Digitalcourage und 145 weitere Organisationen fordern ein sofortiges Moratorium für Überwachungstechnologien

Der Staat muss unsere Sicherheitsinteressen in den Vordergrund stellen. In einem offenen Brief fordern Digitalcourage und viele weitere Bürgerrechtsorganisationen deshalb ein sofortiges Moratorium für Staatstrojaner und andere Überwachungstechnologien.

P r e s s e m i t t e i l u n g
Bielefeld, 27.07.2021

Digitalcourage und 145 weitere Organisationen fordern ein sofortiges Moratorium für Überwachungstechnologien

Digitalcourage und 145 weitere Organisationen fordern ein sofortiges Moratorium für Überwachungstechnologien. Als Reaktion auf die Veröffentlichungen des „Pegasus-Projekt“ ist jetzt die Politik gefordert, den Schutz von Bürgerinnen und Bürgern in den Vordergrund zu stellen. Daher müssen staatliche Genehmigungen für Verkauf und Export solcher Technologien umgehend ausgesetzt werden, mindestens bis Regulierungen zum Schutz der Menschenrechte umgesetzt wurden.

Die Berichterstattung der letzten Woche zum Pegasus-Projekt hat bestätigt, wie gefährlich die Entwicklung, der Vertrieb und die Nutzung von Überwachungstechnologien für Demokratie und Menschenrechte ist. Der Einsatz von Staatstrojanern, wie der Pegasus-Software, ist eine Gefahr für Demokratie und Menschenrechte. Durch die Installation derartiger Software können Dritte die vollständige Kontrolle über das Gerät übernehmen und so z.B. Nachrichten auf einem Smartphone mitlesen oder Mikrofon und Kamera aus der Ferne einschalten. Daher haben sich über 145 Organisationen und 28 Expert.innen zusammengetan und einen offenen Brief verfasst, welcher nun von Amnesty International veröffentlicht wurde. Dem „Amnesty International Security Lab“ kam im Pegasus-Projekt eine Schlüsselrolle zu, da es die Pegasus-Software auf zahlreichen Smartphones nachweisen konnte: zu den Betroffenen zählten Journalistinnen, Regierungsmitglieder, Oppositionspolitiker aber auch deren Familien und Freundeskreise. Möglich wurden die Veröffentlichungen zur Pegasus-Software, welche von der israelischen Firma „NSO Group“ vertrieben wird, durch ein Datenleck. Dadurch hat ein internationales Journalisten-Netzwerk Einblick in die Opfer der Software erhalten. Darunter sind 50.000 Telefonnummern mit potentiellen Ausspähzielen von Behörden aus mindestens elf Ländern.

In dem offenen Brief fordern Digitalcourage und viele weitere Bürgerrechtsorganisationen daher ein sofortiges Moratorium für Staatstrojaner und andere Überwachungstechnologien. Der Einsatz von Pegasus, sowie die Vergabe von Exportlizenzen, müssen umgehend, unabhängig und transparent aufgeklärt werden. Kommerzielle Anbieter von Überwachungstechnologien müssen verpflichtet werden eine Prüfung der Kund.innen auf menschenrechtliche Standards vorzunehmen und bei Verstößen haftbar gemacht werden. Die Staaten Israel, Bulgarien und Zypern, aus welchen die NSO Group ihre Software vertreibt, müssen sofort die Exportlizenzen widerrufen und das Ausmaß der rechtswidrigen Überwachungsmaßnahmen prüfen.

Konstantin Macher von Digitalcourage erklärt:

„Leider ist die ‚NSO Group‘ eine von vielen Anbieterinnen in diesem Feld. Zum Beispiel wurde Staatstrojaner-Software der in München ansässigen Firma ‚FinFisher‘ von deutschen Behörden bezahlt und der Export unterstützt. Politik und Zivilgesellschaft können nicht weiter tatenlos zuschauen. Die Überwachungsindustrie hat sich weltweit zu einer Gefahr für Demokratiebewegungen und freien Journalismus entwickelt. Das Leben und die Freiheit von Menschen darf nicht Profit- und Machtinteressen geopfert werden.“

Letzte Woche hat Digitalcourage außerdem in einer Pressemitteilung auf den Zusammenhang der Pegasus-Software zum deutschen Einsatz von Staatstrojanern verwiesen. Immer wenn deutsche Behörden Zero-Days – also öffentlich nicht bekannte IT-Sicherheitslücken – kaufen, bzw. für die eigene Nutzung geheim halten, dann unterstützen sie damit auch die Überwachungsindustrie und den Einsatz gegen Unschuldige. Statt Autokraten und Kriminellen den Angriff auf Systeme zu erleichtern, müssten staatliche Stellen unsere Sicherheit in den Vordergrund stellen. Darum forderte Digitalcourage bereits, dass die Gesetzgeberin ihren Gestaltungsspielraum nutzen muss, um zu Gunsten der Sicherheit von Bürger.innen und Unternehmen eine behördliche und kommerzielle Nutzung von Zero-Days für den Staatstrojaner zu verbieten und stattdessen eine Meldepflicht für Behörden einführen soll.

Links
Offener Brief vom 27. Juli 2021, von Digitalcourage und 145 weiteren Organisationen:
https://www.amnesty.org/download/Documents/DOC1045162021ENGLISH.PDF
Pressemitteilung von Digitalcourage vom 21. Juli 2021:
https://digitalcourage.de/pressemitteilungen/2021/Pegasus-und-Zero-Days

Digitalcourage
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Konstantin Macher
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