Wissenschaftliche Materialsammlung: Wirkt Videoüberwachung?
Mehr „Sicherheit“ durch mehr Videoüberwachung? Wir haben uns wissenschaftliche Studien angeschaut. Die sagen: Videoüberwachung wirkt nicht so, wie es angepriesen wird – mehr Sicherheit gibt es nicht.
2016 hat die Bundesregierung das „Anti-Terror-Paket“ verabschiedet. Eine der Maßnahmen: das sogenannte „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“. Wieder einmal wird die „Stärkung der Sicherheit“ als Grund angeführt. Doch lässt sich das überhaupt nachweisen? Wie die Bundesregierung anführt, nutzt sie zur Beurteilung der Wirksamkeit von Videoüberwachung verschiedene Quellen und auch empirische Daten von verschiedenen Studien. Etwas seltsam erscheint in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes (DRB) vom November 2016: Darin wird einerseits infrage gestellt, inwieweit die öffentliche Sicherheit durch den Einsatz von Videoüberwachung effektiv erhöht werden kann. Andererseits fordert der DRB, was die Regierung behauptet, schon zu haben: empirische Daten.
In Großbritannien ist die Videoüberwachung seit den achtziger Jahren gängige Praxis. Ihre Wirksamkeit wird deshalb immer wieder zum Untersuchungsgegenstand. Und auch in Deutschland wurden bereits einige Studien verfasst, mit denen die Effektivität dieser kriminalpräventiven Maßnahme auf den Prüfstand gestellt wurde. Die wissenschaftlichen Untersuchungen kommen dabei zu unterschiedlichen aber tendenziell „unbequemen“ Ergebnissen für die Politik.
Es drängt sich nämlich immer weiter die Frage auf, ob die tatsächlichen Erfolge der Videoüberwachung die massiven Grundrechtsverletzungen und immensen finanziellen Kosten noch rechtfertigen können. Darum verwundert es umso mehr, dass aus Sicht der Bundesregierung der Ausbau von Videotechnik dazu beitragen könnte, Straftaten aufzuklären, potentielle Straftäter abzuschrecken und die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen.
Bis auf eine Studie von Welsh und Farrington, die zur Planung einbezogen worden sein soll, gibt die Bundesregierung nicht bekannt auf welche empirischen Daten sie sich stützt. Um trotzdem ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen haben wir eine Sammlung von fundierten Studien und Analysen zusammengestellt, die die Wirksamkeit von Videoüberwachung wissenschaftlich untersucht haben. Studien von Welsh und Farrington sind natürlich auch dabei und deren Ergebnisse sind eher verwunderlich. Denn Teile dieser könnten die klaren Absichten der Bundesregierung verunsichern.
Unsere Materialsammlung zur Wirksamkeit der Videoüberwachung – zum Nachlesen und Nachschlagen:
Thomas Feltes, 2016:
Für eine Stellungnahme im Landtag NRW, hat der Kriminologe Thomas Feltes diverse Studienergebnisse zur Wirksamkeit der Videoüberwachung analysiert und zusammengetragen. Feltes führt an, dass eine Kriminalitätsreduktion durch Videoüberwachung am ehesten bei Eigentumsdelikten auf Parkplätzen Erfolg hat, wenn an den entsprechenden Orten auch eine verbesserte Beleuchtung vorhanden ist. Entscheidend ist dabei, dass durch die Einführung solcher Maßnahmen gezeigt wird, dass man sich um den entsprechenden Ort kümmert.
Feltes zitiert in diesem Zusammenhang eine Studie von David Weisburd u.a. aus dem Jahr 2014, mit der gezeigt werden konnte, dass „soziale Desorganisation“ einen äußerst begünstigenden Faktor für Kriminalität darstellt. Die Videoüberwachung hat darauf jedoch keinen Einfluss.
