PM: Digitalcourage: Deutsche Vorratsdatenspeicherung nach EuGH-Urteil nicht haltbar

Nach vorläufiger Einschätzung der Datenschutz- und Grundrechteorganisation Digitalcourage und ihres Anwalts Meinhard Starostik bedeutet das heutige Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union das Aus für das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.

P r e s s e m i t t e i l u n g
Berlin/Bielefeld, 21.12.2016

Digitalcourage: Deutsche Vorratsdatenspeicherung nach EuGH-Urteil nicht haltbar

Nach vorläufiger Einschätzung der Datenschutz- und Grundrechteorganisation Digitalcourage und ihres Anwalts Meinhard Starostik bedeutet das heutige Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union das Aus für das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Der Europäische Gerichtshof hat mit diesem Urteil Gesetze von EU-Mitgliedstaaten zur anlasslosen und massenhaften Speicherung von Kommunikations- und Bewegungsdaten für europarechtswidrig erklärt. Das betrifft auch das im Oktober 2015 beschlossene deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung.

„Das Urteil des EuGH setzt klare Grenzen, die das deutsche Gesetz bereits bei der Erhebung der Daten überschreitet“, sagt Rechtsanwalt Meinhard Starostik, der die Beschwerdeführer*innen vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt.
„Diese Grenzen definiert das Urteil in Randnummern 108 – 110 des Urteils wie folgt:
1. Bekämpfung schwerer Straftaten
2. Beschränkung der Speicherung auf das absolut Notwendige a) hinsichtlich der Kategorien der zu speichernden Daten, b) der erfassten Kommunikationsmittel, c) der betroffenen Personen und d) der vorgesehenen Dauer
3. Beschränkung auf Personen, deren Daten einen unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Zusammenhang mit schweren Straftaten haben
4. Beschränkung der Situationen, in denen eine Vorratsdatenspeicherung zulässig ist, z.B. eine geografische Beschränkung

Die unter 2 c), 3. und 4. dargelegten Beschränkungen werden von der deutschen Regelung der Vorratsdatenspeicherung nicht erfüllt. Ferner ist die Auskunft über IP-Adressen nicht auf Fälle schwerer Kriminalität beschränkt. Die deutsche Regelung hat vor den Einschränkungen des EuGH-Urteils keinen Bestand.“

„Ich hoffe“, sagt Rechtsanwalt Starostik, „dass das Bundesverfassungsgericht im Lichte seiner eigenen Rechtsprechung und dieses klaren Urteils des EuGH nunmehr kurzfristig das deutsche Gesetz für verfassungswidrig erklärt, damit die Speicherung am 1. Juli 2017 erst gar nicht beginnt.“

„Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, bei dem wir mit einem breiten Bündnis im November 2016 eine Verfassungsbeschwerde gegen die deutsche Vorratsdatenspeicherung eingereicht haben, muss das Gesetz jetzt kippen“, sagt padeluun von Digitalcourage. „Das Urteil des EuGH kommt gerade noch rechtzeitig, denn bereits ab 1. Juli 2017 sollen in Deutschland alle Standortdaten, Zeitpunkt und Dauer von Telefonaten, IP-Adressen und SMS-Daten anlasslos auf Vorrat gespeichert werden. Es war richtig, dass wir in unserer Verfassungsbeschwerde die Speicherung an sich angegriffen haben.“

„Jetzt sollten auch Justizminister Heiko Maas, Innenminister Thomas de Maizière und alle anderen Verantwortlichen endlich akzeptieren, dass anlasslose Massenüberwachung mit Demokratie und Grundrechten nicht vereinbar ist“, sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat heute in einer Pressemitteilung erklärt: „Die Mitgliedstaaten dürfen den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste keine allgemeinen Verpflichtungen zur Vorratsdatenspeicherung auferlegen (…). In Bezug auf die Vorratsspeicherung stellt der Gerichtshof fest, dass aus der Gesamtheit der gespeicherten Daten sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden können.“

Digitalcourage, der AK Vorrat und 23 betroffene prominente Verbände, Künstlerinnen, Journalisten, Anwältinnen und Ärzte haben im November 2016 Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Mehr als 33.000 Menschen haben die Klage unterschrieben. Digitalcourage fordert die Öffentlichkeit dazu auf, die Verfassungsbeschwerde zu unterzeichnen, um damit ein klares Zeichen an Medien, Politik und Öffentlichkeit gegen anlasslose Massenüberwachung zu senden: https://digitalcourage.de/weg-mit-vds

Weitere Informationen:
– Fotos: „Mit Recht: Klage gegen Telefon- & Internetüberwachung eingereicht“:
https://digitalcourage.de/blog/2016/klage-gg-vds-eingereicht
– Pressemitteilung des EuGH vom 21. Dezember 2016:
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2016-12/cp160145de.pdf
– Liste aller prominenten Mitbeschwerdeführenden:
https://digitalcourage.de/blog/2016/klage-gg-vds-eingereicht#vds-liste-mitbeschwerdefuehrende
– Schriftsatz der Verfassungsbeschwerde (PDF):
https://digitalcourage.de/sites/default/files/users/161/digitalcourage-verfassungsbeschwerde-gegen-vds.pdf
– Mehr zur Vorratsdatenspeicherung:
https://digitalcourage.de/themen/vorratsdatenspeicherung
– Materialsammlung zur Überwachungsgesamtrechnung:
https://digitalcourage.de/themen/ueberwachungsgesamtrechnung
– Weitere Pressemitteilungen mit Hintergrundinformationen:
https://digitalcourage.de/presse/pressemitteilungen
– Medienberichte zur Verfassungsbeschwerde:
https://digitalcourage.de/blog/2016/medienberichte-zu-unserer-verfassungsbeschwerde

Pressekontakt:
Digitalcourage e.V., Rena Tangens, padeluun
Tel: 0521 1639 1639
presse@digitalcourage.de
digitalcourage.de

Digitalcourage:
Digitalcourage setzt sich seit 1987 für Datenschutz und Bürgerrechte ein und richtet seit 2000 die jährliche Verleihung der BigBrotherAwards aus. 2008 erhielt Digitalcourage die Theodor-Heuss-Medaille für besonderen Einsatz für die Bürgerrechte.