Die Arbeitswelt im digitalen Wandel
Was die Robotertechnik für die Muskelkraft war, sind die Algorithmen und Big Data für's Denken. Der Kongress von Verdi gab einen Blick auf die Gefahren aber auch auf die Chancen für Demokratie und Arbeitswelt im digitalen Zeitalter.
Längst überfällig, dass die Gewerkschaften sich des Themas annehmen, denn die Statements verschiedener Berufsgruppen, die den Kongress eröffneten, sprechen eine klare Sprache: Automatisierung, Angst vor unsicherer Kommunikation und damit die Verletzung des Berufsgeheimnisses, etwa bei Anwälten, oder die Frage nach der Datensicherheit in Stadtverwaltung und Finanzbranche trieb die Beschäftigten um.
Neuer Gesellschaftsvertrag – Grundrechte endlich ernst nehmen
Frank Bsirske, Vorsitzender von Verdi, forderte deshalb nichts geringeres als einen neuen Gesellschaftsvertrag. Dieser müsse die Digitalisierung berücksichtigen, offene Schnittstellen und freie Software ermöglichen und endlich die Grundrechte wirklich schützen. Auch einen Beschäftigtendatenschutz, der diesen Namen verdient, forderte Bsirske von der Bundesregierung. Neben Verdi beschäftigt sich aktuell auch die IG Metall mit dem digitalen Wandel, wie heise.de berichtete. Dorothee Bär, Staatssekretärin im „Internetministerium“ – also für Verkehr und digitale Infrastruktur – fiel die schwere Rolle zu, die digitale Agenda der Bundesregierung zu verteidigen. Die viel gescholtetenen 50 Mbit/s, die dort flächendeckend versprochen sind, seien aber ein Fortschritt – wenn auch nicht für alle, wie sie zugab. Vielmehr müssen man sich aber auch um die Bildung der Heranwachsenden in Sachen Datenschutz kümmern – warum also nicht ein Schulfach Medienerziehung, so die CSU-Frau. Denn der sichere und vernünftige Umgang mit Medien sei in unserer Zeit so wichtig wie Rechnen, Lesen und Schreiben.
Beschäftigtendatenschutz national oder europäisch?
Auch um die EU-Datenschutzverordnung ging es auf der Tagung. Das fachlich hochkarätig besetze Podium mit unter anderem BigBrotherAwards-Laudator Peter Wedde und Jan Philipp Albrecht sah dabei noch sehr viel zu tun in Sachen Beschäftigtendatenschutz. Kommt die EU-Verordnung, in der vom Parlament beschlossenen Version, so fürchtete Wedde, gäbe es sehr wahrscheinlich eine Absenkung des Schutzniveaus in diesem Sektor. Denn sowohl die in der Verordnung betonte „Freiwilligkeit bei der Datenverarbeitung“ – die Einwilligung darin könne für einen Arbeitnehmer oder Arbeitssuchenden gar nicht freiwillig sein – als auch das sogenannte Konzernprivileg, mit dem sich Konzernzweige gegenseitig die Daten ihrer Beschäftigten hin und her schieben könnten, würden das Schutzniveau drastisch senken. Unter solchen Umständen sollte man, so Wedde, den Beschäftigtendatenschutz besser nicht in die Verordnung aufnehmen. Mehr Informationen zur Tagung und einzelne Statements von Beschäftigten gibt's bei Verdi.