Bündnis Hansaplatz

Protest gegen „KI“-Verhaltenskontrolle

Wir rufen zur Teilnahme am Protest am Samstag, den 30.09. um 15:00 gegen die automatisierte Überwachung am Hamburger Hansaplatz auf.

In Hamburg wird zur Zeit eine „KI“-Überwachung an öffentlichen Plätzen getestet. Sie soll am Hamburger Hansaplatz „verdächtiges“ Verhalten automatisiert erkennen.
Wir unterstützen den Aufruf für eine Kundgebung am Samstag den 30. September um 15:00 Uhr am Hansaplatz, Hamburg.

Die Stadt gehört uns allen!

Kundgebung gegen Überwachungsstaat und Verdrängung
30.09, 15:00 Uhr Hansaplatz

Der Hansaplatz wird aktuell testweise mit Künstlicher Intelligenz (KI) überwacht. Damit will die Polizei einen Präzedenzfall schaffen, um KI-basierte Videobeobachtung salonfähig zu machen und später an weiteren Orten, wie dem Hamburger Hauptbahnhof, einzusetzen. Hier geht es nicht um Sicherheit, sondern um die Verdrängung von obdach- und wohnungslosen, sowie auch von drogenkonsumierenden Menschen, von Sexarbeiter*innen und weiteren Personengruppen. Echte Unterstützungsmaßnahmen werden damit erschwert und die Sicherheit der Betroffenen stattdessen noch bedroht. Wir fordern daher ein sofortiges Ende der Überwachung und Verdrängung!

In einem aktuell laufenden Testprojekt werden die Daten der Videokameras auf dem Hansaplatz von der Polizei mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) ausgewertet. Dabei sollen „atypische Bewegungsmuster“ erkannt werden. Zu diesen zählen Fallen, Treten, Schlagen, Schubsen oder auch Liegen. Begründet wird dies mit mehr Sicherheit und einer effizienteren Polizeiarbeit.

Die aktuelle Umsetzung der KI soll zwar keine Identifizierung durch Gesichtserkennung beinhalten (andere Identifizierungsmöglichkeiten wurden bisher nicht genannt, sind aber vermutlich auch noch nicht in der Umsetzung), dennoch sind Bewegungsabläufe und Körperhaltung von Personen oft ausreichend für eine Identifizierung. Das ist ein Angriff auf die Grundrechte und erschwert eine anonyme Bewegung an öffentlichen Orten oder Teilnahme an Demos! Jede Ausweitung von Überwachung bewirkt außerdem eine Normalisierung solcher Maßnahmen und führt dazu, dass diese immer drastischer werden.

Senat und Polizei sind schon in der Vergangenheit hart gegen obdach- und wohnungslose Menschen vorgegangen. Hinzu kommt der Sparkurs der Ampel-Regierung, welcher drastische Kürzungen im sozialen Bereich vorsieht und so bereits bestehende Probleme verstärkt. In genau dieser Zeit wird die KI-basierte Videoüberwachung am Hansaplatz als einfache Lösung für städtische Probleme präsentiert und fügt sich als zusätzliches Puzzelteil in eine von Investor*innen und Immobilienkonzernen maßgeblich beeinflusste Politik ein, die sich gegen die Menschen richtet, die nicht in das Idealbild einer tourismusfreundlichen Stadt passen. Die KI-überwachung ist ein Instrument zur weiteren Verdrängung von obdach- und wohnunglosen sowie auch von drogenkonsumierenden Menschen, Sexarbeiter*innen und weiteren Personengruppen.

Wissenschaftliche Studien belegen, dass Videoüberwachung Straftaten nicht verhindert. Bestehende Probleme werden nicht gelöst, sondern auf Nebenstraßen und Hinterhäuser verlagert. Dort werden die Risiken für beteiligte Personen deutlich größer, statt kleiner. So fragen wir uns, wer Sicherheit eigentlich definiert und für wessen Sicherheit gesorgt werden soll: Für Passant*innen, obdach- und wohnungslose oder auch drogenkonsumierende Menschen, Sexarbeiter*innen oder andere, denen der Hansaplatz ein Zufluchtsort ist? Oder geht es doch eher um die Sicherheit von Wirtschaftsinteressen von Investor*innen, Politiker*innen und Immobilienkonzernen?

Statt einer Verlagerung der Probleme durch einen Kampf gegen Menschen durch Überwachung und Verdrängung, fordern wir eine Verbesserung der Umstände, die diese realen Probleme verursachen. Lasst uns dafür gemeinsam ein Zeichen setzen!

