Newsletter vom 14.07.2021

Gut, dass du mich erinnert hast …

Themen u.a.: BigBrotherAwards 2021 – und was danach geschah, historische Chance für Europa gegen Internetgiganten und: Mit Papiertüten gegen biometrische Massenüberwachung

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Gut, dass Du mich nochmal erinnert hast! Ich habe vor einer Weile bei euch gelesen, dass es demnächst keine Personalausweise ohne Fingerabdrücke mehr gibt. Aber mir war nicht klar, dass das schon so bald ausläuft.”

Solche Bemerkungen haben wir jetzt schon öfters gehört. Deshalb hier noch mal in aller Deutlichkeit: Wenn Sie für die nächsten zehn Jahre einen Personalausweis ohne gespeicherte Fingerabdrücke haben möchten, dann ist der richtig Zeitpunkt für einen Termin beim Amt JETZT. Denn ab dem 2. August sind Fingerabdrücke Pflicht. Wir haben gehört, dass die Ämter in manchen Orten schon in der letzten Juliwoche nach der neuen Regel verfahren sollen. Kümmern Sie sich also jetzt schnell um einen Termin beim Bürgeramt, um einen neuen Ausweis zu beantragen – in manchen Städten sind die Termine bis August bereits ausgebucht.

Mit besten Grüßen aus Bielefeld

das Team von Digitalcourage

 

Inhalt

1  BigBrotherAwards 2021 – und was danach geschah

2  Digital Markets Act: historische Chance für Europa gegen Internetgiganten

3  Mit Papiertüten gegen biometrische Massenüberwachung: Reclaim Your Face

4  Schreibwettbewerb: Louis D. Brandeis – Jurist und innovativer Vordenker

5  Jahresbericht von European Digital Rights (EDRi)

6  Freie Musik-Verwertungsgesellschaft sucht Mitarbeitende

7  Empfehlungen aus unserem Shop

8  Digitalcourage in den Medien

9  Termine

1  BigBrotherAwards 2021 – und was danach geschah

Seitdem wir unsere BigBrotherAwards am 11. Juni vergeben haben, ist einiges passiert: Unser Mailpostfach ist vollgelaufen mit Anfragen, ein Preisträger versucht, die Medienberichterstattung zu beeinflussen, gegen einen anderen läuft mittlerweile ein gerichtliches Verfahren. Aber der Reihe nach:

Der Vize-Vorsitzende des Ethikrates Julian Nida-Rümelin hat unseren BigBrotherAward als Gesprächsangebot angenommen und sich mit Laudator padeluun zu einem Radio- Streitgespräch getroffen.

Zu viel Datenschutz bei Corona? Streitgespräch zwischen Philosoph Julian Nida-Rümelin und Aktivist padeluun vom Bayerischen Rundfunk:
https://www.br.de/mediathek/podcast/embed?episode=1828918

Gegen Google wurde ein Kartellverfahren der EU-Komission eröffnet, um Googles Manipulation des Werbemarktes zu untersuchen. Wann das Verfahren abgeschlossen sein wird, ist leider noch nicht abzusehen und auch nicht, was danach passiert. Von den bisher verhängten drei Geldstrafen in Milliardenhöhe hat Google noch keine einzige gezahlt.

Kartellverfahren gegen Google:
https://ec.europa.eu/germany/news/20210622-kartellrecht-google_de

Besonders hohe Wellen geschlagen hat die Diskussion rund um unseren BigBrotherAward-Preisträger Doctolib. Die Datensammelei des Dienstleisters für Arztpraxen hat auch unser Publikum besonders geärgert: der BigBrotherAward an Doctolib hat in diesem Jahr bei unserer Publikumspreis-Abstimmung gewonnen. Während die PR-Abteilung von Doctolib verschiedenen Medien-Redaktionen erzählt hat, unser Preis beruhe auf „falschen Tatsachenbehauptungen”, hat das Team von mobilsicher.de noch mal nachgelegt. Das Portal hat herausgefunden, dass Doctolib sensible Gesundheits-Informationen mit Facebook und Outbrain geteilt hat! Für uns ist das ein weiterer Beweis dafür, dass Doctolib offensichtlich nicht verstanden hat, um welche gesellschaftlichen Dimensionen es beim Schutz von Gesundheitsdaten geht.