Auch die angeführte Studie von Ana Cerezo von 2013 legt nahe, dass Videoüberwachung nur einen Einfluss auf bestimmte Delikte wie PKW-Diebstähle hat. Verlagerungseffekte, mit denen sich die Kriminalität an andere Orte verschiebt, können dabei nicht ausgeschlossen werden.
Ähnliches konnte auch mit der Untersuchung von Andrew Reid und Martin Andersen von 2014 gezeigt werden. Die einjährige Beobachtung eines videoüberwachten Parkhauses lieferte nur wenige Hinweise auf einen signifikanten Rückgang fahrzeugspezifischer Kriminalität.
In einem Versuch von Bornewasser im Jahr 2008 wurde deutlich, dass die Videoüberwachung an zwei von vier Standorten in Brandenburg lediglich zu einem Rückgang von Diebstahldelikten führen konnte. In Bezug auf andere Deliktarten zeigten sich keine eindeutigen Verdrängungseffekte. Mit einer anschließenden Evaluationsstudie wurde deutlich, dass die Kriminalität nicht im erwarteten Umfang zurückgegangen ist. Die Videoüberwachung äußerte sich vielmehr demotivierend und ermüdend für beobachtende Beamte.
Wie darüber hinaus Karin Tillich mit ihrer Vergleichsstudie von 2014 feststellte, konnte nicht eindeutig belegt werden, ob die Installation von Videokameras in München zu einer Kriminalitätsreduktion führte. Denn es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass andere Faktoren, wie polizeiliche Schwerpunkteinsätze, ebenso Einfluss auf die Kriminalitätsrate haben. Deutlicher hingegen wirkte sich die Kamerainstallation auf „sozial auffällige, unerwünschte Randgruppen“ aus Innenstadtvierteln aus und behinderte die Arbeit von Hilfsorganisationen. Die Vergleichsdaten aus Barcelona verzeichneten sogar einen Anstieg der Delikte in videoüberwachten Bereichen.
„Mit einer anschließenden Evaluationsstudie wurde deutlich, dass die Kriminalität nicht im erwarteten Umfang zurückgegangen ist. Die Videoüberwachung äußerte sich vielmehr demotivierend und ermüdend für beobachtende Beamte.“
Dominic Kudlacek, 2015:
In einer weiteren Analyse von 2015, macht Dominic Kudlacek darauf aufmerksam, dass es schwierig ist, Aussagen über die grundsätzliche Wirkungsweise von Videoüberwachung zu machen. Die von ihm analysierte Daten legen nahe, dass die Wirkungsweise einzelfallabhängig ist und durch viele Faktoren beeinflusst wird.
Nina Matousek, 2015:
Nina Matousek kommt in ihrer Arbeit von 2015 zu dem Schluss, dass der präventive Zweck der Videoüberwachung von der öffentlichen Meinung und der Rechtsprechung als gegeben angenommen wird. Diese Annahme könne allerdings mit keiner unabhängig durchgeführten Studie belegt werden. Eine tatsächliche Erhöhung der Sicherheit kann somit nicht die Einführung von Videoüberwachungsmaßnahmen rechtfertigen. Videoüberwachung beeinflusst lediglich das „subjektive Sicherheitsgefühl“. Dabei bleibt fraglich, ob sich Diebe oder Einbrecher überhaupt von Videokameras abschrecken lassen. Denn dies ist bislang ebenfalls nicht nachweisbar.
„Nina Matousek kommt in ihrer Arbeit von 2015 zu dem Schluss, dass der präventive Zweck der Videoüberwachung von der öffentlichen Meinung und der Rechtsprechung als gegeben angenommen wird. Diese Annahme könne allerdings mit keiner unabhängig durchgeführten Studie belegt werden.“
Michael Zehnder, 2015:
Mit der Untersuchung eines Videoüberwachungsprojektes in Luzern, kam Michael Zehnder 2014 zu dem Ergebnis, dass die dortigen Überwachungskameras keine Sicherheitsvorfälle reduzieren konnten. Ähnliches zeigten auch die am Bahnhof Luzern erhobenen Daten. So ließ sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen der installierten Videoüberwachung und den registrierten Delikten erkennen. Wie Michael Zehnder betont, stehen diese Ergebnisse nicht im Widerspruch zu bisherigen empirischen Erkenntnissen der internationalen Evaluationsforschung im Bereich Kameraüberwachung. Demnach ist die Überwachung offener und urbaner Räume hinsichtlich objektiv gemessener Sicherheitsindikatoren nicht effektiv.
