Perso ohne Finger!

Seit August 2021 müssen wir zwangsweise Fingerabdrücke im Personalausweis speichern lassen. Digitalcourage findet das übergriffig und undemokratisch.
Markus Hamid, CC-BY 4.0

Und hier bitte einmal Ihren Finger auflegen, damit wir den Fingerabdruck scannen können …

Fingerabdrücke abgeben – das verbinden wir erst einmal mit Verbrechen. Doch seit dem 2. August 2021 werden wir alle behandelt, als wären wir tatverdächtig: Wer einen neuen Personalausweis beantragt, muss verpflichtend die Fingerabdrücke beider Zeigefinger scannen und speichern lassen.

Wir können die Fingerabdruckpflicht für Personalausweise noch kippen

Eine EU-Verordnung schreibt die Speicherpflicht für Personalausweise vor. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im März 2024 in seinem Urteil zu unserer Klage allerdings festgelegt: Die Speicherpflicht kann nur noch bis zum 31.12.2026 angewendet werden, weil die Verordnung in einem falschen Gesetzgebungsverfahren beschlossen wurde. Das heißt: Ob wir ab 2027 noch Fingerabdrücke abgeben müssen, ist wieder offen.

Denn wenn wir genügend EU-Politiker.innen für unsere Position für Persönlichkeitsrechte und gegen die Sicherheitsrisiken von Fingerabdrucksammlungen gewinnen, wird es keine neue EU-Verordnung geben.

Das ist nicht unrealistisch: In dem korrekten Verfahren wäre die EU-Verordnung 2019 nicht beschlossen worden, denn damals haben im EU-Rat zwei Mitgliedsstaaten gegen die Fingerabdruckpflicht gestimmt.

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Mein Personalausweis ist abgelaufen – was kann ich tun?

Leider gibt es derzeit keine Möglichkeit, ein Ausweisdokument ohne Fingerabdrücke zu bekommen.

Wenn Sie noch einen gültigen Reisepass haben, können Sie diesen als Ausweisdokument statt des Personalausweises nutzen – so müssen Sie zumindest nicht ein zweites Mal Ihre Fingerabdrücke speichern lassen.

Was kann ich gegen die Fingerabdruckpflicht tun?

Die Fingerabdruckpflicht muss auf EU-Ebene bis Ende 2026 neu verhandelt werden. Dass hat der EuGH in seinem Urteil zu unserer Klage festgelegt. Damit ist das Thema wieder auf dem politischen Verhandlungstisch – und wir alle können darauf Einfluss nehmen. Zum Beispiel so:

  • Kontaktieren Sie EU-Abgeordnete und erklären Sie, dass die Fingerabdruckpflicht in Personalausweisen unnötig und gefährlich ist. Lassen Sie sich gerne von unseren Argumenten weiter unten inspirieren.

  • Informieren Sie Verwandte, Freundinnen und Bekannte in anderen EU-Ländern über das Thema. Denn eine Neuauflage der Speicherpflicht für Fingerabdrücke in Personalausweisen benötigt Einstimmigkeit im EU-Rat. Das bedeutet umgekehrt: Spricht sich mindestens ein Mitgliedsstaat gegen die Pflicht aus, gibt es keine neue Speicherpflicht.

  • Unterstützen Sie Digitalcourage mit einer Fördermitgliedschaft. So können Sie uns dabei helfen, die Kosten für Recherchen, Öffentlichkeitsarbeit und juristische Beratung zu stemmen.

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Warum Fingerabdrücke in Ausweisdokumenten ein Problem sind

Unsere Würde wird angegriffen, wenn wir behandelt werden wie Kriminelle – wir halten dieses Gesetz daher für grundrechtswidrig. Die zwangsweise und anlasslose Abgabe von biometrischen Daten entspricht nicht den Werten von Rechtsstaaten und Demokratien, sondern der Kontrollsucht von Polizeistaaten.

Biometrische Merkmale haben eine besondere Dimension, denn sie ermöglichen lebenslange Kontrolle: Menschen können, wenn es sein muss, Passwort, Namen und Wohnort wechseln, um sich beispielsweise vor Verfolgung oder Bedrohung zu schützen. Biometrische Daten wie Fingerabdrücke können wir niemals ändern.

