Österreichs oberster Gereichtshof erklärt Vorratsdatenspeicherung für nichtig

Heute war es soweit, der Österreichische Verfassungsgerichtshof verkündete sein Urteil in der Klage des AK Vorrat gegen die Vorratsdatenspeicherung. Thomas Lohninger berichtet auf Netzpolitik.org live aus dem Gerichtssaal! Den Ticker der Verhandlung gibt es bei uns zum Nachlesen. (Das Original wurde bei den Kolleginnen und Kollegen von Netzpolitik.org veröffentlicht.)

10:00 Es beginnt! Der 12-köpfige Richtersenat betritt den Saal. Die angefochtenen Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung werden für nichtig erklärt. Wir haben gewonnen! Der Antrag der Kärntner Landesregierung wird aufgehoben. Die anderen beiden Anträge gewinnen!

10:03 Der Richter verliest die einzelnen Bestimmungen, die mit diesem Urteil aufgehoben werden.

10:04 Frühere Bestimmungen treten mit diesem Urteil nicht wieder in Kraft.

10:06 Die Regierungsvertreter blicken etwas betroffen auf den Richtersenat. Die Kläger freuen sich :) Jetzt erfolgt die Begründung.

10:07 Gesetzliche Beschränkungen des Grundrechts auf Datenschutz müssen in der Abwägung verhältnismäßig sein. Dies ist hier nicht der Fall.

10:13 Die Verwendung von Daten, die ihrer Art nach besonders schützenswürdig sind, ist nur für die Wahrung besonderer wichtiger Interessen zulässig. Die Fälle zulässiger Eingriffe müssen konkretisiert und begrenzt werden. Der VfGH geht davon aus, dass die Vorschriften über die VDS und jene zur Beauskunftung im Rahmen der Strafverfolgung in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der VDS sind deshalb alle Bestimmungen im Zusammenhang zu bewerten. Der Zugriff auf Vorratsdaten durch die Strafverfolgungsbehörden stellt einen Eingriff auf die Grundrechte nach EMRK da. Eingriffe müssen in Einklang mit Artikel 1 Datenschutzgesetz und Artikel 8 der EMRK stehen. Auch die Sicherstellung der Löschung der Daten ist hier maßgeblich.

10:14 Die Freiheit des Individuums und der Gesellschaft als Ganzes ist hier im Zweifel. Das Ziel der VDS ist gewichtig, aber durch den Kollateralschaden und den pauschalen Eingriff auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist hier die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. Vorratsdaten lassen Rückschlüsse auf den privaten Bereich eines Menschen zu. Staatliches Handeln ist in vielerlei Hinsicht durch die rasche Verbreitung der modernen Telekommunikationstechnik in Frage gestellt.

10:21 Die Streubreite der anlasslosen Speicherung von Daten übertrifft jene bisher durch den VfGH zu beurteilenden Eingriffe. Sowohl im Hinblick auf den betroffenen Personenkreis, die Daten, den Zweck und die Modalitäten der Datenverwendung. Dadurch ist fast die gesamte Österreichische Bevölkerung durch diese Maßnahme betroffen.

10:23 Vor allem die Möglichkeit der Verknüpfung von Daten ist von großem Gewicht. Da angesichts der Vielzahl der angebotenen TK-Dienstleistungen auch ein nicht überblickbarer Kreis von Personen Zugriff auf Vorratsdaten hat und dadurch ein großes Mißbrauchsrisiko besteht.

10:25 Die Reglungen für die Löschung von Daten sind nicht in Einklang mit dem Datenschutzgesetz. Im Besonderen ist im Verfahren unklar geblieben ob die gespeicherten Vorratsdaten sicher zu löschen sind. Es ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Löschung der Daten so erfolgt, dass eine Wiederherstellung nicht möglich ist. Damit sind diese Bestimmungen nicht im Einklang mit dem Grundrecht auf Datenschutz.

10:27 Der Verfassungsgerichtshof sieht davon ab eine Frist für das Aussetzen der Vorratsdatenspeicherung zu setzen. Der Bundeskanzler muss so schnell wie möglich im Bundesgesetzblatt die Vorratsdatenspeicherung außer Kraft setzen. Mit Ablauf dieses Tages sind die Daten unverzüglich durch die Telekombetreiber zu löschen!

10:30 Die Vorratsdatenspeicherung ist Geschichte! Wir haben gewonnen! Netzpolitischer Aktivismus hat sich in Österreich bewährt. Wir gehen jetzt feiern :)