Couragiert erklärt

Personalisierte Werbung & Online-Tracking

Ständig diese Cookie-Banner! Cookies und Werbung sind nicht nur nervig. Sie bedrohen auch unsere Privatsphäre, Demokratie und Gesundheit. Wir erklären die Hintergründe.
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Waage: Geld gegen Privatsphäre von Internetnutzer*innen

Cookies und Tracking

Welche Fußspuren hinterlassen wir im Web?

Überwachungsbasierte Werbung beruht auf der massenhaften Erhebung, Speicherung und Analyse unserer persönlichen Daten. Aber wie werden wir im Internet überhaupt wiedererkannt?
Website-Betreiber und Werbenetzwerke nutzen verschiedene Erkennungsmerkmale, über die wir, egal auf welcher Webseite, eindeutig identifiziert werden können.

Ein viel genutztes Erkennungsmerkmal sind Cookies. Tracking-Cookies, die zur Verfolgung unserer Aktivitäten im Internet genutzt werden, kann man über Werbeblocker blockieren.

Eine weitere Identifikation erfolgt über unsere IP-Adresse. Eine IP-Adresse kann man sich wie eine Wohnadresse vorstellen, aber im Internet. Diese Adressierung sorgt dafür, dass elektronische Nachrichten im Internet ihren Weg zum Ziel finden. IP-Adressen sind einzigartig für ein Gerät in einem Netzwerk, d. h. wenn man mit seinem Handy das Heimnetzwerk verlässt und sich im WLAN im Zug anmeldet, wechselt die IP-Adresse. Mit VPN-Diensten und dem Tor-Browser kann man seine eigentliche IP-Adresse verstecken.

Je nachdem, welchen Browser und welchen Computer wir verwenden, hinterlassen wir einen eindeutigen Fingerabdruck, wenn wir Webseiten besuchen. Das liegt daran, dass viele verschiedene Eigenschaften (z. B. die Bildschirmgröße oder -auflösung des Computers) und Einstellungen (z. B. die im Browser ausgewählte Sprache) beeinflussen, wie unser Browser mit anderen Computern im Internet kommuniziert. Jeder Nutzer und jede Nutzerin hat so eine einzigartige Kombination dieser identifizierbaren Eigenschaften. Der Browser-Fingerabdruck ist besser geschützt, wenn man Javascript im Browser deaktiviert. Das kann aber zur Folge haben, dass man bestimmte Webseiten nicht mehr wie gewohnt nutzen kann. Der Tor-Browser ist resistenter gegen Browser-Fingerprinting als andere Browser.

Was sind eigentlich diese Cookies?

Cookie-Banner haben wir alle schon tausend Mal weggeklickt. Aber was sind eigentlich Cookies und werden sie wirklich gegessen?

Cookies sind Datenschnipsel, welche uns von Websites beim ersten Besuch angeboten werden. Wenn wir zustimmen, werden die Cookies in unserem Browser gespeichert.
Jedes Mal, wenn wir eine Website aufrufen, schaut der Browser nach, ob er passende Cookies für diese Seite gespeichert hat, und schickt diese mit der Anfrage zusammen an den Web-Server. Dadurch weiß der Server dann, dass wir diese Website vorher schon mal besucht haben, und kann uns z. B. beim Online-Shopping direkt einem bestimmten Kundenkonto zuordnen, individuelle Seiten-Einstellungen berücksichtigen (etwa eine Sprach-Präferenz) oder sich merken, welche Produkte bereits im Warenkorb liegen.

Aber Achtung: Mit Cookies kann ein Gedächtnis unserer Aktivitäten im Internet entstehen. Sie werden vor allem dafür genutzt, um Informationen über unsere Identität, Eigenschaften und Interessen zu sammeln. Diese Informationen stehen nicht direkt im Cookie, sondern werden auf den Web-Servern gespeichert, aber das Cookie sagt dem Web-Server, welche der gespeicherten Datensätze zu uns gehören. Diese Datenspeicherungen werden für Werbezwecke und Überwachung ausgenutzt. Wir verlieren die Kontrolle darüber, wie wir im Netz gesehen werden und wer unsere Daten besitzt.

Eine Website hat oft unterschiedliche Cookies „im Angebot“. Manche Cookies werden als technisch notwendig klassifiziert und andere als einwilligungspflichtig (und nicht technisch notwendig).