Matthias Rieger, 2014:
2014 kommt Matthias Rieger in seinem Abschlussbericht des Verbundprojektes zur „Automatischen Situationseinschätzung für ereignisgesteuerte Videoüberwachung (ASEV)“ zu einem eindeutigen Schluss. Zum einen kann Videoüberwachung versagen und sollte dann durch andere Überwachungstechniken ersetzt werden. Zum anderen ist die Wirksamkeit von Videoüberwachung bisher nicht eindeutig belegt.
Stephan Ackerschott, 2013:
Wie Stephan Ackerschott in seiner Studie von 2013 feststellt, scheint die präventive Wirkung von Videoüberwachung in Politik und Medien außer Frage zu stehen. Umso deutlicher wirkt der Unterschied zu seinen Untersuchungsergebnissen. Ackerschott konnte zeigen, dass die tatsächliche Effektivität von Videoüberwachung in Bezug auf Prävention geringer ausfällt als die Vermutete. Die geringe Effizienz der Präventionswirkung, zu erwartende hohe Kosten und der erhebliche Eingriff in die Grundrechte können deshalb eine großflächige Erweiterung der Videoüberwachung nicht rechtfertigen. Derlei Forderungen aus der Politik sind laut Ackerschott eher als eine „Beruhigungspille an der Bevölkerung“ zu verstehen, als eine effektive Maßnahme zur Bekämpfung von Kriminalität.
Lucien Müller, 2011:
Lucien Müllers stellt in seiner Arbeit von 2011 fest, dass sich aus bisherigen Untersuchungen zur Wirksamkeit der Videoüberwachung keine klaren Schlüsse ziehen lassen. Dabei bezieht er sich insbesondere auf die Überwachung im öffentlichen Raum, die zur Reduktion der Gesamtkriminalität eingesetzt wird. Gleiches stellt er auch für die Auswirkungen der Überwachung auf einzelne Deliktskategorien fest. Ebenfalls könnte Videoüberwachung kaum, oder nur in einem sehr geringen Umfang, Körperverletzungsdelikte verhindern. Der Erfolg der Videoüberwachung wird dabei entscheidend durch die Maßnahmen bestimmt, mit denen sie kombiniert wird. Müller verweist damit auf eine verbesserte Beleuchtung, den Einsatz von Sicherheitspersonal, bessere Hinweise auf die Kameras, sowie verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und eine ständige Überprüfung der Wirksamkeit der Überwachung. So scheint laut Müller die Videoüberwachung von Parkplätzen insbesondere in Kombination mit besserer Beleuchtung, gegen PKW-Diebstähle und Sachbeschädigungen wirksam zu sein. Insgesamt lehnt Müller Videoüberwachung als generell ungeeignetes Mittel, zur Verringerungen von Kriminalität in überwachten Bereichen, nicht ab. Jedoch betont er, dass bisherige Untersuchungsergebnisse Zweifel an der Geeignetheit der Videoüberwachung zur Kriminalprävention wecken müssen. Vor diesem Hintergrund sollte weiter geprüft werden, ob dieser Zweck nicht auch durch gleich geeignete, aber weniger grundrechtsintensive Mittel erreicht werden kann.
