„Thank you for tracking with Deutsche Bahn”
Liebe Leute,
wenn ihr diese Mail bekommt, sitze ich gerade im Zug und bin unterwegs zu einem Wochenend-Ausflug. Mit einem Ticket, dass ich über die App „DB Navigator” gekauft habe. Waas? Die App, gegen die Digitalcourage gerade eine Klage vorbereitet, weil sie so viele Tracker einsetzt? Ja, ganz genau. Klar, ich hätte mir auch ein Ticket am Automaten kaufen können. Das würde für mich heißen: Einige Tage vor der Reise (denn sonst wird es teuer) 20 Minuten mit dem Auto zum nächsten Bahnhof fahren und wieder zurück. Ich würde – inklusive Parken und Ticketziehen – locker eine Stunde Lebenszeit und den Strom für das Auto verbrauchen für etwas, das ich mit der App in wenigen Minuten von zu Hause aus erledigen kann.
Unser Ziel ist es nicht, nützliche Digitalisierung zu verhindern oder zu verbieten, sondern eine menschenfreundliche Digitalisierung zu gestalten. Eine, in der ehrliche Apps wirklich nur die Daten einsammeln, die technisch notwendig sind. Und diese Informationen mit größter Sensibilität gegenüber der Privatsphäre der Nutzenden verarbeitet werden – mindestens aber unter Beachtung der geltenden Datenschutz-Gesetze.
Bei der Bahn müssen wir da leider noch ein bisschen nachhelfen. Unsere Klage wird gerade juristisch vorbereitet. Viele Menschen haben uns schon unterstützt, damit wir uns die Klage gegen die Deutsche Bahn leisten können – dafür herzlichen Dank. Aber wir brauchen noch mehr Hilfe, um die Klage selber und das ganze Drumherum finanzieren zu können. Deshalb unterstützt uns bitte, wenn ihr könnt: https://civi.digitalcourage.de/spenden-db-tracking
Mit besten Grüßen von unterwegs
Julia Witte
und das Team von Digitalcourage
Inhalt
2 Vernetzungs-Treffen: Jetzt anmelden für „Freedom not Fear”
4 DB Schnüffel-Navigator: Maue PR-Tricks statt Einsehen bei der Deutschen Bahn
5 Reclaim Your Face: Endspurt für Unterschriftensammlung
6 Fedicamp – das Fediverse trifft sich
7 Personalisierte Werbung ist ein Sicherheitsrisiko
8 Tech-Tipp: Sicher surfen ohne Tracking
9.1 Prinzip Mensch
10 Termine
11 Zum Schluss
1 Doctolib: Neues Gutachten
2021 hat die Firma Doctolib GmbH von uns einen BigBrotherAward bekommen für seine Plattform zur Vermittlung von Arztterminen. Seitdem hat das Unternehmen mit neuen Vertragsunterlagen, aufgeräumteren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Anpassungen bei der Datenverarbeitung reagiert.
BigBrotherAward-Laudator Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise zeigt in einem neuen Gutachten, dass der zentrale Kritikpunkt leider bestehen bleibt. Doctolib vermischt noch immer seine Rolle als Auftragsverarbeiter für Arztpraxen und andere Gesundheitseinrichtungen mit seinen eigenen Angeboten. Besonders offensichtlich wird das in Berlin: Dort vermittelt Doctolib Corona-Impftermine für die Berliner Gesundheitsverwaltung. So werden Menschen gezwungen, Accounts bei Doctolib einzurichten und mit dem Unternehmen eine Vertragsbeziehung einzugehen.
Wir fordern deshalb: Die Berliner Gesundheitsverwaltung muss ihre Zusammenarbeit mit Doctolib als IT-Dienstleister beim Impfmanagement zeitnah einstellen. Gleichzeitig appellieren wir auch an Tausende Arztpraxen in Deutschland: Schützt eure Patient.innen und beendet die Kooperation mit Doctolib.