Technisch notwendige Cookies sind Cookies, die für den korrekten Betrieb von Websites benutzt werden. Notwendig sind für viele Anwendungsfälle z. B. sogenannte „Session-Cookies“. Das sind kurzfristig gespeicherte Cookies, mit denen jeder zusammenhängende Besuch auf einer Website identifiziert wird. Das ermöglicht beispielsweise, dass der Einkaufswagen in einem Online-Shop korrekt funktioniert, oder dass wir für den Zeitraum eines Besuchs im Online-Banking eingeloggt bleiben.

Einwilligungspflichtige Cookies sind nicht technisch notwendig. Die Verwendung solcher Cookies ist nur dann erlaubt, wenn die Nutzer.in dem zugestimmt hat. Das sind vor allem solche Cookies, die langfristig Informationen über Website-Besuche und unser Online-Verhalten speichern. Solche Tracking-, Marketing- oder Drittanbieter-Cookies werden dazu genutzt, soviel wie möglich über uns herauszufinden und ein möglichst genaues Profil unserer Interessen und Eigenschaften zu erstellen. So werden wir mehr und mehr zur Zielscheibe für personalisierte Werbung.

Um sich besser vor dieser Überwachung zu schützen, sollte man nicht notwendige Cookies immer verbieten (das geht im Cookie-Banner). Außerdem kann man in den Browser-Einstellungen vorhandene Cookies löschen und bestimmen, welche Cookies immer blockiert werden sollen.

Sind kostenlose Online-Dienste wirklich kostenlos?

Viele Dienste, die wir im Internet verwenden, sind scheinbar kostenlos, z. B. Clouddienste, Social Media Plattformen oder Suchmaschinen.
Obwohl man nichts für diese Dienste bezahlen muss, verdienen Unternehmen wie Google, die diese Dienste zur Verfügung stellen, unvorstellbare Summen im Jahr. Das ist kein Widerspruch: Wir sind nämlich gar nicht die Kundin, sondern das Produkt. Die eigentlichen Kunden sind Unternehmen, die Werbung platzieren, und Unternehmen, die mit persönlichen Daten handeln. Und unsere Aufmerksamkeit ist das eigentliche Produkt, mit dem so viel Geld gemacht wird.

Letztendlich lohnt es sich für uns also, wenn wir selbst für Online-Dienste bezahlen, denn der Preis der Überwachung ist für uns wesentlich höher.

Browser-Erweiterungen: Wie kann ich mich besser vor Tracking-Cookies schützen?

Sprachliche Tricks und manipulatives Design (Dark Patterns) machen es uns so schwierig wie möglich, Tracking und nicht notwendige Cookies abzulehnen. Wichtig: Das ist kein Problem, an dem der Datenschutz schuld ist. Ginge es um Datenschutz, so könnten wir ganz frei entscheiden, ob wir der Nutzung von Cookies zustimmen oder nicht. Aber wenn das Widersprechen viel komplizierter und aufwendiger ist als die Zustimmung, dann ist die Entscheidung nicht frei.

Damit es nicht zu einer endlosen Aufgabe wird, unsere Daten zu schützen, wollen wir an dieser Stelle zwei Browser-Erweiterungen empfehlen. Diese können dabei helfen, die Flut an Abfragen zu bewältigen:

uBlock Origin blockiert Tracking-Cookies.

Cookie AutoDelete löscht automatisch alle Cookies, wenn ein Tab geschlossen wird. Dann ist es egal, was man vorher im Banner angeklickt hat. Diese automatische Löschfunktion muss explizit eingestellt werden.

Tor-Browser: Wie kann ich anonym im Web surfen?

Eine sichere Möglichkeit, Tracking zu vermeiden, ist der Tor-Browser. Der Tor-Browser ist eine Alternative zu anderen Browsern (z. B. Mozilla Firefox oder Google Chrome) und er ermöglicht es, anonym im Internet zu surfen.

Wenn Sie eine Webseite aufrufen, dann tauschen Ihr Browser und der Web-Server, auf dem die Seite liegt, eine Reihe an Nachrichten aus¹. Wie bei einem Brief sind auch bei einer Internet-Nachricht die virtuellen Adressen von Absenderin und Empfänger von außen lesbar. Dadurch kann jeder, der sich auch nur ein bisschen auskennt, sehen, wann Sie welche Webseiten aufgerufen haben.