„So scheint laut Müller die Videoüberwachung von Parkplätzen insbesondere in Kombination mit besserer Beleuchtung, gegen PKW-Diebstähle und Sachbeschädigungen wirksam zu sein. [...] Jedoch betont er, dass bisherige Untersuchungsergebnisse Zweifel an der Geeignetheit der Videoüberwachung zur Kriminalprävention wecken müssen. Vor diesem Hintergrund sollte weiter geprüft werden, ob dieser Zweck nicht auch durch gleich geeignete, aber weniger grundrechtsintensive Mittel erreicht werden kann.“
Maja Apelt & Norma Möllers, 2011:
Mit ihrer Untersuchung aus dem Jahr 2011, kamen Maja Apelt und Norma Möllers zu dem Schluss, dass die große Akzeptanz der Videoüberwachung im Gegensatz zu ihrer kaum belegten Effektivität steht. Problematisch gestaltet sich vor allem, dass der Einsatz von Videoüberwachung häufig erst im Nachhinein an einer erkennbaren Wirkung ausgerichtet wird. Eher selten werden konkrete Ziele vorab festgelegt. Vergleicht man etwa verschiedene Zielsetzungen, so lässt sich erkennen, dass durch eine erleichterte Täteridentifizierung oder durch eine Personalkostensenkung, Straftaten gar nicht verhindert werden können oder sollen. Auch der Erfolg einer Täterabschreckung ist nicht nur unzureichend belegt, sondern führt eher zur Verlagerung von Delikten. Wenn überhaupt, dann kann dieses Ziel nur in Kombination mit anderen Maßnahmen, wie die Einbindung in Strategien der Polizei oder des Sicherheitspersonals, erfolgreich sein. Das Ziel, Beobachtete zu Disziplinieren und bestimmte soziale Gruppen durch Videoüberwachung auszuschließen, ist gesellschaftlich stark umstritten. Apelt und Möller verweisen darauf, dass sich die Disziplinierung häufig auch auf andere Formen sozial abweichenden Verhaltens bezieht und so auch Jugendgruppen oder Obdachlose in Kaufhäusern verdrängt werden sollen. Allerdings können diese Ziele durch Gewöhnungseffekte durchkreuzt werden. Insgesamt betrachten Möller und Apelt auch die Effektivitätsmessung von Videoüberwachung als problematisch. Neben der diffusen Zielsetzung der Videoüberwachung und einer geringen Reflexion der Folgen ist auch die Beachtung beeinflussender Rahmenbedingungen unzureichend.
Peter Ullrich & Marco Tullney, 2012:
Peter Ullrich und Marco Tullney kommen mit ihrer Untersuchung von 2012 zu dem Ergebnis, dass sich ein Videoüberwachungs-Projekt in Leipzig repressiv auf beobachtete Personen ausgewirkt hat. Der beobachtete Bahnhof war zuvor durch Drogenhandel und -konsum und KFZ-Einbrüche gekennzeichnet. Die Überwachung führte zu einer unerwünschten Verdrängung dieser Delikte in umliegende Wohngebiete und verschiedene Stadtteile. Sowohl die polizeiliche als auch die soziale Arbeit wurden durch diese Verlagerung vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Wie im Suchtbericht der Stadt kommentiert wird, wurden bereits installierte Angebote der aufsuchenden Arbeit erheblich blockiert. In bestimmten Stadtteilen etablierte sich durch die „Säuberung“ des Bahnhofvorplatzes, ein reger Handel mit illegalen Suchtmitteln, der nach Einschätzung der Mitarbeiter noch zugenommen hat.