Uns haben seit den BigBrotherAwards sehr viele Fragen rund um Doctolib erreicht. Wie kann ich wissen, was Doctolib über mich weiß? Und vor allem: Wie kann ich Informationen über mich löschen lassen? Auf unserer Website gibt es jetzt Antworten auf die häufigsten Fragen aus Patienten- und Ärztinnenperspektive und Vorlagen, um eine Selbstauskunft und eine Löschung der eigenen Daten bei Doctolib zu verlangen.

Häufige Fragen zu Doctolib und Musterschreiben:
https://digitalcourage.de/faq-doctolib

Die BigBrotherAwards 2021, zum Nachlesen oder als Video schauen:
https://bigbrotherawards.de/2021

Medienberichte über die BigBrotherAwards 2021:
https://digitalcourage.de/blog/2021/bigbrotherawards2021-presseecho

BigBrotherAwards wirken – und werden möglich gemacht durch Ihre Spende:
https://aktion.digitalcourage.de/spenden-bba

2  Digital Markets Act: historische Chance für Europa gegen Internetgiganten

Die großen Internet-Monopolisten (u.a. Google, Amazon oder Facebook) in ihrer demokratiebedrohenden Macht beschränken und Wettbewerb wieder ermöglichen – das fordert Digitalcourage schon lange! Nun haben wir in Europa endlich die Chance dazu, denn die EU-Kommission hat einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht: den „Digital Markets Act” (DMA). Die Verhandlungen dazu sind im vollen Gange – und natürlich auch die Lobbyarbeit der angesprochenen großen Konzerne. Aber auch wir haben uns frühzeitig in diese Verhandlungen eingebracht:

  • Wir haben gemeinsam u.a. mit Lobbycontrol einen Brief an EU-Abgeordnete geschickt, in dem wir den Vorschlag begrüßen, Verhaltensregeln für große Internetmonopolisten einzuführen. Gleichzeitig zeigen wir, wo wir Umsetzungsprobleme sehen und fordern dringend Nachbesserungen. Dieser Brief wurde sehr gut aufgenommen: Er hat schon zu direkten Gespräche mit EU-Abgeordneten geführt.
  • Außerdem haben wir zusammen mit 27 NGOs einen zivilgesellschaftlichen Aufruf verfasst und strukturelle Maßnahmen gefordert, die deutlich über den bisherigen Entwurf des DMA hinausgehen: rechtliche Mittel zur Fusionskontrolle und Entflechtung der großen Unternehmen!
  • Im bisherigen DMA-Entwurf sehen wir noch eine gefährliche Hintertür: Der bisherige DMA-Entwurf verbietet zwar z.B. die Zusammenführung von personenbezogenen Daten – so sollen die Nutzerprofile von unterschiedlichen Diensten (z. B. von Google) nicht miteinander verknüpft werden können. Allerdings können Plattformen das Verbot umgehen, wenn sie die Einwilligung der Nutzer.innen auf unfairen und manipulativen Wegen einholen, mit Hilfe sogenannter „dark patterns”. Dieses manipulative Vorgehen muss gesetzlich verboten werden, stattdessen brauchen wir eine Pflicht zu fairem Design. Wir bleiben am Thema DMA weiter dran!

Offener Brief von Digitalcourage, LobbyControl, Coroporate Europe Observatory und der Arbeiterkammer Europa an das Europäische Parlament:
https://digitalcourage.de/sites/default/files/2021-05/dma-brief.pdf

Öffentlicher Aufruf „Übermächtige Konzerne entflechten!”:
https://digitalcourage.de/sites/default/files/2021-07/Konzernmacht_Entflechtung_Statement_FINAL_0.pdf

Positionspapier des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) zum DMA:
https://digitalcourage.de/sites/default/files/2021-07/21-05-05_vzbv_Positionspapier_DMA_DE_0.pdf

Ausführliche Analyse des bekannten Kartellrechtlers Rupprecht Podszun zum Thema „dark patterns” – dort werden wir zitiert:
(englisch) https://digitalcourage.de/sites/default/files/2021-07/Podszun_Data_Combination_in_the_DMA_5a%20.pdf