Die Funktionsweise von Tor sorgt dafür, dass Sender und Empfänger einer Nachricht nicht mehr miteinander in Verbindung gebracht werden können. Das kann man sich (ganz grob) so vorstellen:

Alice möchte eine Botschaft an Bob schicken, möchte aber nicht, dass das jemand weiß (auch Bob soll nicht wissen, dass die Botschaft von ihr ist).
Alice schickt einen Brief an Emerald. Dieser findet darin einen weiteren Briefumschlag, der an Caroline addressiert ist. Also schreibt er seinen Namen als Absender und gibt den Brief wieder in die Post. Caroline erhält den Brief von Emerald. Darin findet sie einen weiteren Briefumschlag, der an Tommy addressiert ist. Also schickt sie ihn an Tommy. Tommy findet darin einen Briefumschlag, der an Bob addressiert ist. Und endlich erreicht die Nachricht Bob, aber niemand auf dem Weg kannte die direkte Verbindung zwischen Alice und Bob, sondern immer nur die direkte Vorgängerin und den direkten Nachfolger.

Emerald, Caroline und Tommy repräsentieren Computer im Tor-Netzwerk, die extra dafür da sind, um die wahren Sender und Empfänger einer elektronischen Nachricht zu verschleiern. Die Briefumschläge stehen für Verschlüsselung, sodass jeder Knotenpunkt wirklich nur die Adressen seiner Vorgängerin und seines Nachfolgers lesen kann.

Mit Tor kann also niemand nachvollziehen, wer wann welche Webseite aufgerufen hat.

Dark Patterns

Warum sind Cookie-Banner so nervig gestaltet?

Wer beim Surfen im Web Cookies ablehnen möchte, merkt schnell: Das ist gar nicht so einfach! Da es nämlich oft unintuitiv und aufwendig ist, abzulehnen, klickt man - aus Versehen oder entnervt - oftmals dann doch wieder auf "Akzeptieren".

Tagtäglich begegnen wir solchen Hindernissen, genannt „Dark Patterns“, im Internet: Websites werden dabei so entworfen, dass sie uns zu einem bestimmten Handeln verleiten und uns zum Beispiel ungewollte Tracker, Einkäufe oder Newsletter unterjubeln.

Dark Patterns (deutsch: dunkle Muster) erschleichen sich unsere Einwilligung durch verwirrende Sprache oder den manipulierenden Einsatz von Farben, Größen und Positionen bei Texten und Buttons. Cookie-Banner sind zum Beispiel oft so entworfen, dass es viel einfacher ist, alle Cookies zu akzeptieren, als zu widersprechen. Während uns der „Akzeptieren“-Button groß und bunt entgegenleuchtet, ist der Button zum Widersprechen oftmals kaum mit dem bloßen Auge erkennbar oder existiert schlicht nicht. Dann muss man mühsam alle Cookies einzeln deaktivieren. Und wer hat schon die Zeit, das für jede Website aufs Neue zu tun? Dark Patterns sind nicht nur nervig, unethisch und manipulativ, sondern oft auch illegal.

Verstoßen manipulative Cookie-Banner gegen die DSGVO?

Seit 2018 gilt die DSGVO, also die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Unzählige Cookie-Banner verstoßen gegen die DSGVO. Darin ist nämlich festgelegt, dass unsere Zustimmung zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten (z. B. in Form von Cookies) fair und transparent abgefragt werden muss. Konkret heißt das u. a.: Das Ablehnen von Cookies muss für die Nutzerin genauso einfach sein wie die Einwilligung. Es muss also eine klare "Ja"- oder "Nein"-Option auf der ersten Seite des Banners geben. Laut DSGVO müssen Cookie-Banner unsere Einwilligung „in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“ abfragen (Art. 7). Die Einwilligung muss außerdem freiwillig erfolgen, d. h. die Nutzerin muss eine echte Wahl haben und darf beim Ablehnen nicht von der Webseite ausgeschlossen werden.

Im Sommer 2021 hat die europäische Datenschutzorganisation „noyb“ zunächst 500 Website-Betreiber mit DSGVO-widrigen Cookie-Bannern vorgewarnt und schließlich 422 formelle DSGVO-Beschwerden gegen diese Unternehmen eingereicht.

Online-Werbung

Was ist überwachungsbasierte Werbung?