John Woodhouse, 2010:
Mit seiner Analyse von 2010 verweist John Woodhouse auf eine Studie des „schwedischen Beirats für Kriminalitätsverhütung (https://www.bra.se/)“. Mit dieser konnte gezeigt werden, dass CCTV-Überwachung eine kleine aber signifikante Auswirkung auf Kriminalität haben könnte. Dabei wird die Wirksamkeit erheblich durch CCTV-Überwachung beeinflusst, die an Parkplätzen installiert und mit weiteren Maßnahmen, wie einer verbesserten Beleuchtung, Umzäunung und mehr Sicherheitspersonal kombiniert wurde. Andererseits konnte bei der CCTV-Überwachung von öffentlichen Plätzen und Verkehrsmitteln kein signifikanter Rückgang der Kriminalität verzeichnet werden. Vor dem Hintergrund der eher marginal ausfallenden Wirkung der Überwachung, wird dazu geraten, dass zukünftige Studien besser in verschiedene Untersuchungssettings und hoch qualitative Langzeitanalysen eingebettet werden sollten.
Brandon Welsh & David Farrington, 2008:
Wie Brandon Welsh und David Farrington mit ihrer Metastudie von 2008 aufzeigen, ist bislang nicht klar unter welchen Umständen CCTV-Überwachung effektiv eingesetzt werden kann. Dies muss allerdings für zukünftige Studien erarbeitet werden. Welsh und Farrington unterstreichen, dass zum Beispiel der Erfolg von CCTV-Überwachung von Parkplätzen sich weitestgehend auf die Reduktion von Fahrzeugkriminalität beschränkt. Dieser Erfolg wird dabei maßgeblich durch die Menge des Videomaterials, eine verbesserte Beleuchtung und mehr Sicherheitspersonal beeinflusst. Demgegenüber wirkte sich der untersuchte Einsatz von CCTV-Überwachung von öffentlichen Plätzen und Transportmitteln nicht signifikant auf die Kriminalität aus.
Florian Glatzner, 2006:
Florian Glatzner kommt in seiner Untersuchung von 2006 zu dem Ergebnis, dass durch Videoüberwachung bestimmte Vergehen, wie beispielsweise Eigentumsdelikte verhindert werden könnten. Gleichzeitig hat die Videoüberwachung aber insbesondere auf Affekt-Taten oder die Gesamtkriminalität nur einen sehr geringen Einfluss. Glatzner sieht seine Ergebnisse durch nahezu alle validen Studien bestätigt und bezeichnet Videoüberwachung somit als ein Instrument, das in seiner Wirksamkeit eng begrenzt ist. Ebenso kann es zu Verschiebungseffekten kommen, durch die die tatsächliche Wirksamkeit einerseits vermindert, während sie andererseits überschätzt werden könnte. Videoüberwachung eignet sich laut Glatzner bislang nicht als Instrument zur Verminderung der Furcht vor Kriminalität und kann vielmehr als stigmatisierendes Werkzeug betrachtet werden. Diese kennzeichnet und verändert Orte nämlich allein schon durch das Überwachen und markiert somit, was als „sichere“ oder „unsichere“ Zone betrachtet werden kann. Die mit Videoüberwachung einhergehende Einschränkung der Anonymität führt letztlich zum Verlust der Freiheit. Dies lässt auch in Anbetracht der entstehenden finanziellen Kosten für Überwachung und hinreichendes Personal, daran zweifeln, ob die Videoüberwachung überhaupt verhältnismäßig ist.
Leon Hempel & Christian Alisch, 2006:
Im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) führten Leon Hempel und Christan Alisch 2006 eine Untersuchung zur 24-Stunden-Videoaufzeichnung in Berliner U-Bahnstationen durch. Hempel und Alisch kommen zu dem Ergebnis, dass die 24-Stunden-Videoaufzeichnung entgegen ihrer steigenden Nachfrage, wenig genutzt wird und kaum nutzbar ist. Aufgrund der geringen Fallzahl von Delikten, wie Angriffe auf Mitarbeiter, Raub, Taschendiebstahl und Sachbeschädigung, könne die gegenwärtige Nutzung einer 24-Stunden-Videoaufzeichnung nicht gerechtfertigt werden. Hempel und Alisch empfehlen deshalb die Maßnahme bei Ermittlungsbehörden und in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, damit verstärkt Kenntnis über das Instrument gewonnen wird und Delikte gemeldet werden können. Mit einer positiven Auswirkung auf die Einschätzung der Sicherheitslage der Kunden in der U-Bahn sei andernfalls nicht zu rechnen. Wie Hempel und Alisch zusammenfassen, zeichnet sich aufgrund der Einführung der Videoaufzeichnung keine Veränderung der Kriminalitätsrate ab. Vielmehr kam es in Bezug auf vorliegende Vergleichszahlen sogar zu einem leichten Anstieg von Sachbeschädigungen.