Im aktuellen Gutachten des Netzwerks Datenschutzexpertise werden die Kritikpunkte an Doctolib rechtlich ausführlich begründet:
https://digitalcourage.de/blog/2022/doctolib-verstoesst-weiter-gegen-patientengeheimnis
Unsere aktualisierte Seite mit häufigen Fragen bietet Ärztinnen und Patienten Orientierung und ein neues Handblatt, das an Arztpraxen verteilt werden kann:
https://digitalcourage.de/faq-doctolib
Warum hat Doctolib 2021 einen BigBrotherAwards bekommen? Hier die Begründung zum Nachlesen oder -schauen:
https://bigbrotherawards.de/2021/gesundheit-doctolib
Damit wir hartnäckig bleiben können: Unterstützt unsere Arbeit mit eurer Spende!
2 Vernetzungs-Treffen: Jetzt anmelden für „Freedom not Fear”
„Freedom not Fear” ist ein selbstorganisiertes Barcamp. Menschen aus ganz Europa treffen sich einmal im Jahr, um für mehr Freiheit in einer digitalisierten Welt zu arbeiten, in Workshops Wissen zu teilen, gemeinsame Aktionen zu planen und sich mit anderen zu vernetzen. Auch Treffen mit EU-Politiker.innen, bei denen wir unsere Anliegen einbringen und Hintergrundinformationen bekommen, gehören dazu. In den letzten zwei Jahren musste die Veranstaltung online stattfinden. In diesem Jahr wollen wir wieder nach Brüssel fahren, und zwar vom 2. bis 5. Semptember 2022 (Freitag bis Montag). Die Anmeldung ist offen, und Vorschläge für Workshops können ab sofort eingereicht werden. Willkommen sind nicht nur alle, die schon aktiv an diesen Themen arbeiten, sondern auch alle, die noch Gleichgesinnte und den passenden Anschubser suchen. Die Veranstaltungsprache ist Englisch.
Mehr Informationen auf der Website von Freedom not Fear (Englisch):
https://www.freedomnotfear.org/
Direkt zur Anmeldung (wichtig für eine Reisekostenrückerstattung): https://civi.digitalcourage.de/fnf22
3 Gemeinsam für freie Bildung
Digitalcourage ist nun Mitglied im Bündnis Freie Bildung. Die Bündnismitglieder aus verschiedenen Bereichen der Bildungslandschaft setzen sich gemeinsam für eine Öffnung von Lehre, Lernen und Bildung ein, setzen Impulse in der Bildungspolitik und fordern die Verwendung freier Bildungsmaterialien und -zugänge. Mit unserer alltäglichen Arbeit daran, die Verwendung Freier Software an Schulen voranzubringen (z.B. durch das Netzwerk Freie Schulsoftware), passen wir perfekt in dieses Bündnis und die Visionen des Bündnisses zu uns. Wir freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit!
Aktueller Arbeits-Schwerpunkt: Die Bundesregierung will heute ihre OER-Strategie vorstellen, die sie schon lange versprochen hatte. OER („Open Educational Resources“) meint Bildungsmaterialien, die mit offenen Lizenzen (z.B. Creative Commons oder GNU General Public License) zur Verfügung gestellt werden. Auch wir fordern schon lange die Stärkung von OER und damit die Unabhänigkeit von Sponsoren, Firmen und Konzernen (siehe Digitalcourage-Bildungspaket). Das Bündnis Freie Bildung wird die lang ersehnten Maßnahmen des Bundes natürlich ganz genau unter die Lupe nehmen.
Forderungen des Bündnisses:
https://buendnis-freie-bildung.de/2022/06/30/bundesweite-oer-strategie-drei-gruende-warum-sie-jetzt-gebraucht-wird/
Digitalcourage-Bildungspaket:
https://digitalcourage.de/bildungspaket
Unser Netzwerk Freie Schulsoftware:
https://digitalcourage.de/netzwerk-freie-schulsoftware
4 DB Schnüffel-Navigator: Maue PR-Tricks statt Einsehen bei der Deutschen Bahn
Letzte Woche haben wir bekannt gegeben, dass wir an einer Klage gegen Tracker in der App „DB Navigator” der deutschen Bahn arbeiten. Viele Medien haben berichtet, und in den sozialen Medien ist viel darüber diskutiert worden. Es freut uns sehr, dass viele Menschen unsere Meinung teilen, dass gerade die Bahn – als Anbieterin einer wichtigen Infrastruktur – die Privatsphäre ihrer Fahrgäste sehr ernst nehmen sollte. Die Bahn hat zwischenzeitlich versucht, die Öffentlichkeit abzulenken, indem sie behauptet, wir wären auf ein Gesprächsangebot nicht eingegangen. Tatsächlich hatte uns die Bahn einen langen Brief als Reaktion auf unseren offenen Brief geschickt, in dem sie detailliert erklärt, dass sie ihre Trackingpraxis auch weiterhin so beibehalten will. Dieses Schreiben schließt mit der floskelhaften Aussage, dass wir uns bei Rückfragen zum Schreiben bei der Abteilung Konzerndatenschutz melden dürfen. Das ist keine Einladung zu einem fachlichen Austausch und schon gar kein Wille zu Verbesserungen – sondern ein mauer PR-Kniff. Danke, aber Rückfragen haben wir keine.
