#PersoOhneFinger

Unsere juristische Argumentation

Unsere Kampagne gegen die Speicherpflicht für Fingerabdrücke im Personalausweis geht in die nächste Phase: Wir haben Klage eingereicht und den Instanzenweg eingeschlagen. Mit dieser juristischen Argumentation wollen wir die Speicherpflicht kippen.

Unsere Kampagne gegen die Speicherpflicht für Fingerabdrücke im Personalausweis geht in die nächste Phase: Wir haben Klage eingereicht und den Instanzenweg eingeschlagen.

Für uns steht fest: Biometrischen Daten sind hochsensible persönliche Informationen. Sie dürfen nicht einfach als Wetteinsatz benutzt werden im Hase-und-Igel-Rennen zwischen Sicherheitsbehörden und professionellen Fälschungswerkstätten.

Im Folgenden stellen wir Auszüge aus unserer juristischen Argumentation vor.
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Unsere juristische Argumentation

Die Normierung der Pflicht, Fingerabdrücke in Personalausweisen zu speichern, durch die Verordnung (EU) 2019/1157 ist mit höherrangigem Recht der EU nicht vereinbar, weil die Verordnung fehlerhaft zustande gekommen ist (a) und sich die Aufnahme des Fingerabdrucks als unverhältnismäßig erweist (b).

Neben formellen Fehlern, deretwegen die Pflicht schon gar nicht hätte in Kraft treten dürfen, zeigt das Gutachten auch inhaltliche Gründe auf, warum eine Fingerabdruckpflicht mit unseren Grundrechten unvereinbar ist. Eine Verordnung ist grundrechtswidrig, wenn sie in unsere Grundrechte eingreift und wenn dieser Eingriff unverhältnismäßig ist.

In welche Grundrecht greift die Speicherpflicht für Fingerabdrücke ein?

Unstreitig stellen die Erfassung und die Speicherung von Fingerabdrücken in Personalausweisen einen Eingriff in die Rechte auf Achtung des Privatlebens (Art. 7 GrCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GrCh) dar (vgl. zur Bejahung des Eingriffs für die Erfassung und Speicherung von Fingerabdrücken in Reisepässen: EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 – C-291/12 –, Rn. 24-30).*

Für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit gibt es die Kriterien Geeignetheit und Erforderlichkeit. Das heißt: Selbst wenn ein Eingriff in der Theorie einen legitimen Zweck verfolgen sollte, muss die Maßnahme (also die Fingerabdruckpflicht) auch geeignet sein, um diesen Zweck zu erfüllen. Außerdem darf keine grundrechtsschonendere Alternative möglich sein.

Warum erfüllt die eingeführte Speicherpflicht ihren Zweck nicht?

Als Zweck gibt die EU-Verordnung an, biometrische Merkmale zu nutzen, um den Personalausweis auf seine Echtheit zu überprüfen und die Identität der Inhaber.in anhand direkt verfügbarer, abgleichbarer Merkmale zu kontrollieren. Dazu ist die Fingerabdruckpflicht aber nicht geeignet:

Ein auf dem Chip gespeicherter Fingerabdruck kann nur zur Verifikation, aber nicht zur Identifikation dienen. Verifikation meint, dass ermittelt wird, ob eine Person diejenige ist, die Inhaber des Ausweises ist. Es geht also um einen 1:1-Abgleich der überprüften Person. Identifikation meint hingegen, dass ermittelt wird, ob die biometrischen Daten einer realen Person, von der biometrische Daten (in einer Datenbank) gespeichert sind, entsprechen. Dieses Ziel ist jedoch nach der Verordnung gerade nicht erlaubt bzw. wird nicht verfolgt.

Das heißt: Mit Hilfe der gespeicherten Fingerabdrücke können Behörden schlechte Fälschungen womöglich leichter erkennen. Aber sie können nicht ausschließen, dass ein vorliegender Ausweis gefälscht ist, auch wenn er einen zur Person passenden Fingerabdruck enthält. Sicherheitsbehörden können also mit der Fingerabdruckpflicht höchstens für begrenzte Zeit einen Vorsprung gegenüber Fälscher.innen gewinnen – wenn überhaupt.

Warum ist der Eingriff unverhältnismäßig?

Es gibt andere, weniger invasive Mittel, um das Fälschen von Ausweisdokumenten zu erschweren: Zum Beispiel komplexere Druckverfahren, 3D-Hologramme auf dem Dokument etc. Daher ist die Fingerabdruckpflicht nicht erforderlich. Insbesondere da es sich nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO bei biometrischen Daten um besonders schützenwerte Daten handelt.

Der beste Schutz personenbezogener Daten ist dabei ihre Nicht-Erhebung. Diesem Grundsatz der „Datensparsamkeit“ bzw. „Datenminimierung“ – ein Grundsatz des Europäischen Datenschutzrechts – widerspricht die Erfassung und Speicherung der Fingerabdrücke aller Personen.

Hier sehen wir ein grundsätzliches Problem: Staatliche Stellen müssen die Sicherheit der biometrischen Daten garantieren. Doch je häufiger biometrische Daten erhoben, weitergeleitet oder ausgelesen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo ein Datenleck gibt.

Und das hätte fatale Folgen. Denn Passwörter oder E-Mail-Adressen können wir zur Not wechseln, wenn es ein Sicherheitsproblem gegeben hat. Biometrische Daten wie Fingerabdrücke dagegen bleiben ein Leben lang gleich.

Wir halten einen Grundrechtseingriff für alle EU-Bürger.innen außerdem auch wegen der geringen Zahl an tatsächlichen Fälschungen für unverhältnismäßig.

Hinsichtlich des Ziels ist in die Abwägung einzustellen, dass Ausgangspunkt der Regelungen der Verordnung die Auffindung von rund 40.000 gefälschten Personalausweisen in den Jahren 2013-2017, also auf das Jahr umgerechnet 8.000 gefälschte Personalausweise ist.

Dieser großen Anzahl von Menschen, nämlich (wohl rund 85 % der rund 450 Millionen Einwohner), stehen pro Jahr 8.000 gefälschte Personalausweise entgegen. Dies zeigt exemplarisch die Unverhältnismäßigkeit auf.

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Wir lassen uns nicht behandeln wie Kriminelle. Dieses Gesetz ist grundrechtswidrig, und wir werden für die Unschuldsvermutung – und unsere Würde – vor Gericht kämpfen! Die zwangsweise und anlasslose Abgabe von biometrischen Daten entspricht nicht den Werten von Rechtsstaaten und Demokratien, sondern der Kontrollsucht von Polizeistaaten.