Gaming und Privatsphäre

Die Playstation lauscht mit

Ehekrach und weinende Kinder – der Playstation-5-Controller lauscht per Standardeinstellung mit. Gastartikel von Matthias Münzel

Ein Mikrofon im Controller. Mit diesem kleinen Gadget will Sony die Playstation-Community näher zusammenbringen. Online-Gaming soll attraktiver und vor allem zugänglicher werden. Playstation-Spieler.innen sollen kein teures Headset mehr brauchen. Bei einer Partie der beliebten Spiele „Fortnite” oder „Call of Duty” sollen sie ohne Hindernisse mit ihren Freunden reden können.
Deshalb wurde bei der Playstation 5 ein Mikrofon im Controller verbaut, das Störgeräusche herausfiltert und es schafft, Sprache klar und deutlich zu senden. Doch nicht immer ist ausschließlich die Stimme der Spielenden zu hören.

Eine Kinderstimme, dann die Stimme des Vaters, der offensichtlich gerade auch an seiner Playstation sitzt: „Du musst noch warten, Papa kommt gleich und spielt mit dir.“

Genau so bin ich auf das Problem aufmerksam geworden: Bei vielen Online-Partien auf der Playstation 5 konnte ich mühelos in fremde Wohnzimmer hineinhören – und die Gespräche sogar mit der playstation-eigenen Software mitschneiden.

Ein laut geführter Beziehungsstreit, Kinderweinen, beiläufige Alltagsgespräche mit dem Partner – es sind kurze, aber tiefe Einblicke in die Intimsphäre fremder Menschen, die mir sofort ein Gefühl geben von: Das geht mich nichts an und das will ich nicht hören.

Warum ist das Mithören so problemlos möglich? Und wissen die Betroffenen eigentlich, dass ich sie und ihre Familienangehörigen höre?

Ein Playstation 5 in der Nahaufnahme: Zu sehen ist das Mikrofon und ein Playstation-Logo.Markus Hamid, CC-BY 4.0

Die Antworten stecken in diesem Fall in den Grundeinstellungen der Playstation 5. Die sollen den Spielenden einen möglichst reibungslosen Einstieg ins Online-Gaming bieten. Deshalb ist das Controller-Mikrofon standardmäßig eingeschaltet und bereit zur Übertragung.

Im Sinne der europäischen Datenschutzgrundverordnung ist das nicht. Artikel 25 der DSGVO verlangt „Datenschutz durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen“. Oder anders: Technik soll so gestaltet sein, dass sie uns im Standardzustand nicht ausspioniert.

Weil die Gespräche, die ich online mitgehört habe, oft so intim waren, gehe ich davon aus, dass viele Spieler.innen einfach nicht wissen, dass ihre Stimme gerade übertragen wird. Denn die Playstation 5 weist die Spielenden nicht explizit darauf hin. Sie meldet nicht: „Jetzt ist deine Stimme zu hören!“ Stattdessen zeigt sie einen Warnhinweis auf dem Bildschirm, wenn das Mikrofon aus ist. Zusätzlich leuchtet ein rotes Licht auf dem Controller. Eine Design-Entscheidung, die ganz schön verwirrend ist, denn in der Regel funktioniert das genau andersherum. Ein rotes Licht bedeutet meist: Jetzt bist du „on air”, jetzt wird übertragen. Das kennen wir zum Beispiel von unserer Notebookkamera. Da leuchtet ein Licht, wenn sie gerade aufnimmt. Bei der Kamera an der Playstation 5 macht Sony es dann übrigens wieder so, wie wir es gewohnt sind: Das Licht leuchtet, wenn sie aufnimmt.

