In guten wie in schlechten Zahlen

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Grafik eines Kopfes inkl. Gehirn (Strichzeichnung).

Scoring betrifft uns alle, tagtäglich – ob wir wollen oder nicht. Denn unsere Kreditwürdigkeit wird auf Schritt und Tritt überwacht. Im Jahr 2009 ist die gesetzliche Grundlage dafür überarbeitet worden. Eine Studie zeigt jetzt, wo dennoch Probleme auftreten.

Die Studie mit dem sperrigen Titel „Scoring nach der Datenschutz-Novelle 2009 und neue Entwicklungen“ wurde vom Unabhängigen Landesdatenschutzzentrum Schleswig-Holstein und der GP Forschungsgruppe auf Basis einer Befragung von rund 2000 repräsentativ ausgewählten Personen erstellt. Besonders aktuell wird die Studie deshalb, weil die Bundesregierung im Rahmen der EU-Datenschutzverordnung gerade erst über die Profilbildung diskutiert – und dabei den Schutz der Bürgerinnen und Bürger nicht ganz so ernst zu nehmen scheint.

Scoring – was ist das eigentlich?

Beim Scoring werden Profile von Menschen angelegt und dann im Hinblick darauf bewertet, wie wahrscheinlich es ist, dass sie ihre vertraglichen Zahlungsverpflichtungen wirklich erfüllen. Wer etwas im Internet oder im Versandhandel bestellt oder wer mit Kredit- oder EC-Karte an der Kasse zahlt, wird – häufig in wenigen Sekundenbruchteilen – auf Kreditwürdigkeit überprüft. Dazu werden die angegebenen Daten oder die verwendete Karte bei einem Scoringunternehmen, wie etwa der Schufa, überprüft. Diese Unternehmen gehen davon aus, dass sie mit mehr Daten auch umso genauer vorhersagen können, ob jemand wirklich bezahlt oder nicht. Und bei einem „schlechten“ Profil wird’s dann eben nichts mit einem Einkauf auf Rechnung, sondern man muss in Vorkasse gehen.

Auswirkungen für jeden und jede!

Diese Methoden wirken sich natürlich unmittelbar auf die Menschen aus, denn auch die Kreditvergabe oder die Frage, ob jemand einen Handyvertrag bekommt oder nicht, hängen von den Profilen der Scoringunternehmen ab. Die Studie des BMJV wollte nun wissen, ob sich die Scoringunternehmen an die gesetzlichen Vorgaben halten, ob die Aufsichtsbehörden das sinnvoll und wirksam kontrollieren können und ob die Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam vor Missbrauch und unangemessenen Scoringverfahren geschützt sind.

Neues Gesetz – besser oder schlechter für Verbraucherinnen und Verbraucher?

Mit der Novelle sollten außerdem einheitliche Anforderungen geschaffen werden, damit eine Datenübermittlung an Auskunfteien nur noch unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen darf und keine falschen Datensätze mehr in Profile einfließen. In der Praxis zeigen sich hier aber erhebliche Schwierigkeiten, so die Studie, denn falsche Datenübermittlung oder unzulässige Datenübermittlung kommen weiterhin viel zu oft vor – auch werden Daten drei Jahre lang gespeichert, selbst wenn sie keine Relevanz mehr haben.

Außerdem kritisieren die Autoren der Studie mit deutlichen Worten, dass beim Scoring die Geschäftsgeheimnisse rund um die Scoring-Formel höher eingeschätzt werden als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht der Menschen, zu erfahren, ob die richtigen Daten verwendet wurden und wie diese sich zum Scoring-Wert zusammensetzen.

Kritik von Datenschutzbehörden und Verbraucherzentralen

Die neuen Regelungen gelten seit mittlerweile fünf Jahren, doch die Datenschutzbehörden urteilen sehr deutlich: „Nach wie vor gehen zahlreiche Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern bei den Datenschutzaufsichtsbehörden ein.“ – aber immerhin beschweren sich die Menschen nun, denn erst mit der Gesetzesänderung sind Auskünfte seitens der Scoringunternehmen überhaupt möglich geworden. Die Verbraucherzentralen und derdie Verbraucherzentrale Bundesverband kritisieren hingegen, dass die Auskünfte viel zu wenig bekannt seien und vor allem die Schufa ihr kostenpflichtiges Angebot stark bewirbt, obwohl sie gesetzlich zur kostenlosen Auskunft verpflichtet ist: „Wohlweislich wird hier der Schlüsselbegriff „Auskunft“ vermieden. Unter den Stichworten „Auskunft“, „Auskünfte“ etc. wird jeweils nur das kostenpflichtige Angebot dargestellt. Selbst wenn man die „Datenübersicht nach § 34 BDSG“ gefunden hat, werde hier wiederum in der ersten Spalte und durch grüne Buttons optisch hervorgehoben die kostenpflichtige Auskunft angeboten und erst dahinter die kostenlose Auskunft.“

Die Alchemie der Verfahren

Die Studie offenbart auch interessante Einblicke in die Verfahren und die Datenarten, die die Scoringunternehmen verwenden. Neben den üblichen Daten wie Kreditzahlungen, Anschriften, Geschlecht und Geburtsdatum, wertet zum Beispiel Arvato Infoscore auch das Zahlungsverhalten im Wohnumfeld aus und schaut sich die Wohnsituation bzw. die Gebäudedaten an. Damit dürften Sie auch gleich für Ihre Nachbarn „mithaften“.

Einen Schritt weiter in die Methodentrickkiste greift die Firma Bürgel: Hier werden gegebenenfalls Alter und Geschlecht auf Basis des Vornamens geschätzt. Zusätzlich spielt bei der Berechnunge der Kreditwürdigkeit und auch die Wohndauer an der aktuellen Adresse eine Rolle und ob dort ein Telefonanschluss vorhanden ist., spielen eine Rolle bei der Berechnung der Kreditwürdigkeit. Welche Rolle genau, das bleibt, wie bei allen anderen Daten, das Geschäftsgeheimnis der Scoringunternehmen.

Und in Zukunft?

Bisher werden Daten aus sozialen Netzwerken nicht zum Scoring genutzt, auch wenn es schon Diskussionen darüber gab. „Im Gespräch mit dem Verband der Handelsauskunfteien wurde die Meinung vertreten, dass eigentlich niemand etwas dagegen haben könnte, wenn mal die Frage untersucht würde, ob solche Daten unter Scoring-Gesichtspunkten nutzbar wären. „Irgendwann in der Zukunft wird das sicher relevant werden.“

EU-Datenschutz muss beim Profiling und Scoring nachbessern

Damit genau das nicht passiert und das Scoring bzw. Profiling nicht automatisch über das Leben der Menschen entscheidet, braucht es enge, feste Regelungen im Rahmen der EU-Datenschutzverordnung. Außerdem braucht es deutlich mehr Transparenz. Die Menschen müssen wissen, wie ihre Daten verwendet werden und die Informationen müssen am besten aktiv gegeben werden, statt dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher selber um Auskunft bemühen müssen. Denn bisher nutzen nur ein Drittel aller Menschen die kostenlose Selbstauskunft. Dabei ist es mit diesem Formular sehr einfach.


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