Neue Verbündete

Parteijugendorganisationen gegen die Chatkontrolle

In den deutschen Parteijugendorganisationen regt sich Widerstand. Bundesinnenministerin Nancy Faeser muss sich jetzt klar von der Chatkontrolle abwenden.

Die Jugendorganisationen mehrerer Parteien haben sich dem Aufruf "Chatkontrolle Stoppen!" angeschlossen. Neben den Jugendverbänden der Ampel-Parteien, den Jusos, der Grünen Jugend und den Jungen Liberalen erklären auch die Linksjugend ['solid] und die Jungen Piraten damit ihre klare Ablehnung der EU-Pläne zur umfassenden Überwachung und Kontrolle privater Kommunikation.

Der Beitritt zum Bündnis erfolgt zu einem entscheidenden Zeitpunkt in den politischen Verhandlungen. Noch in diesem Jahr will die Bundesregierung ihre Verhandlungsposition im Rat der Europäischen Union festlegen.

Während die FDP und Bündnis 90/Die Grünen ihre Ablehnung der Pläne bereits erklärt haben, hat die zuständige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bisher eine klare Position vermieden. Am Dienstag wurde aber durch den Leak eines Positionspapiers des Bundesinnenministeriums (siehe netzpolitik.org) bekannt, dass ihr Ministerium die Pläne für eine Chatkontrolle grundsätzlich unterstützt.

Als Chatkontrolle werden die Pläne der EU-Kommission bezeichnet, sämtliche private und öffentliche Kommunikation zu durchleuchten, durch Client-Side-Scanning die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung auf Endgeräten auszuhebeln und mit erweiterten Uploadfiltern, mit Alterskontrollen für Onlinedienste und mit Netzsperren Internetnutzung zu beschränken.

Die EU-Kommission hat im Mai dazu einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, der derzeit von Europaparlament und dem Rat der Europäischen Union diskutiert wird. Die Positionierung der deutschen Bundesregierung im Rat hat eine entscheidende Bedeutung für die weiteren Verhandlungen.

Eine Enthaltung Deutschlands im Rat käme einer Bestätigung der Chatkontrolle gleich. Im Koalitionsvertrag heißt es eindeutig:

„Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht lehnen wir ab.“

Um dieses Versprechen zu erfüllen müssen die Ampel-Parteien sich daher auf eine Ablehnung des Verordnungsvorschlags im Rat einigen.

Chatkontrolle

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Das Bündnis „Chatkontrolle Stoppen!“ erklärt:

„Jetzt sollte die Bundesinnenministerin dringend ihre Position überdenken. Die Pläne sind unverhältnismäßig, nicht zielführend und widersprechen dem, was die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hat.“

Timon Dzienus, Bundessprecher der Grünen Jugend:

„Die Chatkontrolle ist ein völlig überzogener Grundrechtseingriff in die Privatsphäre aller Bürger*innen, die das Ende privater Kommunikation bedeuten kann, indem Menschen unter Generalverdacht gestellt werden. Seit Jahrzehnten erleben wir eine Verschärfung von Überwachungsmaßnahmen. Oft mit einer vorgeschobenen Argumentation wie zur Terrorismusbekämpfung. Zuletzt erlebten wir dies bei der Präventivhaft, die nun genutzt wird, um Klimaaktivist*innen völlig abseits von rechtsstaatlichen Verfahren wochenlang einzusperren. Wir bleiben dabei: Private Kommunikation muss privat bleiben und der Staat hat kein Recht, hier mitzulesen.“

Franziska Brandmann, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen:

„Wie bereits beim Thema Urheberrecht und Artikel 13 beweist die EU-Kommission mit ihrem Verordnungsvorschlag für die Chatkontrolle, dass sie digitale Bürgerrechte weder verstanden hat, noch verstehen will. Sollte dieses Gesetz beschlossen und in Deutschland umgesetzt werden, wäre das eine klare Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, das erst 2008 vom Bundesverfassungsgericht formuliert wurde. Die Chatkontrolle muss unbedingt verhindert werden.“

Alban David Becker, Sprecher der Jungen Piraten:

„Die Chatkontrolle ist ein äußerst gefährliches Werkzeug, dass alle europäischen Bürger:innen unter Generalverdacht stellen würde. Das Aufbrechen der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bringt enorme Sicherheitsrisiken mit sich und vertrauliche, anonyme Kommunikation wird unmöglich - besonders für alle Menschen, die darauf angewiesen sind. Nachdem die Positionen des BMI nun bekannt sind, liegt es nicht nur an den anderen Regierungsparteien, sondern insbesondere an der Basis der SPD, sich lautstark gegen Massenüberwachung zu positionieren.“

Fabian Kors, Stv. Vorsitzender der Jusos:

„Kommunikationsüberwachung ohne Anlass ist immer ein 'No-Go': Ob beim Versenden von Nachrichten oder sogar direkt auf dem Gerät selbst wie beim Client-Side-Scanning. Die Überwachung aller bedeutet Freiheit für niemanden.“

Angelo D’Angelo, Bundesschatzmeister Linksjugend [‘solid]:

„‘Sicherheit‘ aus Faesers Mund meint nicht die Sicherheit der Menschen, sondern die Sicherheit, dass die Logik des unmenschlichen Marktes und sonstiger turbo-kapitalistischer Organe durch staatliche Überwachung gesichert sind und Bürger:innen daran gebunden werden, bei diesem Irrsinn auf alle Zeit mitzumachen.“