Hintergrund zu kommerziellen Datenkraken

Wenn wir bei Google suchen, auf Facebook posten oder mit Paypal bezahlen, nutzen wir kostenlose Dienste, die sehr viel Geld mit unsere Daten verdienen. Wir erläutern wie das Geschäft mit den Daten funktioniert.

Wenn Sie nichts für den Dienst bezahlen, sind Sie nicht Kundin oder Kunde, sondern das Produkt – dieser Satz gehört zum Allgemeinwissen des Internets, spätestens in diesem Jahrhundert. Wenn wir also bei Google suchen, auf Facebook posten oder mit Paypal bezahlen, nutzen wir kostenlose Dienste, die doch sehr viel Geld mit unsere Daten verdienen. In diesem Artikel und auf unserer Themenseite zu kommerziellen Datenkraken erläutern wir, wie das funktioniert.

Big Data und Profiling

Überall werden heute unsere Daten gesammelt. Das passiert häufig unsichtbar, und auch abseits von Google und Co. Dienste wie Acxiom, Evolv oder Bürgel sind vielen Menschen unbekannt, sammeln und werten unsere Daten aber auf sehr gefährliche Weise aus. Gerade Big Data und Profiling sind die Trends der Stunde: So viel wie möglich sammeln und speichern, um irgendwann einmal Vorhersagen zu können, ob eine bestimmte Person krank wird, keinen Kredit bekommen sollte oder Menschen sogar emotional zu manipulieren. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Zuletzt erregten Krankenversicherungs- und Autoversicherungstarife Aufsehen, die auf möglichst vielen individuellen Daten beruhen. Aber je mehr man über eine Person weiß, umso eher kann man sie aber auch manipulieren. MediaBrix blendete Werbung gezielt bei Online-Spielen in bestimmten Momenten zwischen Frustration und Begeisterung ein und steigerte so die Effekte der Werbung um 30 %.

So gut wie immer, wenn Sie einen kostenlosen Dienst nutzen, wird Ihr Verhalten komplett gespeichert. Dazu gehören die Geräte, von denen aus Sie unterwegs sind, Telefonnummern, E-Mail-Adressen, ihr Aufenthaltsort und vieles mehr. Der Haken: Die Gerätenummern, Ihre Telefonnummer und Ihre E-Mail-Adresse sind eindeutige Daten, die Sie selten oder nie ändern. Das hilft den kommerziellen Überwachern, Sie auf verschiedenen Webseiten und Diensten am Smartphone wiederzufinden – oder sogar offline, wenn Sie Ihre Kundenkarte mit einer E-Mail-Adresse verknüpft haben. Damit wird ihr Leben gläsern und Sie selbst manipulierbar.

Beispiel Google

Google fing 1998 an als Suchmaschine im kalifornischem Mountain View an, gegründet von Larry Page und Sergey Brin. Das anfängliche Motto „don‘t do evil“ (deutsch: Tu nichts böses) gilt offiziell zwar immer noch, aber Googles Verhalten lässt doch erheblich daran zweifeln. Seinen Profit macht Google mit dem Verkauf von Werbung, 96 % der Einnahmen sind darauf zurückzuführen.

Von der Suchmaschine zur Werbemaschine

Und um diese Werbung effizienter zu machen, will Google so viel wie möglich über jeden und jede einzelne von uns wissen. Dabei speichert Google nicht nur, welche Suchanfragen wir eingeben, sondern verfolgt uns im ganzen Internet. Wenn Sie eine Webseite aufrufen, auf der Werbung angezeigt wird, wird diese Werbung sehr wahrscheinlich von einem Google-Server ausgegeben, der zu Googles Werbentzwerken AdSense oder DoubleClick gehört. Dadurch und durch andere Techniken wie Cookies und den GooglePlus-Button weiß Google ziemlich viel über Sie: Was Sie im Internet suchen, auf welchen Seiten Sie surfen, wofür Sie sich interessieren. Ein sehr genaues Persönlichkeitsbild, das zwar nicht immer zu 100 Prozent stimmen muss, aber Gold wert ist für Werbevermakter. Die können nämlich gleich auch noch sehen, ob Sie auf die angezeigte Werbung klicken und somit bestimmen, wie erfolgreich die angezeigte Werbung ist. Unser Tipp: Werbeblocker installieren

Jenseits von Werbung

Doch zu Google gehört noch viel mehr: Youtube, Googlemail, die erwähnten Werbenetzwerke AdSense und DoubleClick, sogar der Militärroboter-Hersteller Boston Dynamics. Damit häuft Google eine ungeheure Marktmacht in vielen Bereichen, die es auch bereitwillig nutzt, um Nutzerinnen und Nutzer auf seinen Seiten zu halten. Die EU-Kommission hat deshalb 2010 ein Prüfverfahren und 2015 ein Kartellverfahren gegen Google eingeleitet, weil es besonders bei Produktsuchen andere Wettbewerber benachteiligt und andere Vergleichsportale oder Kartendienste verdrängt.