Übrigens: Weiter unten in diesem Newsletter bei unserem Tech-Tipp gibt es mehr Informationen dazu, was Tracking eigentlich ist, und auch, wie wir uns davor technisch schützen können.
Was ist das Problem bei der Bahn-App? Mehr Informationen auf unserer Übersichtsseite:
https://digitalcourage.de/db-tracking
Unsere Klage mit einer Spende unterstützen:
https://civi.digitalcourage.de/spenden-db-tracking
5 Reclaim Your Face: Endspurt für Unterschriftensammlung
Der Einsatz von biometrischer Technik, um uns zu überwachen, zu kategorisieren und unser Verhalten maschinenbasiert vorherzusagen, stellt eine Gefahr für Rechtsstaatlichkeit und unsere wichtigsten Grundfreiheiten dar. Davon ist das breite Bündnis hinter „Reclaim Your Face”, zu dem auch Digitalcourage gehört, überzeugt. Wer die Europäsche Bürger.inneninitiative noch nicht unterschrieben hat, hat jetzt die letzte Gelegenheit dazu, denn die Frist endet am kommenden Sonntag, 31. Juli 2022.
Danke an alle, die uns auf diesem langen Weg bereits unterstützt haben. Für uns ist die Arbeit damit nicht beendet: Mit viel Rückenwind werden wir auf die Verhandlungen zwischen Europaparlament und den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten zum KI-Gesetz (AI Act) einwirken und uns dort für ein Verbot biometrischer Massenüberwachung einsetzen. Jede Unterschrift stärkt uns dabei!
Nach diesem Wochenende ist es zu spät. Jetzt unterschreiben:
https://digitalcourage.de/reclaim-your-face
6 Fedicamp – das Fediverse trifft sich
Das Fediverse trifft sich im „echten Leben” – beim Fedicamp im August. Das Fediverse ist ein dezentrales Soziales Netzwerk. Wir sind ein Teil davon, weil wir eine eigene Mastodon-Instanz betreiben, bei der alle mitmachen können. Deshalb werden wir natürlich auch vertreten sein beim Fedicamp vom 4. bis 8. August 2022 beim Gasthaus Wiese im Wendland. Wir freuen uns auf ein Treffen am (digitalen) Lagerfeuer. Kurzentschlossene können sich noch anmelden und hinzukommen!
Mehr Infos zum Fedicamp:
https://fedi.camp
Was ist das Fediverse? Erklärungen in diesem Artikel aus unserer Rubrik Digitale Selbstverteidigung:
https://digitalcourage.de/fediverse
Mastodon-Instanz von Digitalcourage:
https://digitalcourage.social
7 Personalisierte Werbung ist ein Sicherheitsrisiko
ProPublica (US-amerikanische Non-Profit-Organisation für investigativen Journalismus) hat vor kurzem aufgedeckt, dass Google offenbar noch bis zum 23. Juni Real-Time-Bidding-Informationen an eine russische (vorgebliche) Werbefirma namens RuTarget geschickt hat. RuTarget gehört der russischen Sberbank. Beide fallen unter die Sanktionen.
Beim Real-Time-Bidding zockt ein ganzes Ökosystem von Werbefirmen darum, wer seine Werbung zeigen darf – in Echtzeit. Und das jedes Mal, wenn jemand eine Website besucht, die ihre Werbeplätze an solche Firmen verkauft hat. Die Informationen, die beim Real-Time-Bidding durchs Netz gepustet werden, enhalten u.a. die Geräte-ID, IP-Adresse, Standortinformationen und Surf-Gewohnheiten. Auch von Ukrainer.innen.