Friedrich Lösel & Brigit Plankensteiner, 2005:
In ihrer Arbeit von 2005, fassen Friedrich Lösel und Brigit Plankensteinen die Ergebnisse der Meta-Analysen von Welsh und Farrington von 2003 und 2004 zusammen. Die Meta-Analysen zur präventiven Wirkung der Videoüberwachung konnten zeigen, dass sich besonders die Überwachung von Parkhäusern zur Reduktion von Kfz-Diebstählen als wirkungsvoll erwies. Dies wirkte sich auch erheblich auf die gesamt gemessene Kriminalitätsrate aus, sodass diese durchschnittlich um 21 Prozent reduziert werden konnte. Allerdings ist zu beachten, dass die Erfolge in Parkhäusern wahrscheinlich auf die Kombination der Videoüberwachung mit anderen Präventionsmaßnahmen zurückzuführen sind. Zur Verhinderung von Gewaltdelikten in Stadtzentren oder in U-Bahnen, stellte sich die Videoüberwachung indes als ein weniger geeignetes Instrument heraus. Trotzdem bemängeln Welsh und Farrington ein deutliches Forschungsdefizit in ihren zugrundeliegenden internationalen Studien. Außerhalb des angelsächsischen Raumes mangele es an methodisch angemessenen Evaluationen, was teilweise auf relativ kurzzeitige Nachuntersuchungen zurückgeführt werden kann. Teils fehle es auch an weiteren Präventionsmaßnahmen, die zusätzlich zur Videoüberwachung hinzukommen sollten. Wie Welsh und Farrington des Weiteren feststellen, steht die Effizienz der Videoüberwachung tendenziell in Beziehung zum gesellschaftlichen Kontext. Deshalb betonen sie, dass man die Analyseergebnisse, die aus den fundierten Studien aus Großbritannien stammen, nicht einfach auf andere Länder übertragen kann. Insgesamt sei die zugrundeliegende Forschungsbasis aber zu gering, um stichhaltige Aussagen zu treffen. So kann beispielsweise zur Verschiebung der Kriminalität durch Videoüberwachung nur wenig gesagt werden, obwohl diese eventuell ausschlaggebend für die Effizienz der Überwachung in Großbritannien ist. Mit Verweis auf ihre eigne Arbeit, bewerten Lösel und Plankensteiner abschließend ihre Zusammenfassung der Analysen von Welsh und Farrington. So sehen sie zukünftig Analysen erforderlich, in denen die Videoüberwachung mit technischen Maßnahmen, wie einer verbesserten Beleuchtung, verglichen werden.
