Digital Markets Act

Europas historische Chance gegen Internetgiganten

Der europäische Digital Markets Act soll gegen die Monopolstellung von Google und Co. vorgehen. Digitalcourage bringt sich mit zwei zentralen Forderungen in die Verhandlungen um den Gesetzesentwurf ein: Personalisierte Werbung und Dark Patterns sollen durch den DMA verboten werden.

Der europäische Digital Markets Act soll gegen die Monopolstellung von Google und Co. vorgehen. Digitalcourage bringt sich mit zwei zentralen Forderungen in die Verhandlungen um den Gesetzesentwurf ein: Personalisierte Werbung und Dark Patterns sollen durch den DMA verboten werden.

Die Macht der großen Internet-Monopolisten (Google, Amazon, Facebook & Co.) gefährdet unsere Demokratie. Sie muss beschränkt und Wettbewerb wieder ermöglicht werden – das fordert Digitalcourage seit langem.
Die Erkenntnis ist offenbar auch in anderen Kreisen angekommen. So auch bei Andreas Schwab von der CDU, dem Berichterstatter im Europäischen Parlament für den Digital Markets Act. Er sagt:  „Die Vermachtung von Wirtschaft führt am Ende politisch zu sehr negativen Auswirkungen.“  Und begründet damit, warum es harter regulativer Interventionen bedarf.

Nun haben wir in Europa endlich die Chance dazu, denn die EU-Kommission hat Anfang Dezember 2020 einen ambitionierten Gesetzentwurf auf den Weg gebracht: den „Digital Markets Act“, kurz DMA.

Die Regulierungen des DMA zielen auf die sogenannten „Gatekeeper“. Das sind diejenigen Plattformen, die als „Torwächter“ den Zugang zu digitalen Märkten beherrschen und die Regeln auf diesen Märkten diktieren. Wird eine Internetplattform als Gatekeeper eingestuft, gelten für sie die im DMA genannten verbindlichen Regeln (Ge- und Verbote).

Der Entwurf der EU-Kommission muss noch mit dem EU-Parlament und dem Rat der Europäischen Union abgestimmt werden. In den sogenannten Trilog-Verhandlungen bringen Parlament und Rat Änderungen über sogenannte Berichterstatter ein. Die Verhandlungen dazu sind im vollen Gange. Auf Hochtouren läuft auch die Lobbyarbeit der betroffenen großen Konzerne, die mit allen Mitteln versuchen, die Gesetzgebung zu verhindern oder abzuschwächen – oder gleich wirkungslos zu machen.

Aber auch Digitalcourage hat sich frühzeitig in die Verhandlungen eingebracht:

  • Wir haben gemeinsam mit Lobbycontrol im Mai 2021 einen Brief an EU-Abgeordnete geschickt, in dem wir den Vorschlag begrüßen, Verhaltensregeln für große Internetmonopolisten einzuführen. Gleichzeitig zeigen wir, wo wir Umsetzungsprobleme sehen und fordern dringend Nachbesserungen. Dieser Brief wurde sehr gut aufgenommen.
  • Wir haben direkte Gespräche mit EU-Abgeordneten und Berichterstattern geführt.
  • Zusammen mit 27 NGOs haben wir einen zivilgesellschaftlichen Aufruf verfasst und strukturelle Maßnahmen gefordert, die deutlich über die Verhaltensvorgaben im bisherigen Entwurf des DMA hinausgehen: Wir fordern rechtliche Mittel zur Fusionskontrolle und Entflechtung der großen Unternehmen.

BigBrotherAward 2021 an Google

Logo von Google, ein Haufen Geldscheine, ein AuktionshammerDennis Blomeyer, CC-BY 4.0

2021 haben wir Google einen BigBrotherAward verliehen. Kategorie: „Was mich wirklich wütend macht“

Digitalcourage stellt zwei zentrale Forderungen auf, die im Digital Markets Act verankert werden sollen:

1. Verbot von personalisierter Werbung insgesamt

Denn personalisierte Werbung ist die Ursache vielen Übels: Sie erfordert die Dauerüberwachung der Nutzer.innen und Profilbildung. Sie verteilt detaillierte persönliche Daten der Nutzer.innen bei Online-Auktionen um Werbeplätze wahllos weiter – an alle, die behaupten, Werbung schalten zu wollen. Und sie ermöglicht gezielte manipulative Beeinflussung (mehr dazu im Kasten: Warum Werbetracking schädlich und gefährlich ist). Mittlerweile ist klar: Das Konzept personalisierter Werbung (wir könnten sie treffender auch „überwachungsbasierte Werbung“ nennen) hat sehr negative Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb sollte personalisierte Werbung verboten werden.