„KI“-Überwachung ist gefährlich und schafft keine Sicherheit

Diese Form der „intelligenten“ Videoüberwachung ist aus vielen Gründen problematisch, z.B.:

  • Automatisierte Überwachung ist skalierbar: wo vorher die Überwachung wenigstens noch Kapazitätsgrenzen hatte, weil es nur endlich viele Menschen gibt, die eine Videoüberwachung in Echtzeit oder zeitlich nachgelagert auswerten können, ist diese bei automatisierten Systemen quasi unendlich ausbaubar. Damit lässt sich eine vollumfängliche Massenüberwachung des öffentlichen Raums umsetzen. Eine einmal bestehende Überwachungsinfrastruktur lässt sich schnell für beliebige Zwecke konfigurieren.
  • Automatisierte Verhaltenskontrolle ist eine besonders perfide Technik: schon durch klassische Videoüberwachung werden Menschen im öffentlichen Raum dazu konditioniert, sich möglichst konform zu verhalten. Dieser sogenannte „chilling effect“ führt dazu, dass Menschen bewusst oder unterbewusst ihre eigenen Grundrechte und Freiheiten nicht ausüben aus der Angst, dass das eigene Abweichen von „normalem“ Verhalten als „verdächtig“ angesehen werden könnte.
  • Die Technik ist fehleranfällig: wir sehen immer wieder, wie Menschen durch vermeintlich intelligente Überwachungssysteme zu Unrecht kriminalisiert werden. Was schon bei der Erkennung von vergleichsweise stabilen Faktoren wie den biometrischen Merkmalen von Menschen nicht funktioniert, kann bei etwas so Dynamischem wie menschlichem Verhalten nicht gutgehen. Ein vergleichbares System wird bereits in Mannheim getestet. Hier hat sich gezeigt: Sogar nach fünf Jahren Training für die dort getestete Verhaltenskontrolle konnte sie Umarmungen nicht von Schlägereien unterscheiden. „Intelligente“ Videoüberwachung ist alles mögliche, nur nicht intelligent und die Gefahr durch Falscherkennungen kann jede.n treffen.
  • Der Angriff auf Grundrechte beginnt fast immer mit marginalisierten Gruppen und wird dann auf die gesamte Bevölkerung ausgeweitet. Z.B. beim Einsatz von Gesichtserkennung gegen Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen. Im konkreten Fall am Hansaplatz äußert sich das zuerst in einer Verdrängung von Obdachlosen, von Sexarbeiter.innen und von Menschen, die Drogen konsumieren.
  • Überwachung verhindert Kriminalität nicht, sondern verlagert sie bestenfalls woandershin. Wissenschaftliche Studien zeigen das immer wieder. Und wer an allen Orten Überwachungssysteme installieren möchte, wo damit Verbrechen dokumentiert werden könnten, muss auch eingestehen, was dann die logische Konsequenz wäre: Nach den großen öffentlichen Plätzen müsste natürlich auch in jeder Straße eine „KI“-Überwachung das Verhalten der Bevölkerung kontrollieren. Und als nächstes auch in jeder Wohnung und in jedem Schlafzimmer. Denn auch dort könnten Verbrechen geschehen.

Gerade laufen Verhandlungen für ein europaweites Verbot von „KI“-Überwachung. Im Rahmen von „Reclaim Your Face“ engagieren wir uns seit Jahren für einen konsequenten Schutz z.B. vor automatisierter Gesichtserkennung, vor biometrischer Kategorisierung nach äußerlichen Kriterien wie Geschlecht oder ethnischen Zuschreibungen und eben auch für einen Schutz vor automatisierter Verhaltenskontrolle. Das Überwachungsprojekt am Hansaplatz torpediert diese Bemühungen für einen Schutz der Bevölkerung vor fehleranfälliger „KI-“Überwachung, welche mit einer freiheitlichen Demokratie unvereinbar ist.

Es ist doch gerade etwas Schönes, dass wir Menschen Wesen mit unterschiedlichem Verhalten sind und keine stumpfen Roboter, die berechenbaren Routinen folgen. Die Freiheit, unsere Vielfalt und unsere individuellen Persönlichkeiten frei zu entfalten, müssen wir verteidigen. Darum unterstützen wir den Aufruf zur Kundgebung gegen Überwachungsstaat und Verdrängung am Hamburger Hansaplatz.“ – Konstantin Macher von Digitalcourage e.V.

Den Aufruf mit allen unterstützenden Organisationen und eine Petition findet sich auf der Website des „Bündnis Hansaplatz“.

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