Wie gefährlich Googles Real-Time-Bidding ist, welches Sicherheitsrisiko es für Einzelpersonen, aber auch für ganze Staaten darstellt, hat Rena Tangens in ihrer Begründung für den BigBrotherAward 2021 an Google ausführlich erläutert. Es wäre an der Zeit, das Modell der personalisierten Überwachungswerbung endlich zu verbieten.
Recherche von ProPublica:
https://www.propublica.org/article/google-russia-rutarget-sberbank-sanctions-ukraine
BBA-Laudatio für Google 2021:
https://bigbrotherawards.de/2021/was-mich-wirklich-wuetend-macht-google
8 Tech-Tipp: Sicher surfen ohne Tracking
Nicht nur beim Benutzen der Bahn-App werden wir getrackt. Ob Cookies, Analysetools oder Werbeschnüffelprogramme: Wenn wir im Internet surfen, schaut uns eigentlich immer irgendein frecher Konzern über die Schulter. Doch dem können wir etwas entgegensetzen. Unsere AG „Digitale Selbstverteidigung” hat dem Thema gleich drei frische Artikel gewidmet: Ein Artikel, der die wichtigsten Grundlagen erklärt. Und jeweils ein Artikel zeigt konkret, wie man das am Smartphone und am PC/Laptop umsetzt. Dafür vielen Dank an alle ehrenamtlichen Mitglieder der AG Digitale Selbstverteidigung, die so viel Zeit und Herzblut in unsere Anleitungen stecken!
Grundlagenartikel: Sicher surfen ohne Tracking und Werbung:
https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung/sicher-surfen-ohne-tracking
Ja, ich möchte die Arbeit von Digitalcourage mit einer zusätzlichen Spende unterstützen!
9 Empfehlung aus unserem Shop
9.1 Prinzip Mensch
Mensch oder Algorithmus – wer entscheidet im Zeitalter sogenannter „Künstlicher Intelligenz” über unsere Zukunft? Überwältigend groß ist schon jetzt die Macht der digitalen Konzerne im Silicon Valley und damit die Bedrohung für Demokratie und Freiheit. Paul Nemitz und Matthias Pfeffer zeigen eindrücklich, wie die derzeitigen Versuche ethischer Regulierung von Künstlicher Intelligenz zu kurz greifen. Nemitz ist Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung und war maßgeblich mitverantwortlich für die Einführung der EU-Datenschutzgrundverordnung. Pfeffer beschäftigt sich als freier TV-Journalist und Produzent mit dem Thema Künstliche Intelligenz.
„Prinzip Mensch” von Paul Nemitz und Matthias Pfeffer im Online-Shop von Digitalcourage:
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-buecher-und-broschueren/buch-prinzip-mensch.html
9.2 RFID-sichere Geldbörse
Die Geldbörse schützt Ihre Bankkarten und Dokumente vor kontaktlosem Diebstahl, indem sie verhindert, dass sich NFC-/RFID-Karten mit dem Terminal verbinden. Das Schutzmaterial ist ein in Deutschland hergestelltes Silbergewebe, das normalerweise zum Schutz von Astronauten vor kosmischer Strahlung verwendet wird.
RFID-sichere Geldbörse im Online-Shop von Digitalcourage:
https://shop.digitalcourage.de/rfid-safe-geldboerse.html
10 Termine
- 4.–8. August 2022: Fedicamp, Gasthaus Wiese im Wendland
https://fedi.camp - 2.–5. September 2022: Freedom not Fear, Mundo B, Brüssel
https://www.freedomnotfear.org/
11 Zum Schluss
Mit Hilfe der Anleitung aus unserem Tech-Tipp konnte übrigens mittlerweile auch unsere Editorial-Schreiberin ihr Smartphone ein bisschen sicherer vor den Trackern der Bahn-App machen. Nichtsdestotrotz bleibt unsere Klage nötig – denn wir wollen Privatsphäre für alle, ohne dass jede und jeder einzelne sie erst wieder den Anbietern abringen muss.
Digitalcourage e.V.
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