Danke für 20 Jahre BigBrotherAwards-Jury!
Wir danken ihm von Herzen für seinen Scharfsinn, seine unbeugsame Haltung, seine meisterliche Reden und viele spannende Diskussionen in der Jury.
Seit der ersten BigBrotherAwards-Verleihung im Jahr 2000 war Rolf Gössner festes Mitglied in unserem Jury-Team. Als engagierter Strafverteidiger und Publizist wie auch als Vorstand der Internationalen Liga für Menschenrechte hatte sein Wort Gewicht bei unseren Jury-Entscheidungen. Rolf sezierte kenntnisreich Überwachungsgesetze und tadelte treffsicher besonders überwachungsaffine Politiker.innen und Behörden. Otto Schily, Wolfgang Schäuble – die Innenminister von Bund und Ländern haben mittlerweile so etwas wie ein Abo auf den BigBrotherAward – dazu BKA, BND und der Verfassungsschutz.
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Eigentlich hoffte Rolf Gössner wie wir alle in der Jury, dass nach zehn Jahren BigBrotherAwards das Ziel erreicht sein würde: Dann wäre alles gesagt, unsere guten Argumente hätten sich durchgesetzt und es würden nur noch demokratie- und rechtsstaatsverträgliche Digital- und Sicherheitsgesetze beschlossen. Diesem Traum standen leider sowohl das Beharrungsvermögen als auch der Überwachungsideenreichtum von Behörden und Politik entgegen. Doch auch wir sind beharrlich. Rolf Gössner war 20 Jahre Mitglied der BigBrotherAwards-Jury. 20 Preisträger hat er in Tiefe recherchiert, pointiert bewertet und hinreißend laudatiert.
Was unsere Veranstaltungsplanung oft auf eine harte Probe stellte: Rolf kämpfte um jede zusätzliche Minute Redezeit – er hatte aber auch etwas zu sagen! Und mit welcher Wortgewalt und Emphase er die Laudationes vortrug – zugleich strahlte er stets Seriosität und Gelassenheit aus. Das Publikum dankte es ihm des häufigeren mit der Wahl des Publikumspreises.
Patrick Breyer (MdEP) und Rolf Gössner zur Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung 2016
Niemand von den staatlichen Akteur.innen hatte je die Größe, den Preis persönlich entgegenzunehmen – obwohl wir sie stets zur Preisverleihung einladen. Einen allerdings hat Rolf überlistet: Der ehemalige niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann bekam 2011 den Award live vor laufenden Fernsehkameras bei Sat.1. Dieses Video macht uns immer wieder Freude!
Kein Artikel über Rolf Gössner sollte ohne den Hinweis auskommen, dass er selbst vier Jahrzehnte lang in unrechtmäßiger Weise vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Den juristischen Kampf gegen diese Repressalien hat er Ende 2020 nach 15 Jahren Prozessführung gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz endgültig gewonnen. Niemand wusste also besser als er, was staatlicher Überwachungswahn bedeutet.
Passend zum Abschied hat Rolf Gössner ein neues Buch „Datenkraken im öffentlichen Dienst“ herausgebracht – darin finden sich Rückblick und Updates auf „seine“ BBA-Preisträger. „Ich will Wiederholungen vermeiden“, ist eines von Rolf Gössners Motiven, nach 20 Jahren die BigBrotherAward-Jury zu verlassen. Denn – siehe oben – mit Wiederholungstätern ist gerade bei Behörden und Politik leider zu rechnen.
Lieber Rolf,
wir danken dir von Herzen! Die Zusammenarbeit mit dir war eine große Freude für uns, du hast uns beflügelt, wir haben viel von dir gelernt, der Austausch und die Diskussion bei unseren gemeinsamen Jury-Sitzungen waren für uns stets ein Highlight des Jahres. Wir wünschen dir, dass du nun etwas mehr Zeit für Ruhe, Entspannung und die angenehmen Seiten des Lebens haben wirst. Du hast uns am Ende deiner Abschiedsrede den Auftrag mit auf den Weg gegeben, dass weiterhin noch viel, eher immer mehr zu tun sein wird im Einsatz für Grundrechte und eine lebendige Demokratie. Wir bleiben dran, lieber Rolf – versprochen. Und wir freuen uns, wenn wir hin und wieder von dir hören und einen Rat von dir einholen dürfen.
Alle Preisträger.innen von Rolf Gössner in 20 Jahren BigBrotherAwards
Jahr – Kategorie – Preisträger.innen
2000 – Politik – Der Innensenator von Berlin Dr. Eckart Werthebach
2001 – Politik – Der Bundesinnenminister Otto Schily für sein Überwachungsgesetze-Paket, die sogenannten „Otto-Kataloge“
2002 – Behörden und Verwaltung – Das Bundeskriminalamt für drei präventive Datenbanken mit Verdächtigen
2003 – Politik – Die Innenminister und Regierungen von Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen für ihre Angriffe auf Telekommunikation und informationelle Selbstbestimmung
2004 – Behörden und Verwaltung – Die Bundesanstalt für Arbeit für ihre inquisitorischen Fragebögen für Erwerbslose
2005 – Lebenswerk – Abermals Bundesinnenminister Otto Schily, siehe 2001
2006 – Politik – Die Bundeskonferenz der Innenminister.innen und -senator.innen für die „Anti-Terror-Datei“
2007 – Behörden und Verwaltung – Die Generalbundesanwältin Monika Harms für die Maßnahmen gegen die Protestierenden gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm
2008 – Europa/EU – Der EU-Ministerrat für die EU-Terrorliste
2009 – Lebenswerk – Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister, für langjährige „Verdienste“
2010 – kein BBA – Veranstaltung verlegt von Herbst 2010 ins Frühjahr 2011
2011 – Politik – Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann
2012 – Politik – Der Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) für die Einrichtung von Cyber-Abwehrzentren und Verbunddateien
2013 – Behörden und Verwaltung – Die Bundespolizei für Racial Profiling
2014 – Politik – Das Bundeskanzleramt für die deutschen Verstrickungen in den NSA-Überwachungsskandal
2015 – Behörden und Verwaltung – Der Bundesnachrichtendienst (BND) für seine ausufernde Rolle in Geheimdienstskandalen und Überwachungsexzessen
2016 – Lebenswerk – Der Verfassungsschutz für seine gesamte 65jährige Geschichte
2017 – Behörden – Die Bundeswehr, geleitet von Ursula von der Leyen, für die Vorbereitungen auf einen Cyber-Krieg
2018 – Politik – Die hessische Landesregierung aus CDU und Grünen für das neue Polizeigesetz
2019 – Behörden und Verwaltung – Der hessische Ministerpräsident Peter Beuth für die Beauftragung der US-Firma Palantir mit der Ausforschung von Social Media- und Polizeidateien
2020 – Politik – Die Bundesregierung für die Untätigkeit gegen die US-Militärbasis in Ramstein