Die Spieleentwickler gehen sehr unterschiedlich mit dem eingeschalteten Mikrofon um. Einige schalten die Spielenden bei einem Online-Spiel erst einmal auf stumm. Hier muss ich mich aktiv sprechbereit machen. Andere Spiele, wie das neue „Call of Duty Modern Warfare 2”, bauen das Mikrofon als Spielelement ein. „Proximity Voice Chat” heißt hier die große Innovation. Das bedeutet, dass ich alle Spieler.innen, die sich im Spiel virtuell in einer bestimmten Reichweite befinden, hören kann. Auch die, die nicht mit mir in einem Team sind. Damit das funktioniert, ist das Mikrofon bei „Call of Duty“ standardmäßig eingeschaltet. Wenn – wie in diesem Beispiel – entsprechende Voreinstellungen bei einem Spiel auf die Hardwarevoreinstellungen von Sony treffen, sorgt das dafür, dass vermehrt ungewollt Stimmen aus dem heimischen Wohnzimmer übertragen werden.

Und was ist mit Sony? Greift die Herstellerfirma der Playstation 5 auch auf die Sprachaufnahmen zu? In den Nutzungsbedingungen der Playstation hält sich die Firma sehr vage und räumt sich weitreichende Rechte ein, was den Zugriff und die Verwendung der Sprachaufnahmen angeht:

14.3. Zu den Informationen, die auf diesen Wegen in unseren Besitz gelangen können, gehören möglicherweise Ihre Inhalte, Sprach- und Textnachrichten, Spielvideos, die Uhrzeit, zu der die Aktivitäten stattgefunden haben, sowie der Standort des Geräts, über das sie durchgeführt wurden, Ihr echter Name, Ihre PSN-Online-ID und Ihre IP-Adresse.

11.2. … Auch autorisieren Sie uns, Ihre UGC* zu lizenzieren, zu verkaufen oder auf andere Weise kommerziell zu nutzen, ohne Ihnen dafür eine Zahlung zu leisten (zum Beispiel durch das Verkaufen von Zugriff auf Ihre UGC – alleine oder in Verbindung mit anderen UGC – und/oder das Erhalten von Werbeeinnahmen in Verbindung mit UGC), und uns Ihrer UGC für Werbemaßnahmen von PlayStation®-Produkten, -Software oder -Dienstleistungen zu bedienen.

Quelle: https://www.playstation.com/de-de/legal/software-usage-terms/

*Die Abkürzung UGC steht für „user generated content“, also benutzergenerierten Inhalt. Dazu zählen laut Nutzungsbedingungen: Text, Nachrichten, Kommentare, Bilder, Fotos, Sprachnachrichten, Musik, Videos, Spielassets, Spielvideos sowie mit Spielen verknüpfte Informationen und sonstige Materialien.

Sony behält sich also vor, die Sprachaufnahmen nicht nur zu speichern, sondern nach Gutdünken auch zusammen mit anderen persönlichen Informationen weiterzuverbreiten und zu verkaufen.

Damit Spielende nicht weiter ungewollt private Unterhaltungen preisgeben – gegenüber unbekannten Menschen und gegenüber Sony und der riesigen Blackbox an eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten –, würde schon ein kleines Softwareupdate helfen. Das könnte dafür sorgen, dass das Mikrofon standardmäßig aus ist und nur aufnimmt, wenn es aktiv eingeschaltet wurde. Und ein gut sichtbarer Hinweis, der eingeblendet wird, solange das Mikrofon aufnimmt und ins Internet überträgt, würde bei den Spielenden für Klarheit sorgen.

Foto von Matthias MünzelMatthias Münzel

Matthias Münzel studiert Linguistik und ist seit 2018 Redakteur beim Campusradio Hertz 87.9 in Bielefeld. Dort leitet er mittlerweile die Ausbildung und das Games-Ressort des Bielefelder Studierendenradios und ist selbst leidenschaftlicher Gamer. Gemeinsam mit Matteo Busch wurde er 2022 im Rahmen des Campusradio-Preises der Landesanstalt für Medien NRW mit  einem Sonderpreis der Jury für das dystopische Hörspiel „Hertz Reloaded“ ausgezeichnet. In ihrem Hörspiel beschäftigen sich die beiden mit künstlicher Intelligenz und Persönlichkeitsrechten, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Satire.

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