Android

Auch beim eigentlich offenem Smartphone-Betriebssystem Android versucht Google, seine Marktmacht zu zementieren. Hardware-Hersteller, die Android auf ihren Smartphones installieren, müssen die ungefähr 30 Google-Apps dazu installieren und dürfen gleichzeitig kein anderes Betriebssystem auf anderen Produktreihen verwenden.

BigBrotherAward und Klagen

Google hat 2012 seine Geschäftsbedingungen geändert und für zahlreiche Dienste zusammen gelegt. Dafür hat es sowohl den BigBrotherAwards bekommen als auch eine Klage vom Verbraucherzentrale Bundesverband, die vorm Landgericht Berlin gegen Google und für die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern entschieden wurde.

Beispiel Facebook

Facebook ist das größte Soziale Netzwerk im Internet, nach eigenen Angaben hat es über 1,44 Milliarden Mitglieder und ist in Deutschland – nach Google – die zweit häufigst besuchte Webseite. Gegründet wurde es 2004, unter anderem von Mark Zuckerberg.

Vom Netzwerk zur Werbemaschine

Ähnlich wie Google verdient Facebook sein Geld mit personalisierter Werbung. Das Netzwerk späht uns dabei aus, wenn wir uns auf den Facebookseiten selbst bewegen und verwertet unsere Likes, Aufenthaltsorte, Reisen, Fotos und vieles mehr, um ein genaues Profil über uns anzulegen, auf das Werbetreibende dann „zielen“ können – Werbung kann dann an alle weiblichen Singles unter 40 mit Wohnort Hamburg, die sich für Theater und Musicals interessieren, ausgegeben werden.

Facebook-Werbeauswahl

(Jeder „like“ führt zu einer personalisierteren Werbung)

Dabei sammelt Facebook auch über Geräte- und Webseitengrenzen hinweg, wo wir im Internet surfen. Möglich wird das durch das neue Werbenetzwerk Atlas und den allgegenwärtigen Facebook-Gefällt-Mir-Button, den Webseitenbetreiber einbinden können. Dieser verrät an Facebook jeden Besucher und jede Besucherin, egal ob eingeloggt oder nicht, mittels einer eindeutigen ID.

Datenkrake jenseits von Werbung

Facebooks Datensammelwut dient aber nicht nur der personalisierten Werbung. Facebook will alles wissen, speichert alles auf ewig und hält uns auch mit psychologischen Tricks dazu an, möglichst viel von uns preiszugeben. Als der Österreicher Max Schrems im Jahr 2011 ein Auskunftsersuchen an Facebook stellte und nach einigen Abweisungen auch hartnäckig blieb, bekam er über 1000 Seiten, die voll waren mit Daten, die er längst gelöscht hatte, die Facebook aber immer noch speicherte. Mittlerweile führt Max Schrems erfolgreich den Verein „europe vs. facebook“, und hat mehrere Klagen gegen Facebook eingereicht, weil Facebook österreichisches und europäisches Datenschutzrecht verletzt.

Datenschutzbestimmungen- und Datenverwendungsrichtlinien

Regelmäßig ist Facebook in der Kritik, weil es sich immer mehr Rechte einräumt daran, wie es die Daten der Nutzerinnen und Nutzer verwenden darf. Als Facebook im vergangenen Jahr Whatsapp gekauft hat und damit in den Besitz von über 1 Milliarde Telefonnummern gekommen ist, hieß es zunächst von beiden Seiten, die Daten würden nicht zusammengeführt. Mit der neuen Version der Datenschutzbestimmungen hat sich Facebook jetzt jedoch dieses Recht eingeräumt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat gegen die viel zu weit gefassten Bestimmungen Klage eingereicht.

Fazit:

Es gibt zahlreiche Beispiele von kommerzieller Überwachung, nicht alle richten sich auf gezielt eingeblendete Werbung, wie gesehen. Big Data soll Vorhersagen ermöglichen über unser Leben, um uns manipulierbar zu machen. Sei es durch Fitnesstracker, die einen „besseren“ Krankenversicherungstarif versprechen oder durch GPS-Tracker, die die Autoversicherung „verbessern“ sollen. Eines darf man aber nicht vergessen: Die Programme dahinter, die Algorithmen, sind immer von Menschen geschrieben. Auch wenn diese selbst die Algorithmen irgendwann nicht mehr verstehen, so können doch Fehler passieren und Vorurteile einfließen, in die Art, wie die Algorithmen programmiert wurden. Wir sollten also weder die Solidargemeinschaft einer Versicherung aufkündigen, nur weil wir uns einen kurzfristigen Vorteil davon erhoffen noch sollten wir blind in die Algorithmen vertrauen, die unsere Profile erstellen und auswerten.