Schufa – mach Dich selber nackig

Rund 380.000 Menschen haben unterschrieben gegen die Pläne der Auskunftei Schufa, in Zukunft Einsicht in Kontoauszüge zu nehmen. Die Schufa wollte die Unterschriften nicht annehmen und dementiert.
Bild
Vier Personen, mit Plakaten von nackten Menschen vor dem Körper. Über Brüste und Geschlechtsorganen steht z. B. „Schufa-Spanner stoppen“.

Die Kampagne

„CheckNow“ – unter diesem Namen hat die Schufa Holding AG vor kurzem ein neues Produkt getestet. Die Idee: Menschen, die von der Schufa bisher eine schlechte Bewertung bekommen haben, sollen in Zukunft der Schufa Zugang zu ihren Kontoauszügen gewähren – und so ihren Score verbessern können. Alles natürlich „ganz freiwillig“. Wir wollen verhindern, dass die Schufa sich so einfach einen Kontozugriff erschleichen kann, und fordern außerdem, dass die Schufa (und andere Scoringunternehmen) endlich ihre Berechnungsformeln für die Scorewerte offenlegt. Deshalb haben wir zusammen mit Campact Unterschriften gegen die Schufa-Pläne gesammelt. Darüber hinausgehend fordert Digitalcourage ein Verbot von Scoring, das nichts anderes als eine „vollautomatische Vorurteilsbildung” darstellt.

„Von Freiwilligkeit kann wohl kaum die Rede sein. Die Schufa lockt die Menschen mit dem Versprechen einer besseren Bewertung ihrer Kreditwürdigkeit – und erschleicht sich damit die Zustimmung, auf ihr Konto schauen zu können.“
(Detlev Sieber von Digitalcourage)

Mit Plakaten, auf denen nackte Körper zu sehen waren, haben wir vor wenigen Tagen zusammen mit Campact vor der Schufa-Zentrale in Wiesbaden protestiert. Dort wollten wir rund 380.000 Unterschriften übergeben gegen die Pläne der Wirtschaftsauskunftei Schufa, sich Einsicht in private Kontoauszüge zu verschaffen.

Unterschriften-Annahme verweigert

Doch die Schufa wollte die rund 380.000 Unterschriften nicht entgegennehmen, offiziell auf Grund von Corona-Bestimmungen. Schufa-Pressesprecher Ingo A. Koch erklärte den Protestierenden, die Schufa habe nie ein solches Produkt, wie wir es kritisiert haben, angeboten und es werde auch nie eines in dieser Form geben. Nur mit viel gutem Willen können wir den ersten Teil dieser Aussage durchgehen lassen: „CheckNow“ ist noch nicht als reguläres Angebot der Schufa aufgetaucht, es hat bislang nur einen Testlauf gegeben. Nach Ende des Testes hat die Schufa verkündet, sie wolle nun „auswerten und analysieren, in wieweit den interessierten Verbrauchern zukünftig ein Angebot gemacht werden kann”.

Ob die Schufa nach dem Test tatsächlich zurückgerudert ist oder nur versucht, mit rhetorischen Versteckspielen abzulenken – das werden wir weiter beobachten. Und solange der Konzern die Unterschriften nicht annimmt, sammeln wir einfach weiter!

Hintergrund: Die Schufa will ihre Datensätze aufstocken

Mehr als ein Girokonto? In den letzten Jahren mehrfach umgezogen? Bisher können schon sehr wenige, völlig banal erscheinende Informationen zu einer schlechteren Bewertung bei der Schufa führen. Denn die Auskunftei weiß erstaunlich wenig: Bei fast einem Viertel der Personen im Datensatz beruht die Bewertung auf höchstens drei Informationen. Das haben Auswertungen durch Spiegel Online und den Bayerischen Rundfunk ergeben, die auf den Daten der Initiative OpenSchufa basieren. Mit einer Einsicht in die Kontoauszüge von Verbraucher.innen könnte die Schufa ihre Datensätze also mächtig aufstocken. Gehalt, Miete und Konsumgewohnheiten würden erfassbar, auch über die Überweisung an den Psychotherapeuten wüsste die Schufa dann Bescheid.

Scoring als Blackbox

Schon 2001 haben wir vor den Auswirkungen von Scoring gewarnt. Damals haben wir der Informa Unternehmensberatung GmbH (heute Bertelsmann Arvato Financial Solutions) einen BigBrotherAward übergeben. Das Problem ist bis heute geblieben: Über einen Algorithmus wird die Bonität eines Menschen bewertet, mit erheblichen Auswirkungen für dessen Leben. Mietvertrag, Bankkredit – vieles gibt es nur mit entsprecheder Scoring-Abfrage. Von Freiwilligkeit zu sprechen, ist blanker Hohn. Und: Verbraucher.innen haben kaum eine Möglichkeit, gegen ihre Bewertung zu protestieren. Denn wie die zustandegekommen ist, bleibt das Geschäftsgeheimnis der Auskunfteien.

Auch die Initiative OpenSchufa ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verfahren zur Ermittlung der Kreditwürdigkeit der Schufa nicht nur gegen die Datenschutzgrundverordnung verstößt, sondern auch Diskriminierung verstärkt.

Digitalcourage fordert deshalb, dass die Schufa und andere Scoringunternehmen endlich ihre Berechnungsformeln für die diskriminierenden Scorewerte offenlegt und dass darüberhinaus alle Scoringsysteme gesetzlich verboten werden.

Philip Eichler
Schufa-Pressesprecher Ingo A. Koch spricht vor Protestierenden von Campact und Digitalcourage

Unsere Arbeit lebt von Ihrer Unterstützung

Wir freuen uns über Spenden und neue Mitglieder.

Philip Eichler
Detlev Sieber von Digitalcourage