Überwachungsbasierte Werbung beruht auf der massenhaften Sammlung und Auswertung von persönlichen Daten. Werbeanzeigen sollen dabei möglichst individuell auf jede Person abzielen, damit der Erfolg der Werbung so hoch wie möglich ist. Solche personalisierten Anzeigen findet man online beim Besuch von Websites, die sich über Werbeeinnahmen finanzieren, aber sie können auch durch den Briefkasten geflattert kommen.

Überwachungsbasierte Werbung unterscheidet sich von anderen Werbemodellen, weil es nicht mehr darum geht, einfach nur möglichst viele Menschen mit einer Anzeige zu erreichen, etwa mit einem Plakat an einem gut sichtbaren Ort. Stattdessen soll eine Werbung vor allem den Menschen gezeigt werden, die von dieser Werbung möglichst gut beeinflusst werden könnten. Um diese Zielgruppe zu finden, werden massenweise persönliche Daten über die Nutzer.innen ausgewertet. Das bedroht unsere Privatsphäre und öffnet Tür und Tor für politische Überwachung.

Es gibt aber auch eine Lösung ohne Überwachung, die mindestens genauso effektiv für Werbetreibende ist: Kontextabhängige Werbung. Hier zielen Werbeanzeigen nicht auf individuelle Menschen ab, sondern auf Inhalte. Das bedeutet zum Beispiel konkret: Neben einem Artikel über die besten Wanderrouten in Bayern landet eine Anzeige für Wanderschuhe. Seit 2018 hat beispielsweise die New York Times in Europa auf kontextbasierte Werbung umgestellt, und sie generiert damit sogar mehr Einnahmen als mit personalisierter Werbung.

Welche Player beherrschen die globale Werbeindustrie?

Spätestens nach einer hitzigen Runde Monopoly weiß man: Wenn einem Spieler alles gehört, dann nervt das. Digitale Datenmonopole sind nicht nur nervig, sondern vor allem gefährlich für unsere Privatsphäre und unsere Demokratie.

Die großen Monopolisten, die den Markt mit unseren Daten beherrschen, sind Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft.
Zu Google (die als „Alphabet“ firmieren) gehören natürlich alle Dienste, die Google im Namen haben, aber auch Chrome, Android und YouTube und vieles mehr. Der Facebook-Konzern (der sich heute „Meta“ nennt) besitzt auch Instagram und WhatsApp. Und Amazon ist nicht nur der Online-Shop, sondern steckt auch hinter Audible, Alexa und Kindle.

In einer Welt, in der Wissen – also Informationen und somit Daten – Macht bedeutet, gewinnen Datenmonopolisten auch immer mehr Einfluss gegenüber demokratischen Staaten.

Ende 2020 hat die Europäische Kommission ein Paket aus zwei Gesetzenentwürfen vorgeschlagen: Der Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA), also Gesetze über digitale Märkte und digitale Dienste.
Wenn diese Gesetze verabschiedet werden, sollen sie dafür sorgen, dass für die großen Internet-Monopolisten strengere Regeln gelten und die extreme Machtkonzentration von Google, Facebook, Amazon und Co. endlich gebrochen wird. Unternehmen sollen nämlich durch das Gesetz als sogenannte „Gatekeeper“ eingestuft werden können. Gatekeeper (deutsch: Türwächter), versperren kleineren Unternehmen den Zugang zu digitalen Märkten.
Wenn diese Gesetze richtig gestaltet werden, sind sie eine echte Möglichkeit, um die Macht von Google, Facebook und Co. einzuschränken und demokratische Freiheiten und Werte vor dem Einfluss dieser Unternehmen zu schützen.

Bis die Gesetze über digitale Märkte und Dienste verabschiedet werden, müssen sie noch durch das Europäischen Parlament und den EU-Rat gehen. Wir haben unsere Forderungen dazu eingebracht und bleiben weiterhin an diesem Prozess dran.

Werbenetzwerke: Wer steckt hinter der Online-Werbeindustrie?

Die Online-Werbeindustrie sorgt dafür, dass wir durch Tracking und Drittanbieter-Cookies bei all unseren Aktivitäten im Internet überwacht werden. Werbenetzwerke (englisch: ad networks) spielen eine zentrale Rolle in der Online-Werbeindustrie und lassen sich mit den Werbeagenturen der Offline-Werbung vergleichen. Werbenetzwerke arbeiten mit Website-Betreibern zusammen, verwalten verfügbare Werbeflächen und verkaufen sie zu einem festgelegten Preis an Werbekundinnen.