Martin Gill & Angela Spriggs, 2005:
2005 führten Martin Gill und Angela Spriggs eine Meta-Studie zur Wirksamkeit von CCTV-Überwachung in Großbritannien durch. Mit den Ergebnissen konnte gezeigt werden, dass es in den CCTV-überwachten Bereichen nicht zum erwünschten Rückgang der Kriminalität kam. Lediglich in zwei von dreizehn überwachten Bereichen ließ sich ein signifikanter Kriminalitätsrückgang feststellen, der auf die CCTV-Überwachung zurückgeführt werden könnte. Die insgesamt statistisch geringe Signifikanz und die kleine Stichprobe lassen die Ergebnisse zudem sehr suggestiv erscheinen. Im Gegensatz zu spontanen Delikten und welchen in öffentlichen, weiträumigeren Orten, erwies sich vor allem die Überwachung von Parkhäusern, zur Reduktion von Kfz-Delikten, als wirksam. Dies könnte laut Gill und Spriggs teilweise auf die räumliche Begrenzung von Parkhäusern zurückgeführt werden, wo sich die Gefahr „entdeckt“ zu werden als potentielles Risiko einstellt. Nach der Installation der CCTV-Überwachung kam es teilweise sogar zur Erhöhung bestimmter Delikte. Die Polizei erklärte dies durch ihre allgemein erhöhte Wachsamkeit, die durch die CCTV-Überwachung entstehe und zur verbesserten Wahrnehmung von Delikten führe. Wie Gill und Spriggs betonen, werde diese Erklärung als ein polizeilicher Erfolg präsentiert. Sie liefert jedoch keine hinreichende Erklärung für Delikte wie Körperverletzungen, die ebenfalls zugenommen haben. Laut Gill und Spriggs werde allgemein angenommen, dass CCTV-Überwachung Kriminalität in nicht-überwachte Gebiete verschiebt. Allerdings lieferten die Studienergebnisse auch dafür nur wenige Hinweise.
Martin Gill & Daniel Swain & Angela Spriggs & Jenna Allen & Javier Argomaniz & Sam Waples, 2005 (11/05):
Mit ihrer Studie aus dem Jahr 2005 untersuchten Gill et al. den Einfluss der CCTV-Überwachung in South City. Die Ziele des Videoüberwachungsprojektes wurden dabei in unterschiedlichem Maße erreicht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch die Überwachung die öffentliche Bereitschaft gestiegen ist, Delikte zu melden. Dies bezieht sich insbesondere auf öffentliche Ordnungswidrigkeiten, Sachbeschädigungen und unter Alkoholeinfluss begangene Straftaten. Indes hatte die CCTV-Überwachung keinen Einfluss auf Körperverletzungsdelikte. Trotz gemessener Senkung der Kriminalitätsangst in den überwachten Gebieten, blieb eine allgemeine Unsicherheit in der Bevölkerung bestehen. Dabei wird nicht ausgeschlossen, dass andere Faktoren, wie der gezielte Personaleinsatz in der Innenstadt, ebenfalls zur Senkung der Kriminalitätsangst beigetragen hat. Problematisch stellte sich heraus, dass die Qualität des technischen Equipments der CCTV-Überwachung teilweise unzureichend war. So konnten die Aufnahmen, die Straftaten dokumentierten, nicht vor Gericht gezeigt werden. Insgesamt konnte mit dem Videoüberwachungsprojekt nicht dazu beigetragen werden die Sicherheit in den überwachten Gebieten im gewünschten Maße wiederherzustellen. In diesem Zuge führen Gill et al. an, dass auch der fehlende Input des City Center Managers einen entscheidenden Anteil daran gehabt hat.
Martin Gill & Jenna Allen & Jane Bryan & Deena Kara & Ross Little & Sam Waples & Angela Spriggs & Javier Argomaniz & Patricia Jessiman & Jonathan Kilworth & Daniel Swain, 2005 (15/05):
In der Meta-Analyse von Gill et al. von 2005 wurde anhand von vierzehn Studien die Wirksamkeit von CCTV-Überwachung untersucht. Wie die Ergebnisse zeigten, konnte nur in zwei Fällen ein statistisch signifikanter Kriminalitätsrückgang verzeichnet werden. Allerdings bezieht sich dieser Rückgang in erster Linie auf bestimmte Deliktarten. So erwies sich die CCTV-Überwachung insbesondere mit Hinblick auf Ladendiebstähle oder Kfz-Delikte in begrenzten Räumen als wirksam. Wie Gill et al. betonen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies auch auf andere Faktoren zurückzuführen ist. Zum einen zeichnete sich nämlich bereits vor der Untersuchung in der Polizeistatistik ab, dass die Kriminalität in den entsprechenden Bereichen rückläufig ist. Zum anderen wurde die Überwachung in Kombination mit weiteren Maßnahmen, wie einem verstärkten Personaleinsatz, kombiniert. Gill et al. unterstreichen, dass neben den zusätzlichen Maßnahmen auch die überwachten Orte selbst, die Art und Weise der Delikte und die Qualifikation des CCTV-Personals erheblichen Einfluss auf die Wirksamkeit der CCTV-Überwachung haben können. Zu glauben CCTV-Überwachung allein könnte komplexe soziale Probleme lösen, sei laut Gill et al. extrem und unrealistisch. Die Überwachung ist kein Allheilmittel und kann nur in Kombination mit anderen Maßnahmen wirksam sein. Deswegen muss sie auch zukünftig weiter untersucht werden.
