Netzneutralität – oder die drohende Ungleichbehandlung im Internet

Bisher kennen wir das Internet als ein offenes und freies Netz. Diese Eigenschaften sind die Voraussetzung dafür, eine für alle Menschen gleichermaßen nutzbare Plattform zu schaffen und zu erhalten. Ein Plädoyer von Carmen Simella.
Bild
Das Wort „Netzneutralität“ aus Eicheln gelegt (auf blauem Grund).

Bisher kennen wir das Internet als ein offenes und freies Netz. Diese Eigenschaften sind die Voraussetzung dafür, eine für alle Menschen gleichermaßen nutzbare Plattform zu schaffen und zu erhalten. Jedes Datenpaket muss im Netz gleich behandelt werden – unabhängig von Absender und Empfänger, dem verwendeten Dienst und Tarif. Das ist die Definition von Netzneutralität.

Nun entscheidet die aktuelle Abstimmung im europäischen Parlament richtungsweisend darüber, wie frei, vielfältig und universell das Internet in Zukunft zu nutzen sein wird. Der durch die EU-Kommission eingebrachte Vorschlag zur Verordnung „über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation“ liegt aktuell beim EU-Parlament. Dort wird es in verschiedenen Komitees bearbeitet, federführend allerdings durch das Komitee für Industrie, Forschung und Energie (kurz ITRE). Die Verordnung soll sogar noch vor den Parlamentswahlen im Mai 2014 beschlossen werden.

Die Abstimmung entscheidet darüber, wie wir das Internet weiter benutzen können.

Mit der neuen Verordnung droht sich einiges zum Schlechten zu ändern: Das Internet wird sich in ein von großen Telekommunikationsanbietern kontrolliertes und gestaltetes Netz verwandeln. Die bisherige Gleichbehandlung aller Daten in den sie transportierenden Datennetzen wird abgeschafft. Der gewohnte Standard, mit jedem über das Netz kommunizieren zu können, unabhängig vom genutzten Anbieter, dem physischen Zugangsort oder dem jeweils genutzten Tarif, würde damit in Frage gestellt. Die freie Entscheidung, mit welchem Gerät man online gehen kann, wird eingeschränkt. Der Status quo, den man vom Internet heute kennt und von dem die ganze Gesellschaft als neutrales Kommunikationsnetzwerk profitiert, ist in Gefahr. Die neue Verordnung ermöglicht es den Telekommunikationsanbietern über den jetzigen reinen Datentransport hinaus auch an den Gewinnen einzelner Dienste teilzuhaben: Youtube, Google oder Facebook, aber auch kleinere Alternativen könnten dann in Zukunft extra kosten.

Das Internet wird kategorisiert, Daten bekommen finanziellen Wert. Daten, für die bezahlt wurde – zum Beispiel durch ein Zusatz-Abo für einen Suchmaschinendienst – werden bevorzugt behandelt und schneller durchs Netz transportiert als Daten, für die weniger oder nichts bezahlt wurde. Die Telekommunikationsanbieter können dann entscheiden, welche Daten über ihr Netzwerk überhaupt transportiert werden sollen. Individuelle Angebotsnutzung wird stark eingeschränkt, der freie Zugang zu Informationen und Inhalten wird abgeschafft. Eine freie Nutzung des Internets, wie man es heute kennt, ist nach dem jetzigen Entwurf nicht mehr möglich!

Was tun?

Um ein Internet der Klassen und die monopolisierte Gestaltungsgewalt einzelner großer Player zu verhindern, muss die zu verabschiedende Verordnung deshalb folgende Punkte anpassen und beinhalten:

  • sogenannte „Specialised Services“ klar definieren, so dass für Dienste im offenen Internet nicht zusätzliche Gebühren an die Telekommunikationsanbieter gezahlt werden müssen.

  • Zensurrechte der Telekommunikationsanbieter für Netzinhalte deutlich einschränken, damit sie nicht – wie nach derzeitigem Stand der Verordnung möglich – sogar ohne richterlichen Beschluss Netzsperren vornehmen können.

  • Rechte der Internetnutzerinnen und Internetznutzer stärken, damit auch für sie gegenüber den Telekommunikationsanbietern eine verbindliche rechtliche Grundlage gegeben ist.

Am 18. März ist die Abstimmung im entscheidenden Ausschuss des EU-Parlaments (ITRE) geplant. Deshalb jetzt aktiv werden und die gesetzliche Festschreibung von Netzneutralität fordern! Detailliertere Anleitungen zur Kontaktaufnahme mit Mitgliedern des EU-Parlaments und weitere Hintergrundinformationen auf savetheinternet.eu.