Werbenetzwerke wie Google Ads gewinnen auf gefährliche Art und Weise an Marktmacht und machen Website-Betreiber von sich abhängig.
Das liegt zum einen daran, dass sie als Mittelsperson zwischen Werbeflächenanbieterinnen und Werbekunden Preise kontrollieren können. Vor allem, wenn Werbefläche und Werbenetzwerk der gleichen Firma gehören (Beispiel: Google Ads verkauft einen Anzeigenplatz vor einem YouTube-Video), kann man kaum noch von einem freien Wettbewerb sprechen.
Zum anderen gewinnen Werbenetzwerke immer mehr Macht im System der personalisierten Werbung, da sie Nutzerdaten sammeln und von Drittanbietern ankaufen. Dadurch haben wenige Konzerne, vor allem Google, ein Monopol auf unsere Daten und kontrollieren die Preise auf dem Werbemarkt zu ihren Gunsten.

Das führt dazu, dass immer mehr Geld bei den großen Monopolisten landet und immer weniger Geld bei denjenigen ankommt, die ihre Online-Inhalte durch Werbeanzeigen finanzieren (z. B. Nachrichtenseiten).

Real Time Bidding: Wie funktioniert das Geschäft mit meiner Aufmerksamkeit?

Real Time Bidding (in etwa: Echtzeit-Gebote) ist ein Prozess, bei dem Werbeflächen und Daten von Nutzerinnen und Nutzern versteigert werden. Diese virtuelle Auktion findet in Sekundenbruchteilen statt, und zwar jedes Mal, wenn wir eine Webseite mit personalisierter Werbung aufrufen.
Bevor die angefragte Webseite geliefert wird, wird entschieden, welche Anzeigen denn nun auf der verfügbaren Werbefläche erscheinen sollen. Dazu findet eine elektronische Auktion statt: Das Versteigerungsobjekt ist die Werbefläche, also unsere Aufmerksamkeit. Die Bietenden sind Firmen, die Werbung schalten wollen. Anhand unserer persönlichen Daten entscheiden sie, wieviel ihnen unsere Aufmerksamkeit wert ist. Wenn die angeforderte Website dann geladen ist, sehen wir die Anzeige des Auktionsgewinners.

 

Eingeleitet wird so eine Auktion, sobald wir eine Webseite abrufen. Um die verfügbaren Werbeplätze möglichst gewinnbringend zu verkaufen, werden sogenannte Bid Requests (deutsch: Gebot-Anfragen) mit unseren persönlichen Daten verbreitet. Diese Anfragen, werden an Unternehmen geschickt, damit sie entscheiden können, ob und wieviel sie für den vorhandenen Werbeplatz zahlen wollen.

Ein Bid Request enthält standardmäßig die folgenden Daten: Eine individuelle Nutzer.innen-Identifikation, die Adresse der aufgerufenen Webseite, unser Geburtsjahr, Geschlecht, unseren aktuellen Standort und unsere IP-Adresse. Außerdem unsere Interessen und andere persönliche Eigenschaften und Informationen. Solche Daten wurden bei unseren vorherigen Besuchen auf der Website gesammelt, von externen Datenhändlern eingekauft oder aus unserem existierenden Profil abgeleitet.

Bei einem Klick werden alle diese Informationen an Firmen verschickt, welche die Daten abspeichern und auch kopieren und weiternutzen könnten. Das wäre illegal, aber eine Kontrolle darüber ist technisch nicht möglich, sobald die Daten verschickt sind.

 

Zur Vermittlung zwischen Werbekundinnen und Anbietern gibt es Plattformen, die den Prozess von Angebot und Nachfrage regeln.

„Demand-Side-Plattformen“ (Plattformen für Nachfrage) vertreten bei diesen Auktionen die Firmen, die Werbung schalten wollen. Sie vereinfachen das Bieten und ermöglichen Werbekunden bei unterschiedlichen Anbietern Werbeplätze zu ersteigern.
„Supply-Side-Plattformen“ (Plattformen für Angebot) vertreten Website-Betreiber, welche freie Werbeflächen anbieten. Sie vernetzen sich mit DSPs, um möglichst viele Gebote und hohe Preise für die Werbeflächen der Anbieter zu bekommen.