Dafür fordern wir konkret das Verbot der Zusammenführung von personenbeziehbaren Daten zu Werbezwecken oder zur Profilbildung in Artikel 5a des DMA.

Oft wird bisher die Zustimmung der Nutzer.innen zu dieser Datenverarbeitung mit unlauteren Mitteln erschlichen. Diese Hintertür muss geschlossen werden. Damit kommen wir zu unserer zweiten Forderung.

2. Verbot von Dark Patterns im DMA

„Dark Patterns“ (dunkle Muster) sind unfaire und manipulative Benutzeroberflächen, mit denen Verbraucher.innen zu Entscheidungen gedrängt werden, die nicht ihrem wahren Willen entsprechen. Bekanntestes Beispiel für Dark Patterns sind die derzeit genutzten Cookie-Banner, die uns dazu verleiten wollen, „freiwillig“ dem Tracking und der Weitergabe unserer persönlichen Daten zuzustimmen.
Dark Patterns müssen im Digital Markets Act explizit verboten werden. Denn ansonsten könnten Gatekeeper die Entscheidungen der Verbraucher.innen durch manipulative Methoden lenken und damit wichtige Verpflichtungen nach Art. 5 und 6 des DMA aushebeln und umgehen.

Dark Patterns kommen nicht nur im Zusammenhang mit personalisierter Werbung zum Einsatz. Sie tauchen überall dort auf, wo eine Zustimmung erschlichen wird, mit der Nutzer.innen ihre Rechte aufgeben. Zum Beispiel das Recht vorinstallierte Software von ihrem eigenen Gerät zu entfernen (Art. 6b) und nicht künstlich in einem Dienst eingeschlossen zu werden (technischer Lock-In, Art. 6e). Denken Sie beispielsweise an vorinstallierte Google-Anwendungen oder Programme des Herstellers auf dem Smartphone, die Sie nicht deinstallieren können.

Wir fordern, dass Dark Patterns explizit gesetzlich verboten werden – stattdessen brauchen wir eine Pflicht zu fairem Design.

Beim Digital Markets Act ist viel in Bewegung – wir bleiben dran!

Mehr zum Thema:

  • Big Brother Award an Google in der Kategorie „Was mich wirklich wütend macht“, Laudatio von Rena Tangens
  • Podcast „Bei Anruf Wettbewerb“ am 03.06.2021 (Justus Haucap und Rupprecht Podszun)

  • Offener Brief von Digitalcourage, LobbyControl, Corporate Europe Observatory und der Arbeiterkammer Europa an das Europäische Parlament

  • Öffentlicher Aufruf „Übermächtige Konzerne entflechten!"

  • Positionspapier des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) zum DMA

  • Ausführliche Analyse des bekannten Kartellrechtlers Rupprecht Podszun zum Thema „dark patterns” – dort werden wir zitiert (englisch)

