#PersoOhneFinger - Digitalcourage im Innenausschuss
Beinahe wäre das Thema im Bundestag einfach durchgerutscht, jetzt bekommt es zum Glück doch mehr Aufmerksamkeit. Heute, am 26.10.20 hat eine öffentliche Anhörung zum geplanten Gesetz „zur Stärkung der Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen“ stattgefunden, mit dabei war Friedemann Ebelt von Digitalcourage als Sachverständiger!
In unserer Stellungnahme machen wir deutlich: Wir halten das angekündigte Gesetzesvorhaben für unverhältnismäßig.
Die geplante Pflicht zur Speicherung von beiden Zeigefinger-Abdrücken auf neuen Personalausweisen verstößt sowohl gegen das deutsche Grundgesetz, als auch gegen die EU-Grundrechtecharta. Eine gerichtliche Prüfung der geplanten Regelung ist unausweichlich.
Unsere Begründung kurz gefasst:
Die geplante Fingerabdruck-Pflicht kommt aus unserer Sicht einem Generalverdacht gegen die Bürger.innen gleich. Denn erfasst werden sollen millionenfach hochsensible, biometrische Körpermerkmale – von allen. Also von fast ausschließlich rechtstreu lebenden Menschen, die keine kriminellen Absichten haben.
Eine allgemeine Fingerabdruck-Pflicht ist auch kein wirksames Mittel gegen Terrorismus.
Die geplante Pflicht ist nicht notwendig, um die Fälschungs- und Manipulationssicherheit von Personalausweisen zu verbessern.
Die Fingerabdrücke auf dem Perso sollen eine zeitlich schnellere Überprüfung der Identität einer Person durch einen Fingerabdruck-Vergleich möglich machen. Das sind aber seltene Einzellfälle, die in keinem Verhältnis zu einer anlasslosen generellen Fingerabdruck-Pflicht stehen.
Die geplante Fingerabdruck-Pflicht hat im Grundgedanken nichts mit der Freizügigkeit der Bürger.innen zu tun, wie ein von der Bundesregierung angeführtes Argument behauptet. Sondern es ist eine Pflicht, ein Zwang, also Unfreiheit.
Das deutsche Gesetz soll die Umsetzung einer EU-Verordnung werden. Wir gehen davon aus, dass es zu einer Vorlage der EU-Verordnung beim Europäischen Gerichtshof kommen muss. Bis dahin fordern wir von Digitalcourage das deutsche Gesetzesvorhaben auszusetzen.
Warum wir die Fingerabdruck-Pflicht als unverhältnismäßig sehen, warum eine gerichtliche Prüfung notwendig ist, welche (datenschutzfreundlichen) Alternativen es stattdessen gibt und welche langfristigen Gefahren eine Fingerabdruck-Pflicht beinhaltet können Sie in unserer Stellungnahme nachlesen.
Wir sind mit unserer Kritik nicht alleine
Neben der Stellungnahme von Digitalcourage veröffentlichen wir an dieser Stelle auch die Stellungnahme des Netzwerks Datenschutzexpertise, verfasst von unserem langjährigen Laudator der BigBrotherAwards und ehemaligen Landesdatenschutzbeauftragten Schleswig-Holsteins Dr. Thilo Weichert.
Auch er sieht in der Aufnahme-Pflicht von Fingerabdrücken in den Personalausweis einen starken Eingriff in das Grundrecht der Menschen auf Datenschutz. Um den Aufbau einer unangemessenen Überwachungsstruktur zu verhindern, müssen solche Regelungen verhältnismäßig sein und einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten. Dem Netzwerk Datenschutzexpertise zur Folge ist dies im vorliegenden Gesetzesverfahren nicht gegeben. Die ganze Stellungnahme hier.
Wie geht es nun weiter mit dem geplanten Gesetz?
Noch steht kein Termin für die Abstimmung im Bundestag fest. Aber es ist möglich, dass bereits sehr bald abgestimmt wird. Unserer Ansicht nach hat die Anhörung aber gezeigt, dass das Gesetz dringend in einigen Punkten überarbeitet werden muss. Der wichtigste ist: Die geplante Fingerabdruckspflicht ist grundrechtswidrig. Die Abgeordneten sollten unserer Einschätzung, der des EU-Datenschutzbeauftragten, der EU-Kommission und der EU-Grundrechteagentur folgen und das geplante Gesetz zur Fingerabdrucks-Pflicht ablehnen.
Mitschnitt der Anhörung im Innenausschuss
Einen Mitschnitt der Anhörung vom 26.10.20 gibt es in der Mediathek des Bundestages, unsere Stellungnahme startet bei Timecode 27:00.
Was können Sie tun?
Unterstützen Sie die gute Sache: Freiheit, Grundrechte und Demokratie.
Viele Menschen engagieren sich bei uns in ihrer Freizeit, seien auch Sie dabei!
Bleiben Sie auf dem Laufenden über unsere Arbeit und unsere Themen.