SSPs und DSPs verdienen Geld an dem undurchsichtigen Geschäft mit unseren Daten. Da jeweils 50–60% der SSPs und DSPs, sowie ein großer Teil der Werbeanbieter zu Google gehören, gibt es zudem eine Wettbewerbsverzerrung, welche den Einfluss des Konzerns weiter untermauert.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Personalisierte Werbung destabilisiert Demokratien.

Hier ein paar Fallbeispiele, die nachdenklich machen.

Anfang 2021 wurde das US-Kapitol in Washington von Trump-Anhänger.innen gestürmt. Das Tech Transparency Project fand heraus, dass danach bei einigen Facebook-Nutzer.innen Werbeanzeigen für Waffen angezeigt wurden – direkt neben extremistischen Inhalten und Nachrichten, die über den Angriff berichteten.

Bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 haben russische Agenturen politische Werbekampagnen auf Facebook bezahlt, die insgesamt 126 Millionen Menschen angezeigt bekamen. Diese Anzeigen zielten offensichtlich darauf ab, bestehende gesellschaftliche Gräben zu vertiefen, Hass gegen marginalisierte Gruppen zu verbreiten und Wähler.innen für Trump zu mobilisieren.

Auch kurz vor den deutschen Bundestagswahlen 2021 zeigte sich eine erhöhte Werbeaktivität von russischen Medien auf sozialen Medien, vor allem auf YouTube, Facebook und Twitter. Dabei wurden Anti-Impf-Propaganda und Desinformation zum Thema Covid-19 verbreitet und teilweise hunderttausendfach aufgerufen. Das hatte zur Folge, dass im September 2021 der YouTube-Kanal des russischen Senders RT (Russia Today) Deutsch gesperrt wurde.

Propaganda-Kampagnen wie diese sind durch personalisierte Werbung extrem gefährlich, da sie auf besonders anfällige Menschen abzielen und damit Demokratien destabilisieren können.

Tracking belastet das Klima.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 ist die Online-Werbeindustrie für zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen durch Internet-Infrastrukturen verantwortlich. Absolut bedeutet das: 60 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht dem Ausstoß von

Circa. Und das, obwohl die Studie nur direkte Emissionen berücksichtigt, die aus dem Übermitteln von Werbeanzeigen an die Nutzer.innen entstehen. Eine Studie von 2021 geht davon aus, dass diese Zahl deutlich zu niedrig ist. Hinzu kommt, dass die Industrie in den letzten fünf Jahren weiter gewachsen ist und mehr und mehr energieaufwendige KI-Algorithmen zur Datenanalyse eingesetzt werden.

Durch das Verbot von überwachungsbasierter Werbung würden wir also nicht nur unsere Privatsphäre, Psyche und demokratische Stabilität schützen, sondern wir könnten auch große Mengen an Treibhausgasen einsparen, da weniger Energie für das Erfassen, das Speichern und die Analyse persönlicher Daten verschwendet würde.

Überwachungsbasierte Werbung gefährdet unabhängigen Journalismus.

Personalisierte Anzeigen und Tracking haben direkte negative Auswirkungen auf unabhängige Berichterstattung, die gesellschaftliche Funktion des Journalismus, und die Pressefreiheit.

Unabhängigkeit & wirtschaftliche Grundlage
Kostenlose Online-Angebote von privatwirtschaftlichen Medien finanzieren sich überwiegend durch Werbung.¹ Dadurch sind Medienschaffende verstärkt abhängig von der Werbeindustrie. Durch personalisierte Werbung und Tracking kommen außerdem immer weniger Werbeeinnahmen bei den Medienschaffenden an, da ein großer Teil der Einnahmen im System selbst verbleiben: Bei Vermittlungsagenturen, Daten-Dienstleistern und Werbenetzwerken.
Es gibt eine Lösung: Kontextbasierte Werbung macht Zeitungen und andere Medien unabhängig von Tracking-Dienstleistern und sichert Medienschaffenden einen größeren Anteil vom Werbegeld. Die internationale Ausgabe der New York Times setzt seit 2018 kontextbasierte statt personalisierter Werbung ein und hat seitdem höhere Werbeeinahmen.

Gesellschaftliche Funktion
Personalisierte Werbung und Empfehlungsalgorithmen forcieren die Bildung von Filterblasen, in denen parallele Wirklichkeiten entstehen. Jede Filterblase kennt ihre eigenen „alternativen Fakten“ und filtert und verbreitet ihre eigenen Nachrichten. Einen „öffentlichen Diskurs“ miteinander gibt es so kaum noch. Stattdessen wird aneinander vorbei argumentiert, da gar nicht mehr auf dem gleichen Fundament, der gleichen (subjektiven) „Realität“ aufgebaut werden kann. Journalistische Medien können so immer weniger ihre wichtige demokratische Funktion als Informant.innen und Vertreter.innen der gesellschaftlichen Meinung erfüllen.