3  Mit Papiertüten gegen biometrische Massenüberwachung: Reclaim Your Face

Hilft eine Papiertüte über dem Kopf gegen Überwachung und Auswertung von biometrischen Daten? Schon – sie ist aber auch im Alltag ziemlich unpraktisch. Es ist deshalb höchste Zeit, dass biometrische Massenüberwachung in Europa verboten wird. Genau das fordern wir gemeinsam mit EDRi (European Digital Rights) in der Kampagne Reclaim Your Face. Und es gibt gute Gründe, optimistisch zu sein: Die Europäischen Datenschutzbeauftragten haben kürzlich dazu aufgerufen, den Einsatz von Systemen zur automatisierten Erkennung von Menschen im öffentlichen Raum zu verbieten. Dabei haben die Datenschutzbeauftragten eine weite Auslegung dieser Begriffe angelegt und z.B. darauf verwiesen, dass schon unsere Tastureingaben unsere Identität erkennbar machen können. Wie nötig ein solches Verbot ist, zeigt auch eine gerade erst veröffentliche Untersuchung des EDRi-Netzwerkes gemeinsam mit der Initiative Edinburgh International Justice. Der Bericht zeigt das schockierende Ausmaß bereits eingesetzter Systeme biometrischer Massenüberwachung. Aufgeführt sind Fallbeispiele und Analysen aus Deutschland, den Niederlanden und Polen. Unsere Kampagne „PersoOhneFinger” gegen die verpflichtende Aufnahme des Fingerabdrucks im Personalausweis findet dort übrigens auch lobende Erwähnung.

Hier gibt es Fotos von unserem Papiertüten-Selbstversuch (gerne selber auch ausprobieren und so die Kampagne unterstützen):
https://digitalcourage.de/blog/2021/PaperBagSociety

Bericht zu biometrischer Massenüberwachung in Europa von EDRi:
(englisch + deutschsprachige Kurzzusammenfassung) https://edri.org/our-work/new-edri-report-reveals-depths-of-biometric-mass-surveillance-in-germany-the-netherlands-and-poland/

Forderung der Europäischen Datenschutzbeauftragten nach einem Verbot Biometrischer Massenüberwachung im Rahmen der EU-Regulierung von „Künstlicher Intelligenz”:
(englisch) https://edps.europa.eu/node/7131_de

Wer es noch nicht gemacht hat, kann hier für die Initiative ReclaimYourFace unterschreiben. Nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass biometrische Massenüberwachung verboten wird:
https://reclaimyourface.eu/de/

4  Schreibwettbewerb: Louis D. Brandeis – Jurist und innovativer Vordenker

Er hat nicht nur als erster Jurist ein Recht auf Privatheit (Right to Privacy) gefordert, sondern auch die Anfänge des Kartellrechts und der Meinungsfreiheit mit geprägt: Der US-amerikanische Politikberater, Anwalt und erste jüdischer Richter am Supreme Court Louis Brandeis (1856–1941). In den letzten Jahren bekommen seine Ideen wieder mehr Aufmerksamkeit, unter anderem haben sich progressive Kartellrechtler unter seinem Namen zu einer neuen Denkschule zusammengefunden: Die “New Brandeis School” betont den schädlichen Einfluss von Monopolen auf unsere Demokratien. Wir finden: Ein hochspannendes Feld mit Blick auf große Technologie-Konzerne, deren Einfluss täglich wächst. Die Fachzeitschrift Recht Innovativ (Ri) widmet dem Vordenker Brandeis in diesem Jahr gleich drei Aufsatzwettbewerbe: jeweils mit den unterschiedlichen Schwerpunkten Datenschutzrecht, Kartellrecht und Meinungsfreiheit. Wir freuen uns, mit in der Jury zu sein! Beiträge können ab sofort eingerreicht werden. Nicht nur juristische Beiträge sind gesucht, auch andere Schwerpunkte sind möglich. Teilnahmeberechtigt sind alle Interessierten, egal ob Studierende, Promovierende, Anwältinnen und Anwälte oder Hochschullehrende. Die Aufsätze werden online und in einem Sonderband veröffentlicht, die besten bekommen ein Preisgeld.

