstöße. Die EU-Kommission verhängte Anfang Dezember 2025 eine 120-Millionen-Strafe. Musks Reaktion: Die EU „abschaffen“. US-Außenminister Rubio sprach von einer „Attacke auf das amerikanische Volk“.
Staatliche Stellen verleihen X durch ihre Präsenz Reichweite und Legitimität und zwingen Menschen faktisch zur Nutzung der Plattform, wenn sie an zentrale Informationen gelangen wollen. Dabei gibt es längst Alternativen: Offene, unabhängige Netzwerken wie Mastodon und das Fediverse. Bei der Nutzung muss die Bundesregierung vorangehen. Digitalcourage ist deshalb Erstunterzeichner der neuen Petition von Save Social.
Wir fordern: Die Bundesregierung und ihre Behörden sollen X sofort verlassen und ihre Social-Media-Kommunikation auf offene, gemeinwohlorientierte Plattformen verlagern.
Den vollständigen Petitionstext mit allen Forderungen finden Sie hier – bitte unterstützen Sie die Petition mit Ihrer Unterschrift: https://weact.campact.de/petitions/keine-macht-fur-oligarchen-bundesregierung-endlich-runter-von-x
5 Post an Digitalcourage
An dieser Stelle lassen wir Menschen zu Wort kommen, die uns geschrieben haben.
„Digitalcourage kenne ich schon lange, ich habe mich nur jetzt zur Mitgliedschaft entschlossen, da die politischen Angriffe auf unsere digitale Freiheit zunehmen und euer Verein sich dem entgegenstellt. Das möchte ich unterstützen.“
Solche Nachrichten motivieren uns, weiter jeden Tag unser Bestes zu geben. Herzlichen Dank!
Wenn Sie uns nachhaltig unterstützen wollen, werden Sie Digitalcourage-Fördermitglied. Bis Ende des Jahres wollen wir 5.000 Mitglieder erreichen : https://digitalcourage.de/mitglied
6 Shop: „Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus“ von Rainer Mühlhoff
Im Silicon Valley träumt man davon, den Menschen zu verbessern. Mit sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) soll er endlich seine Grenzen „überwinden“. Rainer Mühlhoff zeigt in seinem Essay „Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus“ detailreich auf, dass dieses Denken tief in den Big-Tech-Unternehmen verwurzelt ist und erschreckend viel mit der Eugenik und dem Rassenbegriff des deutschen Nazi-Regimes gemein hat. Bei Mühlhoff ist Faschismus mehr als ein Kampfbegriff, er ist eine Deutungswerkzeug für die gesellschaftlichen Gefahren der Zukunft. Ein Werkzeug, das wir in der heutigen Zeit mehr denn je brauchen: Trump baut jetzt schon den Rechtsstaat der USA in einen faschistischen Machtapparat um. Möglich macht das die Symbiose mit den kalifornischen KI-Unternehmen, die überzeugt sind, das Wohl der Menschen von heute für das „Wohl der Menschheit von morgen“ zu opfern.
Rainer Mühlhoff „Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus“:
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-buecher-und-broschueren/ki-und-der-neue-faschismus-von-rainer-muhlhoff.html
Wie jedes Jahr gibt es auch 2026 wieder einen Digitalcourage-Wandkalender. Neben ausgewählten Feiertagen verschiedener Kulturen enthält der Kalender einige digitalpolitische Termine sowie die Mondphasen.
Wandplaner 2026:
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-postkarten-und-kalender/kalender-wandplaner-2026-von-digitalcourage.html
7 Deutschlandfunk Sendung zu Digitalzwang mit Beteiligung von Hörerinnen und Hörern
Der Deutschlandfunk widmet seine Verbrauchersendung „Marktplatz“ am Donnerstag, 18. Dezember (10:00 – 11:30 Uhr) dem Thema Digitalzwang. Immer häufiger geraten Menschen unter Druck, digitale Wege nutzen zu müssen – auch dort, wo analoge Alternativen notwendig wären.
Unsere politische Geschäftsführerin Rena Tangens ist als Expertin zugeschaltet und diskutiert mit weiteren Fachleuten aus Internetwirtschaft, kommunalen Unternehmen und der Senior.innenarbeit darüber, wie digitale Verwaltungswege gestaltet sein müssen, damit niemand ausgeschlossen wird.
Ihre Beteiligung ist ausdrücklich erwünscht:
Die Sendung ist ein Call-in-Format – Sie können also live anrufen, Fragen stellen oder Ihre Erfahrungen beisteuern.
Hörer.innentelefon: 00800–4464 4464
Ebenfalls mit dabei sind:
- Sidonie Krug (Leiterin der eco-Verbandskommunikation und Sprecherin für politische Kommunikation, eco – Verband der Internetwirtschaft)
- Dr. Jens Meier (Verband kommunaler Unternehmen, Stadtwerke Lübeck)
- Astrid Mönnikes (Projektleiterin „DigitalPakt Alter“, BAGSO)
8 Adventskalender
Unser digitaler Adventskalender ist wieder da. Hinter 24 Türchen warten praktische Tipps zur digitalen Selbstverteidigung. Der Einstieg lohnt sich auch dann, wenn man nicht ab dem 1. Dezember dabei war: Alle Türchen sind sofort klickbereit und lassen sich jederzeit nachholen.
Ob Sie anschließend brav Tag für Tag weiteröffnen oder direkt alles auf einmal vernaschen, entscheidet Ihre adventliche Selbstbeherrschung.
Türchen für Türchen zur digitalen Selbstverteidigung:
https://digitalcourage.de/adventskalender
9 Digitalcourage in den Medien (Auszug)
29.11.2025, Ralf T. Mischer (Neue Westfälische / nw.de – kostenpflichtig)
„Parkraumüberwachung per Kamera: Fast 1.000 Euro für achtmal Parken vor Klinik in Bad Driburg“
29.11.2025 (Offenburger Tageblatt und weitere Regionalausgaben)
„Deutschlandticket ohne App nutzen?“
27.11.2025, Helmut Martin-Jung (Süddeutsche Zeitung / sueddeutsche.de)
„Wenn der Plüschteddy über Sexpraktiken redet“
27.11.2025 (Mannheimer Morgen Stadtausgabe und weitere Regionalausgaben)
„Chatkontrolle nur freiwillig“
26.11.2025 (zeit.de und weitere Online-Medien (stern.de, fr.de, rp-online.de, t3n.de))
„‚Chatkontrolle‘: EU-Staaten für Freiwilligkeit statt Pflicht“
11.11.2025, Marie-Claire Koch (heise.de)
„Interview: ‚Digitalzwang ist nicht Fortschritt, sondern kurzsichtig‘“
10.11.2025, Daniela Siebert (deutschlandfunk.de – Radiobeitrag)
„Gegen Digitalzwang für analoge Alternativen“
10.11.2025, Anneke Quasdorf (nw.de / Neue Westfälische und weitere Regionalausgaben – kostenpflichtig)
„Scan-Autos prüfen sämtliche Kennzeichen – nicht nur von Falschparkern“
08.11.2025, Ralf Hutter (junge Welt / jungewelt.de)
„Regierungsziel ‚Volldigitales Land‘“
07.11.2025 (Haller Kreisblatt)
„Streit um Einsatz von Scan-Autos gegen Parksünder“
04.11.2025 (aerztezeitung.de – kostenpflichtig)
„Doctolib startet PVS: ‚Wir können einen deutlichen Beitrag zur Entlastung der Praxisteams leisten‘“
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