Pressefreiheit
Die Bildung von voneinander getrennten Filterblasen führt auch zu einer zunehmenden Radikalisierung im Netz. Diese Entwicklung gefährdet die Pressefreiheit, denn sie führt dazu, dass radikalisierte Bewegungen Journalist.innen zu ihrem Angriffsziel machen: Berichterstattung, die nicht der eigenen Wirklichkeit entspricht, wird als Lüge und Verrat bezeichnet. Journalist.innen werden zunehmend bedroht und gewaltsam angegriffen.  Begriffe wie „Lügenpresse“, „Fakenews“ und „Volksverräter“ sollen öffentlichen Medien ihre Glaubwürdigkeit nehmen. Die NGO Reporter ohne Grenzen stuft den Zustand der Pressefreiheit 2021 in Deutschland deshalb nicht mehr als „gut“ ein.

¹ Bei manchen Inhalten kann man sich sogar aussuchen, ob man für das Online-Angebot bezahlt oder Tracking erlaubt.

Personalisierte Anzeigen fördern Falschinformationen und Radikalisierung.

Wir alle leben in einer „Blase“, denn wir umgeben uns oft vor allem mit Menschen, die ähnliche Interessen, Lebensläufe und politische Meinungen haben. Empfehlungsalgorithmen und personalisierte Anzeigen im Internet verstärken dieses Phänomen extrem, zum Beispiel so: Hat man einmal auf ein Video über eine Kriegsreportage geklickt, werden einem immer weiter „ähnliche“ Inhalte vorgeschlagen – dabei kann es sich auch um ethisch oder inhaltlich „falsche“ Informationen handeln. Solche Falschinformationen werden tatsächlich viel empfohlen, da sie viel Aufmerksamkeit erregen und dadurch beliebt erscheinen. Mit genug Neugier führt diese Spirale irgendwann zu Verschwörungsmythen und plötzlich wissen Sie gar nicht mehr, wie Sie dorthin gekommen sind. In den Kommentaren begegnen Sie dann Menschen, die sich in einer ähnlichen Spirale befinden, und der Übergang zu radikalisierenden Inhalten und Foren ist fließend.

Trotz wachsender Kritik in den letzten Jahren schaffen es Plattformen wie YouTube nicht, solche Inhalte von ihren Empfehlungsalgorithmen auszuschließen. Unsere Ansicht ist, dass alle Plattformen wie YouTube und Facebook etc. für eine gesellschaftsverträgliche Kommunikation ungeeignet sind.

Tracking führt zu Diskriminierung.

Wenn zwei Menschen die gleiche Webseite abrufen, werden sie sehr wahrscheinlich unterschiedliche Werbeanzeigen sehen, denn personalisierte Werbung basiert auf unserer Herkunft, Hautfarbe, Sexualität, unserem Alter, unseren Interessen, etc. Die Möglichkeit, Menschen auf Basis dieser persönlichen Daten zu clustern, macht das System der personalisierten Werbung sehr anfällig für Diskriminierung.

Ungerechtigkeiten und Vorurteile, die in einer Gesellschaft existieren, werden durch datenverarbeitende Algorithmen nicht aufgehoben, sondern verstärkt. Das liegt daran, dass Algorithmen von Menschen entwickelt werden und auf Daten basieren, in denen sich gesellschaftliche Ungleichheiten widerspiegeln.

Dass dieses Risiko nicht nur theoretisch ist, verdeutlicht Facebooks „Racial Ad Profiling“: Lange Zeit gab es für Werbetreibende die Option, ihre Anzeigen vor Menschen mit bestimmter Herkunft zu verbergen. So wurde von Fällen berichtet, in denen Menschen, die Facebook als Hispano- oder Afroamerikaner einordnete, von Job- oder Wohnungsanzeigen ausgeschlossen wurden. Auch wenn diese rassistische Funktion mittlerweile deaktiviert wurde: Informationen über unsere Herkunft werden im System der personalisierten Werbung weiterhin erfasst und werden zum Teil unseres Online-Profils. Das erlaubt Diskriminierung in großem Umfang.