Mehr Informationen und die Teilnahmebedingungen des Aufsatzwettbewerbes:
https://rechtinnovativ.online/brandeis

5  Jahresbericht von European Digital Rights (EDRi)

Warum digitale Grundrechte wichtiger denn je sind, welche Errungenschaften für Datenschutz und Grundrechte es im letzten Jahr in Europa gegeben hat und welche Gesetze gerade europaweit heiß diskutiert werden: das steht im Jahresbericht für 2020, den European Digital Rights (EDRi) gerade veröffentlich hat. Da wir als Mitglied eng mit EDRi und den anderen europäischen Partnerorganisationen zusammenarbeiten, kommen wir darin natürlich auch vor.

Den Jahresbericht gibt es in interaktiver Form mit Videos, Zitaten und Animationen:
(englisch) https://edri.org/annual-report-2020/
Oder statisch als PDF:
(englisch) https://edri.org/annual-report-2020/assets/downloads/EDRI_AR2020_Download.pdf

6  Freie Musik-Verwertungsgesellschaft sucht Mitarbeitende

Die Cultural Commons Collecting Society (C3S) ging 2010 aus einem Projekt zur Aufklärung über Creative-Commons-Lizenzen (Open Music Contest) hervor. Die Genossenschaft durchläuft seitdem das extrem aufwendige Zulassungsverfahren als Verwertungsgesellschaft, um eine basisdemokratische Alternative zur GEMA zu werden. Das ehrenamtliche Graswurzelprojekt lebt von Menschen, die aus Überzeugung einen Teil ihrer Freizeit investieren. Aktuell sucht das Team vor allem Anwältinnen und Anwälte aus den Schwerpunkten Urheberrecht, Datenschutz oder Genossenschaftsrecht. Über die ehrenamtliche Arbeit an Satzung, Verordnungen und Verträgen hinaus braucht es Unterstützung bei der Kommunikation mit DPMA (Staatsaufsicht), Bundesjustizministerium, Landesregierungen und EU-Parlament.

Interessierte können sich melden per Mail an: office@c3s.cc.

7  Empfehlungen aus unserem Shop

Grundrechte-Report 2021: In dem seit 1997 erscheinenden Report ziehen Bürgerrechtsorganisationen eine Bilanz zum Umgang mit den Bürger- und Menschenrechten in Deutschland. In dieser Ausgabe werden unter anderem die Auswirkungen der Pandemie auf Ungleichheiten, Überwachung, Rassismus, Klima und Asyl thematisiert. Auch zu den Themen Versammlungsfreiheit, Staatstrojaner und Vorratsdatenspeicherung gibt es Beiträge.

Buch Grundrechte-Report 2021:
https://shop.digitalcourage.de/buch-grundrechte-report-2021

Kurz und Mündig: Es gibt neue Veröffentlichungen in unserer Wissensreihe Kurz und Mündig! Die verständlich geschriebenen Broschüren im handlichen A6-Format gibt es jetzt auch zu den Themen:

  • Homeoffice – Mit Datenschutz und freier Software (Band 07)
  • Digitale Bildungsangebote Schritt für Schritt erstellen (Band 08)
  • Digitale Angriffe im Büro – Tipps für alle, die beruflich Geheimnisse wahren müssen (Band 09)
  • Digitale Sicherheit für Frauenhäuser – So schützen Sie Ihre Einrichtung vor digitalen Angriffen (Band 10)
  • Versammlungsfreiheit – Gelebte Demokratie (Band 11)

Weitere Themen sind in Vorbereitung. Alle Veröffentlichungen der Reihe Kurz und Mündig:
https://shop.digitalcourage.de/thema/kurzmuendig/

8  Digitalcourage in den Medien

9  Termine

18.07.2021 (So): Demo gegen das neue Polizeiaufgabengesetz Bayern in München | https://www.nopagby.de

29.07.2021 (Do) Kinostart „Alles ist eins. Außer der 0. – Dr. Waus Chaos Computer Film” (Kinofilm über CCC-Gründer Wau Holland) | https://allesisteins.film

30.07.2021 (Fr): Letzter Tag, um im Bürgeramt einen Personalausweis ohne Fingerabdrücke zu bekommen

04.09.2021 (Sa): Großdemonstration #Unteilbar in Berlin | https://www.unteilbar.org