„Zu glauben CCTV-Überwachung allein könnte komplexe soziale Probleme lösen, sei laut Gill et al. extrem und unrealistisch.“
Daniela Brandt, 2004:
Daniela Brandt untersuchte 2004 in ihrer Evaluationsstudie die Daten aus 27 Städten zur Wirkung von Videoüberwachung als Instrument der situativen Kriminalprävention. Wie sie feststellt, konnte in 19 Städten ein Kriminalitätsrückgang verzeichnet werden. Allerdings sind die registrierten Delikte hauptsächlich der Straßenkriminalität zuzuordnen und lassen keinen Rückschluss darauf zu, ob es sich dabei um schnell durchführbare Straftaten handelt. Dies ist jedoch entscheidend für die Einordnung der Qualität der Videoüberwachung. Ebenso ließ sich eine Verdrängung und Ausdehnung der Kriminalität feststellen, die sich insbesondere in Bezug auf Betäubungsmitteldelikte einstellte. Wie Daniela Brandt anführt, bleibt es unklar, ob sich der gemessene Kriminalitätsrückgang durch einen effektiveren Einsatz der Polizei oder durch die Videoüberwachung erzielen ließ. In allen Städten kam es zu einer Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls. Diesbezüglich kann jedoch keine Aussage darüber getroffen werden, ob eine stärkere Frequentierung der überwachten Orte darauf Einfluss hatte. Des Weiteren kam es in den untersuchten Städten weder zu einer Erhöhung der Aufdeckungsrate, noch zu vermehrten Konsequenzen für potentielle Straftäter. Dies begründet sich in der geringen Zahl von Festnahmen, die auf der Grundlage aufgezeichneter Bilder vollzogen werden konnten. Insgesamt bemängelt Daniela Brandt eine defizitäre Evaluation in der Mehrzahl der untersuchten Städte. Sie appelliert deshalb an die Planer, künftig dem Anspruch einer wissenschaftlichen Begleitforschung zur Videoüberwachung gerecht zu werden. Dies sieht Daniela Brandt ebenso in den finanziellen Kosten der deutschlandweiten Videoüberwachungsanlagen begründet. So wäre es bei einer Höhe von ungefähr 3,4 Millionen Euro notwendig und wünschenswert, eine sachgerechte Wirkungsevaluation durchzuführen, um unter anderem Hypothesen über die Wirkung der Videoüberwachung zu überprüfen. Abschließend erinnert Daniela Brandt daran, dass man bei der künftigen Planung der Untersuchungen berücksichtigen muss, dass es sich bei der Videoüberwachung lediglich um eine Kriminalitätspräventionsmaßnahme handelt. Videoüberwachung ist keine Maßnahme, die primär zur Verbesserung des öffentlichen Sicherheitsgefühls beiträgt.
„Des Weiteren kam es in den untersuchten Städten weder zu einer Erhöhung der Aufdeckungsrate, noch zu vermehrten Konsequenzen für potentielle Straftäter.“
Literaturnachweis
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Recherche & Redaktion: Philipp Wotschel