Antiterrordatei: Beschwerdeführer Robert Suermann im Interview

Robert Suermann ist ehemaliger Richter am Oberlandesgericht in Oldenburg. Er legte gegen die Antiterrordatei Verfassungsbeschwerde ein. Das Gericht urteilte am 24. April 2013, dass eine solche Datei zwar grundsätzlich betrieben werden darf, dass aber die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung in zahlreichen Punkten verfassungswidrig ist.

Robert Suermann ist ehemaliger Richter am Oberlandesgericht in Oldenburg. Er legte gegen die Antiterrordatei Verfassungsbeschwerde ein. Das Gericht urteilte am 24. April 2013, dass eine solche Datei zwar grundsätzlich betrieben werden darf, dass aber die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung in zahlreichen Punkten verfassungswidrig ist. Robert Suermann sieht das mit gemischten Gefühlen.

Digitalcourage: Das Urteil kommentierten Sie mit „ein Etappensieg in einem Rückzugsgefecht“. In wie weit weicht Ihre Meinung zum Antiterrordatei-Gesetz von der Meinung des Verfassungsgerichts ab?

Suermann: Das Gericht hat das Antiterrordateigesetz in so vielen Punkten für verfassungswidrig erklärt, dass eine komplette Aufhebung des gesamten Gesetzes möglich und besser gewesen wäre. Das BVerfG hat sich leider – wieder einmal – in die Rolle des „Flickschusters“ drängen lassen. Ein bloßes Zurechtstutzen eines in großen Teilen verfassungswidrigen Gesetzes verführt aber dazu, dass die Politik sich über verfassungsrechtliche Bedenken einfach hinwegsetzt, frei nach dem Motto „das BVerfG wird’s schon richten“.

Von einem „Rückzugsgefecht“ habe ich resignierend gesprochen, weil ich immer weniger Hoffnung habe, dass die Freiheitsrechte der Bürger, vor allem das Recht auf Datenschutz und Privatheit, in Zukunft Bestand haben werden. Heutzutage halten die meisten Menschen diese Grundrechte offenbar für nicht wichtig. Mir ist das unbegreiflich, aber so ist es wohl.

Die Politik hat es dann leicht, die „Angstkeule“ zu schwingen und den Freiheitsbereich immer weiter einzuschränken. Den Polizeibehörden und den „Diensten“, die gar nicht genug Daten bekommen können, werden die Tore immer weiter geöffnet. Das BVerfG kann nur sehr punktuell dagegen halten.

Und dazu kommen noch die illegalen Ausforschungspraktiken, wie sie jetzt – in einem unfassbaren Ausmaß – von US-amerikanischen und britischen Nachrichtendiensten bekannt geworden sind. Selbst diese Ungeheuerlichkeiten haben aber zu keinem Aufschrei der Massen geführt!

Digitalcourage: Welche besonderen Risiken sehen Sie in der jetzigen Antiterrordatei?

Dass aus nichtigem Anlass unbescholtene Bürger darin landen können, und dass die in Deutschland bislang – aus gutem Grund! – bestehende Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ausgehöhlt wird.

Digitalcourage: Im Detail schreibt das Verfassungsgericht vor, dass weder Gewaltbefürwortung, noch die Unterstützung einer terrorunterstützenden Organisation ein ausreichender Grund für eine Aufnahme in die Antiterrordatei ist und Kontaktpersonen nicht als Gruppe gespeichert werden, sondern nur als verdeckte Zusatzinformation bei echten Verdächtigen. Was halten Sie von diesen Kritikpunkten? Sind Sie der Meinung, dass dadurch unschuldige Bürgerinnen und Bürger vor der Aufnahme in die Antiterrordatei geschützt sind?

Zu einem guten Teil ja. Das BVerfG hätte aber noch weiter gehen können. So haben ja 4 der 8 Richter dafür votiert, dass auch die im Gesetz gebrauchten unscharfen Begriffe der „rechtswidrigen Gewalt“ und des „vorsätzlichen Hervorrufens solcher Gewalt“ wegen fehlender Bestimmtheit und übermäßiger Reichweite insgesamt verfassungswidrig sind und auch nicht verfassungskonform ausgelegt werden können. Leider fehlte eine Stimme für die Mehrheit im Senat.

Digitalcourage: Wie könnte Ihrer Meinung nach gewährleistet werden, dass der Datenaustausch zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden nur in dem „öffentlichen Interesse dienenden Fällen“ stattfindet?

So banal es klingt: letztlich entscheidend für einen strikt legalen Datenaustausch ist, dass sich die handelnden Beamten rechtsstaatlich verhalten. Das ist eigentlich selbstverständlich. Zweifel sind aber erlaubt. Vor allem wenn die Leitungsebene – wie jüngst der Bundesinnenminister – sich positiv über diverse „informelle“, also gesetzlich nicht oder nicht ausreichend geregelte, „gemeinsame Lagezentren“ etc. ausspricht, schrillen die Alarmglocken. Besonders wichtig sind deshalb effektive Kontrollen. Das BVerfG hat jetzt immerhin für die Antiterrordatei die Befugnisse der Datenschutzbeauftragten deutlich erweitert.

Digitalcourage: Denken Sie, dass bis 2015 signifikante Verbesserung des Antiterrorgesetzes entwickelt werden?

Ich hoffe es sehr.