Frauen explizit ansprechen

Ganz häufig müssen sich Frauen gefallen lassen „mitgemeint“ zu sein. Wie man Frauen im Alltag ganz elegant sichtbar machen kann schildert Rena Tangens in einer Anekdote aus den guten alten Mailboxzeiten (um 1990).

Rena Tangens und padeluun haben sich von Anfang an darum bemüht, Frauen in den Netzen sichtbarer werden zu lassen. Wie Techniker.innen ihre Macht auch in diese Richtung einsetzen können, berichtet diese Anekdote von Rena Tangens aus den 90er Jahren.

Es klingt paradox: Das Nicht-Vorkommen von Frauen war zunächst allgegenwärtig im Netz. Es war grundsätzlich von „dem Sysop“ und „dem User“ die Rede. Meine persönlich erste nähere Bekanntschaft mit dem MailBox-Programm Zerberus begann denn auch mit dem Umpatchen1 der Befehle und Systemmeldungen in eine sprachliche Form, in der auch Frauen berücksichtigt wurden. Dann wollte ich ein Handbuch zum ZERBERUS MailBox-Programm für die TeilnehmerInnen unserer MailBox erstellen. Es gab bereits einige Texte zur Benutzung des Programms, die ich eigentlich nur orthografisch Korrekturlesen wollte, bevor sie gedruckt werden sollten. Ich merkte, daß das keineswegs ausreichte. Es wurden fast ausschließlich die Funktionen des Programms beschrieben, nicht aber, wie ich es anstellen kann, wenn ich dies oder das tun will. Frauen kamen nicht vor und zu allem Überfluß begann etwa jeder dritte Satz mit den Worten „Man kann ...“. Ich schrieb eine neue Anleitung für Zerberus und kam mit den Programmierern ins Gespräch, die sich durchaus aufgeschlossen zeigten, auch in puncto gewünschter Programmänderungen.

Mittlerweile sind in allen Systemmeldungen und Handbuchtexten bis hin zu technischen Beschreibungen von Zerberus Frauen berücksichtigt. Dies war für einige Systembetreiber im Netz anfangs so ungewohnt und provokativ, daß sie sich für ihr System nun ihrerseits die Meldungen wiederum ins „männliche“ zurückpatchten. Die neue Programmversion plus Handbuch löste heftige Diskussionen im Netz aus über die Beziehung von Technik, Politik und Frauenbewegung. Die Argumente gegen den nicht- diskriminierenden Sprachgebrauch waren vielfältig: Sprache sei nebensächlich, es sollte lieber an der realen Befreiung der Frau gearbeitet werden. Es sei albern, sich von der allgemeinen Form nicht angesprochen zu fühlen. Es sei laut Duden kein korrektes Deutsch.

Die Lernprozesse dauern an, aber die Erfolgsmeldungen machen doch ein bißchen Spaß: Ein Sysop, der vorher die Meldungen ins männliche zurückgepatcht hatte, schrieb mir nach der Lektüre von Luise Puschs „Das Deutsche als Männersprache“, das ich ihm statt einer Antwort im Netz als Geschenk geschickt hatte, er habe meinen Punkt jetzt verstanden. Und ein Programmierer, der zuvor auf dudenkonformer Schreibweise bestanden hatte, rief mich an, um mitzuteilen, daß er das mit dem Nicht-Angesprochen-Fühlen jetzt verstünde: Gerade bei den Eltern ausgezogen hatte er ein Haushaltsgerät für seine eigene Küche gekauft und festgestellt, daß er in der Gerätebeschreibung als „Liebe Hausfrau“ tituliert wurde. Wir können hier recht deutlich die Entstehungsbedingungen von Diskursen beobachten: Eine rein theoretische Diskussion in einem Brett2 hätte vergleichsweise wenig Wirkung gehabt, da sich niemand betroffen gefühlt hätte - die Änderung des technischen Instrumentariums dagegen legte eine der diskursiven Bruchstellen bloß.


  1. Patchen hat etwas mit Patchwork (also einem Flickenteppich) zu tun. Es heißt soviel wie "in ein fertig vorhandenes Programm etwas hineinflicken", ohne den Quellcode des Programmes zu ändern - meist deshalb, weil das entsprechende Programm von jemand anderem geschrieben wurde und mensch den Quellcode daher nicht besitzt. ↩︎

  2. Brett = bei Zerberus für Newsgroup, Themengruppe ↩︎