Demokratiekonform? Handelsabkommen und Investitionsschutz

Die meisten Handelsabkommen enthalten eine Klausel zum Investitionsschutz. Aber was genau bedeutet das? Und warum gefährdet das unsere Demokratie?

ISDS steht für Investor-state dispute settlement. Auf Deutsch bedeutet das Investor.innen-Staat-Streitbeilegung. Hinter dem Begriff verbirgt sich – verkürzt gesagt – der Schutz von investierenden Unternehmen vor politischen Entscheidungen. Wenn beispielsweise der Nichtraucher.innenschutz gestärkt wird, haben Zigarettenfirmen mitunter finanzielle Einbußen. Das gefällt den Firmen natürlich nicht. Durch ISDS können die Unternehmen den Staat oder die zuständige Regierung für solche Entscheidungen gerichtlich belangen und finanzielle Entschädigungen fordern.

Wechsel der Funktionen

Die Forderungen könnten nun entweder vor staatlichen Gerichten oder vor sogenannten Schiedsgerichten erstritten werden. Im Gegensatz zu den staatlichen Gerichten, tagen die Schiedsgerichte nur zu bestimmten Anlässen und sind nicht-öffentlich. Sie setzen sich aus den drei Instanzen Kläger.in, Angeklagte.r und Richter.in zusammen. Beide Parteien, der Staat und die Investor.innen, suchen sich eine.n Verteidiger.in und einigen sich gemeinsam auf eine.n Richter.in. Die Beteiligten können zudem von einem Verfahren zum anderen ihre Funktionen wechseln. Wer beispielsweise einmal Richter.in war, erscheint im nächsten Verfahren womöglich als Kläger.in.

Klagen gegen Staaten

Diese Kombination aus Schiedsgerichten und Investor.innen erscheint in vielen Handelsabkommen. Wenn also ein Handelsabkommen zwischen zwei Ländern oder Staatenverbünden existiert, enthält dieses oft auch eine Klausel zu den privaten Schiedsgerichten. So etwa beim USA-Kanada-Abkommen NAFTA. Ein weiterer Fall ist die Klage von dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen bestehender Umweltauflagen. Zur Zeit ist ISDS durch die laufenden CETA- und TTIP-Verhandlungen wieder ein Thema. Schließlich ist in den aktuellen Entwürfen auch eine solche Klausel für den Vertrag zwischen der Europäischen Union und den USA beziehungsweise Kanada vorgesehen. Die Verhandlungswerte vor den Schiedsgerichten liegen oft in Höhe von mehreren Milliarden Euro.

Kritik an ISDS

ISDS bringt Nachteile und Gefahren mit sich. Zunächst können Konzerne das System leicht ausnutzen, da sie lediglich Briefkastenfirmen brauchen, um ihre Klagen zu formulieren. Auch Tochterfirmen im Ausland werden dafür missbraucht. Denn nur ausländische Investor.innen können eine Klage vor die Schiedsgerichte bringen. Die Tabakfirma Philip Morris hat versucht, das auszunutzen. Kurz nachdem die schärferen Gesetze zum Nichtraucherschutz in Australien bekannt wurden, kaufte der australische Ableger Anteile an einer Firma in Hongkong. Da ein Handelsabkommen mit Investitionsschutzklausel zwischen Hongkong und Australien besteht, wollten sie über die neue Tochterfirma finanzielle Ansprüche geltend machen. Das Verfahren läuft noch.

Rechtsstaat gegen Schiedsgerichte

Ein weiteres grundsätzliches Problem ist das Verhältnis vom Prinzip des Rechtsstaats und den Schiedsgerichten. Schließlich steht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland: "Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen." (Artikel 33, Absatz 4). Gerichtliche Entscheidungen, insbesondere das Verklagen von Staaten, gehören zu diesen hoheitsrechtlichen Befugnissen. Liegt dieses Entscheidungsbefugnis nun in der Hand von privaten Schiedsgerichten, ist das ein eindeutiger Verfassungsbruch – und das nicht erst, seitdem dieses Vorgehen im Zuge von TTIP und CETA wieder neu disktutiert wird.

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