Warum Werbetracking schädlich und gefährlich ist

  • Bei unserer Kritik des Werbetrackings und der personalisierten Werbung geht es uns keineswegs nur um Datenschutz, sondern um die vielfältigen schädlichen Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft und letztendlich die Demokratie.
  • Die Werbewirtschaft setzt personalisierte Werbung ein, weil Anbieter von Produkten und Dienstleistungen das angeblich so wollen. Aber tatsächlich schadet das Modell auch der Wirtschaft.
  • Personalisierte Werbung setzt Tracking (also Verfolgung, Überwachung, Profilerstellung) der Nutzer.innen voraus. Alle Konzerne, die dem Geschäftsmodell „pseudo-gratis gegen Verhaltensüberwachung“ folgen, bedienen sich an den Informationen über unsere Verhaltensweisen, Vorlieben und Eigenarten, als ob sie herrenloses Gut wären, das sie sich einfach aneignen können. Die Ausforschung, Verfolgung sprich Überwachung von Netznutzer.innen zur Profitmaximierung wird immer lückenloser und detaillierter. Shoshana Zuboff nennt dieses Wirtschaftsmodell  „Überwachungskapitalismus“.
  • Werbung im Internet ist ein hoch konzentrierter Markt. Einige wenige de facto Monopole wie Google, Facebook und inzwischen auch Amazon kontrollieren den Werbemarkt mit personalisierter Werbung. Insbesondere der Zugriff auf Nutzer.innen-Daten führt zu einer massiven Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der großen Plattformen, weil sie aus vielen eigenen Quellen Informationen über die Nutzer.innen sammeln. Dies geht zu Lasten aller anderen Unternehmen.
  • Inhalte im Netz sollen durch Werbung finanziert werden. Doch vom Werbekuchen bleibt immer weniger zur Finanzierung übrig. Während die Werbeausgaben von Firmen im Internet erheblich steigen, sinken die Einnahmen bei Medien und Kreativen. Wo bleibt dieses Geld? Inzwischen kommen die Werbe-Einnahmen überwiegend nicht mehr bei den Inhaltelieferanten (Verleger, Journalistinnen, Rechercheure, Fotografinnen etc.) an, sondern bleiben bis zu 50-70% bei den Werbeplattformen, Targeting Profildatenbanken etc. hängen.
  • Intransparenz für die Werbetreibenden: Plattformen agieren undurchsichtig. Werbetreibende Firmen können kaum noch überprüfen, ob und welche Werbung von ihnen wo tatsächlich geschaltet ist und welche wie wirksam ist.
  • Betrug und Manipulation: Große Firmen sehen sich deshalb inzwischen zu umfangreichen Kontrollmaßnahmen genötigt. Doch insbesondere kleine und mittlere Unternehmen können sich das nicht leisten und werden zunehmend durch betrügerische Werbepraktiken ausgetrickst.
  • Die Wirtschaft leidet unter diesen Praktiken: Der Wettbewerb bleibt auf der Strecke. Monopole, Intransparenz und Betrug behindern Wachstumspotentiale der digitalen Wirtschaft.

Dieses Werbemodell schadet nicht nur anderen Marktteilnehmer.innen, sondern es hat auch enorm gefährliche Auswirkungen auf die Gesellschaft.

  • Manipulation und Desinformation: Die detaillierten Profile der Netznutzer.innen werden für politisches Microtargeting genutzt. Parteien und Wirtschaft, Lobbyisten und PR-Firmen, ausländische Geheimdienste und Kriminelle können diese Informationen ausnutzen, um Menschen gezielt zu beeinflussen. Es geht also keineswegs nur um Werbung im engeren Sinne, sondern auch um das Nutzen von psychologischen Analysen um Desinformationen zu verbreiten.
  • Kampf um Zeit und Aufmerksamkeit: Um attraktiv für Werbekunden zu sein, versuchen Plattformen Nutzer.innen dazu zu bringen, dass sie möglichst viel Zeit auf ihrer Plattform verbringen. Dazu spielen die Plattform-Algorithmen gezielt emotionale, kontroverse und immer radikalere Inhalte zu. Dieses Ausnutzen von Emotionen wie Empörung, Schadenfreude und Hass, um Menschen zu fesseln, führt zu einer Verzerrung der Weltwahrnehmung und zu einer gefährlichen Polarisierung der Gesellschaft.
  • Verlust der selbstbestimmten Zukunft: Die gesammelten Nutzer.innen-Daten werden nicht nur für personalisierte Werbung verwendet, sondern auch für Verhaltensprognosen, die großen Einfluss auf unsere Zukunftsgestaltung haben.

Es gibt eine Lösung: Eine bessere Alternative wäre kontextabhängige Werbung, also Werbung passend zum redaktionellen Umfeld. Denn diese braucht die Nutzer.innen nicht auszuforschen und zu tracken. Und sie nützt auch den Medien, die den Werbeplatz anbieten, weil sie nicht mehr für die Tracking- und Profilingdienste bezahlen müssen und so mehr vom Werbekuchen bei ihnen hängenbleibt.