Staatliche Stellen müssen die Sicherheit der biometrischen Daten garantieren. Doch je häufiger biometrische Daten erhoben, weitergeleitet oder ausgelesen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo ein Datenleck gibt. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass Schutzregelungen nachträglich aufgeweicht und Daten nicht ausreichend geschützt werden. Und: Wenn der Staat uns nicht vertraut – warum sollten wir dann staatlichen Behörden vertrauen?

Die zwei Diktaturen unserer jüngeren deutschen Geschichte haben in großem Maßstab Informationen gesammelt und gegen ihre Bevölkerung genutzt. Auch wenn ich unserem Rechtsstaat Vertrauen entgegen bringe – gilt das auch für alle zukünftigen Regierungen? Und was ist mit den Ländern, die ich besuchen möchte und die bei meiner Einreise meine Dokumente in die Hände bekommen?

Hier finden Sie unsere ausführliche juristische Argumentation, mit der wir die Klage eingereicht haben.

Unser Einsatz gegen die Speicherpflicht

Im August 2021 ist in Deutschland eine Änderung des Personalausweisgesetzes in Kraft getreten. Seitdem müssen alle, die einen neuen Personalausweis beantragen, zwingend die Abdrücke beider Zeigefinger auf dem Chip des Ausweises speichern lassen. Dieses deutsche Gesetz ist die Umsetzung einer EU-Verordnung.

Schon bevor dieses Gesetz in Kraft getreten ist, haben wir uns gegen die Fingerabdruckpflicht eingesetzt. Im Oktober 2020 hat Friedemann Ebelt von Digitalcourage als Sachverständiger bei einer Anhörung im Innenausschuss das damals in Planung befindliche Gesetz als unverhältnismäßig kritisiert und auf langfristige Gefahren hingewiesen.

Unsere Klage

Nach dem Beschluss des Gesetzes haben wir dagegen Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden eingereicht. Diese Klage wurde vom Verwaltungsgericht Wiesbaden direkt an den europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen und dort unter dem Aktenzeichen C-61/22 geführt. Währenddessen haben wir weiter politisch Druck gemacht – stellvertretend für über 13.000 Bürger.innen, die sich mit ihrer Unterschrift ebenfalls gegen die Speicherpflicht ausgesprochen haben.

Unsere Klage wurde im März 2023 vor der Großen Kammer des EuGH in Luxemburg mündlich verhandelt. Die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen empfohlen, unsere Klage abzuweisen – mit sehr lückenhaften Argumenten, wie wir finden.

Das EuGH-Urteil

Im März 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil über unsere Klage gesprochen. Der EuGH hat darin die EU-Verordnung, die die Speicherpflicht vorsieht, für ungültig erklärt, weil sie nicht im korrekten Gesetzgebungsverfahren beschlossen worden ist. Das ist ein Erfolg. Aber wir hätten uns gewünscht, dass das Gericht die Fingerabdruckpflicht kippt, weil sie nicht vereinbar mit unseren EU-Grundrechten ist.

Obwohl die Verordnung ungültig ist, bleibt die Speicherpflicht laut EuGH-Urteil in Kraft bis Ende 2026. Das bedeutet: alle, die einen Personalausweis beantragen, müssen zur Zeit weiterhin ihre Fingerabdrücke abgeben. Doch die Uhr tickt für die Speicherpflicht: Wenn bis Ende 2026 keine neue Verordnung beschlossen wurde, entfällt die Fingerabdruckpflicht. Und das wird diesmal schwieriger, denn mit dem korrekten Gesetzgebungsverfahren reicht ein einziger EU-Staat, um die Verordnung abzulehnen.

Aktuelle Blogartikel zu unserer #PersoOhneFinger-Kampagne

EuGH hat geurteilt

Fingerabdruckpflicht ist angezählt

Der EuGH hat die Verordnung zur Fingerabdruckpflicht aus verfahrensrechtlichen Gründen für ungültig erklärt. Das ist ein Erfolg. Aber wir hätten uns gewünscht, dass das Gericht die Fingerabdruckpflicht kippt, weil sie nicht…
Perso ohne Finger

Urteil in Sicht

Am Donnerstag, 21. März 2024, wird der Europäische Gerichtshof entscheiden, ob die Speicherpflicht für Fingerabdrücke in Personalausweisen aufgehoben wird.

#ReclaimYourFace – Kampagne gegen biometrische Massenüberwachung