Personalisierte Anzeigen schaden unserer Psyche.

Personalisierte Anzeigen halten uns in Filterblasen gefangen, in denen wir immer wieder mit ähnlichen Inhalten, Meinungen und Idealen in Kontakt kommen. Dadurch können sich verzerrte Bilder von der Realität und von uns selbst festsetzen. Studien haben gezeigt, dass Teenager, vor allem junge Mädchen, durch Instagram Essstörungen und Depressionen entwickeln. Erst vor Kurzem wurde durch die Whistle-Blowerin Frances Haugen bekannt, dass der Facebook-Konzern von diesen Auswirkungen sehr genau weiß und trotzdem nichts dagegen unternimmt. Im Gegenteil: Man arbeitet bereits an einer Instagram-Version für Kinder, um künftig noch jüngere Menschen von der Plattform abhängig zu machen.

Aus Werbesicht sind unsere Unsicherheiten eine Ressource, aus der sich richtig viel Geld machen lässt. Diese Erkenntnis gab es schon lange, bevor es Online-Werbung gab: Wenn ich Frauen einrede, dass sie zu dick sind, kaufen sie viel eher meine Diät-Produkte.

Gezielte Online-Werbung nutzt unsere Schwächen, die durch Tracking beobachtet werden, aus. Durch überwachungsbasierte Empfehlungsalgorithmen kann die Online-Werbeindustrie aber noch einen Schritt weiter gehen: Empfohlene Inhalte und personalisierte Filterblasen führen bei vielen Menschen dazu, dass sich bestimmte Unsicherheiten überhaupt erst entwickeln können. Diese werden dann wiederum durch personalisierte Anzeigen ausgenutzt.

Ein Teufelskreis, dem wir nur durch die Abschaffung von personalisierter Werbung entkommen können.

Überwachungsbasierte Empfehlungen machen süchtig.

Vielleicht kennen Sie den Moment, in dem Sie realisieren, dass Sie gerade viel zu lange irgendwelche Videos angeschaut haben, obwohl Sie das gar nicht vorhatten. Oder Sie haben endlos irgendwelche Nachrichtenartikel gelesen, immer weitergeleitet durch die Empfehlungen neben dem aktuellen Artikel.
Das ist nicht Ihre Schuld!

Webseiten, die mit Werbung Geld verdienen, sollen uns möglichst süchtig machen. Denn je länger wir uns auf einer Website aufhalten, desto mehr Werbung wird uns angezeigt und desto mehr Gewinn kann mit unserer Aufmerksamkeit gemacht werden. Empfehlungsalgorithmen werten unser bisheriges Online-Verhalten aus und wissen, mit welchen Inhalten sie unsere Aufmerksamkeit bekommen können. Im System der personalisierten Werbung werden solche Informationen über uns nämlich ständig gesammelt, gespeichert und ausgewertet.

Was Sie tun können

Machen Sie Ihren Browser fit gegen Tracking.

Mit den richtigen Einstellungen und Erweiterungen können Sie Ihren Browser in ein paar Minuten so einrichten, dass er Tracking und Cookies besser verhindert. Wie das geht, beschreiben wir in der Rubrik Digitale Selbstverteidigung.

Widerstehen Sie Cookies.

Ja, Cookie-Banner wegklicken ist schrecklich nervig. Aber die oben aufgezählten Gefahren von Online-Tracking machen deutlich: Einfach immer "Ok" klicken, ist nicht Ok. Achten Sie dabei darauf, nur die technisch notwendigen Cookies zu akzeptieren. Und Achtung: Cookies, die unter "Berechtigtes Interesse" geführt werden, sind in der Regel nicht technisch notwendig.

Werden Sie politisch aktiv.

Personalisierte Werbung führt zu Überwachung und Manipulation der breiten Bevölkerung. Dieser Gefährdung der Demokratie müssen wir uns politisch entgegenstellen.
Kontaktieren Sie doch z.B. einmal Ihren Abgeordneten bzw. Ihre Abgeordnete im Bundestag oder EU-Parlament und fordern Sie ihn oder sie auf, sich gegen Online-Tracking einzusetzen. Als Argumentationshilfe können Sie die oben genannten gesellschaftlichen Auswirkungen der personalisierten Werbung verwenden. (Tipp: Anrufen ist oftmals sehr viel wirksamer als eine E-Mail!)

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