Der Daten-Wahlkampf ist für Wähler.innen undurchsichtig

Microtargeting mit Facebook-Daten soll für Wahlerfolge sorgen. In einer Demokratie sollten jedoch Wahlen durch Argumente und Fakten gewonnen werden, nicht durch Algorithmen und private Daten.

Mitmachen und unter dem Twitter-Hashtag #PolitikAds transparent Politik-Kampagnen publik machen.

Im Wahlkampf analysieren die Parteien ihre potentiellen Wähler.innen. Die CDU kauft Daten von der Post und verbindet diese im Haustürwahlkampf mit ihrer App Connect17, mit der sie gleich noch mehr Daten sammelt. Auf Facebook sendet die Partei personalisierte Wahlbotschaften, ohne die Nutzer.innen zu fragen, ob sie das wollen. Algorithmen werten für den Online-Wahlkampf der Parteien Likes aus und sortieren die potentiellen Wähler.innen in Microtargeting-Gruppen, etwa so: Wer auf Facebook Katzenbilder teilt, bekommt das Wahlversprechen: „Umwelt schützen!“. Wer schnelle Autos teilt, bekommt von derselben Partei das Versprechen: „Mobilität garantieren!“. So soll Microtargeting für Wahlerfolge sorgen. Das ist ein Problem für Demokratie und Datenschutz!

Apps im Haustürwahlkampf

Für die CDU organisiert das Jenaer Marketingunternehmen „Praxisnah“ den Daten-Wahlkampf mit der App Connect17:

„[Connect17] stützt sich auf eine feinkörnige Wahlkreisanalyse, die es in Deutschland bisher nicht gab, angereichert mit früheren Wahlergebnissen und soziodemografischen Daten. (…) Mit der App digitalisieren [Wahlhelfer] die Reaktion der Bürger, um das Bild weiter zu schärfen.“ Gabriela Keller und Kai Schlieter (Berliner Zeitung): „Microtargeting im Bundestagswahlkampf: Nah am Wähler und anfällig für Manipulation“ am 9. August 2017

Die SPD setzt auf die „Tür-zu-Tür-App“, die auf vorwaerts.de vorgestellt wird. Dabei handelt es sich mehr um einen Online-Fragebogen, der beim Türgespräch als Leitfaden dienen soll, und weniger um eine App, die auf Endgeräten installiert werden muss. Die Daten würden über die Bundestagswahl hinaus gespeichert, sagt Marc-Niklas Förster von der SPD-Parteizentrale.

DIE LINKE zieht im Wahlkampft mit der App „Partisanin“ durch die Bundesrepublik. Für das Aufhängen von Plakaten, für Infostände und das Verteilen von Flyern gibt es Punkte, und alles wird auf einer Karte markiert. Zum Datenschutz informiert DIE LINKE: „Datenschutz ist uns wichtig. Und am sichersten sind immernoch die Daten, die gar nicht erst erhoben werden. Deshalb nimmst du an jeder Kampagne mit einem Pseudonym teil und deine in der App registrierten Aktionen werden nur anonymisiert auf dem Server gespeichert. So schließen wir aus, dass Bewegungs- oder Nutzungsprofile erzeugt werden können.“ Die App ist Freie Software und wird von The Jans entwickelt.

Frage: Wo ist das Datenschutz-Audit der CDU?

Politische Meinungen gehören zu den sensiblen Daten, für die Sonderregelungen für den Datenschutz gelten. Darum müssen Wähler.innen im Detail darüber informiert werden, wie Parteien mit persönlichen Daten Wahlkampf betreiben. Wähler.innen müssen die Möglichkeit haben, Wahlbotschaften einordnen zu können. Darum haben wir die Firma Praxisnah gebeten, ihr Datenschutz-Audit zu veröffentlichen. Bisher haben wir keine Antwort erhalten:

Screenshot Tweet Audit
„Erfolgreiches Audit durch das Unabhängige Datensschutzzentrum Saarland, ohne Beanstandungen. Argumente zählen mehr als (Bauch)Gefühle.“

Screenshot Tweet Bitte um Audit
„Wir bitten @pxn_digital um #Datenschutz -Audit f. #CDU Wahlkampf mit @connect17de & #Facebook . #Transparenz“

Antwort: Es gibt kein Audit

Auf Nachfrage hat uns das Unabhängige Datenschutzzentrum Saarland mitgeteilt, dass es kein Audit gibt. Das Datenschutzzentrum führt generell keine Audits für Unternehmen durch. Richtig ist, dass das Datenschutzzentrum im Nachgang zu Medienberichten eine frühere Version der App (Version 1.0.3), die von der CDU im Landtagswahlkampf im Frühjahr 2017 im Saarland eingesetzt wurde, untersucht hat. Dabei wurden Mängel festgestellt, die seitdem teilweise behoben wurden. Aktuell ist allerdings die Version 1.1.1 bundesweit im Einsatz. Untersucht wurde nur die Vorgänger-App. Wie die CDU oder das Unternehmen Praxisnah mit den Daten umgeht, wurde nicht untersucht. Nutzer.innen der App können sich mit Facebook-Kennung registrieren. Welche Daten an Facebook gehen, ist nicht bekannt. Fest steht, dass die App genaue GPS-Koordinaten an Google sendet. Auf den Servern von Google werden diese Koordinaten in Adressen umgewandelt, wobei nur der Straßenname, aber nicht die Hausnummer zurück an die App gesendet wird. Das Datenschutzzentrum beanstandet dieses Verfahren nicht.
Wir haben von der Datenschutzbeauftragten der CDU das öffentliche Verfahrensverzeichnis für die App Connect 17 angefordert und erhalten. Allerdings sind die Angaben unvollständig und nicht detailliert genug. Datengestützter Wahlkampf ist für die Wähler.innen vollkommen intransparent.

Was ist kritisch am Daten-Wahlkampf?

Wir haben eine Menge Fragen an Parteien und Unternehmen:

  • Manipulativer Charakter der Wahl-Kommunikation: Es ist nicht transparent, wie das Verhalten auf Facebook politisch analysiert und verwendet wird. In einer Demokratie sollen Wahlen durch Argumente und Fakten gewonnen werden, nicht durch Algorithmen und private Daten. Wahlbotschaften werden nicht konsistent kommuniziert, sondern je nach privaten Vorlieben, Interessen oder Kontakten der Wähler.innen angepasst. So könnten die Parteien verschleiern, wofür sie wirklich stehen oder welche ihrer Botschaften für sie von zentraler Bedeutung sind. Facebook-Nutzer.innen werden von der CDU und anderen Parteien nicht informiert, sondern ihr Privatleben wird digital durchleuchtet, ohne dass sie davon wissen. Das Ergebnis: Die Parteien sind besser über die Wahlberechtigten informiert als die Wahlberechtigten über die Parteien.
  • Mangelhafte Transparenz: Parteien haben die Verantwortung, ihren Wahlkampf im Netz nachvollziehbar zu gestalten. Das Verfahrensverzeichnis muss öffentlich einsehbar sein. Ein unabhängiges Datenschutz-Audit muss erstellt werden. Außerdem ist eine politische und technische Folgenabschätzung nötig.
  • Rechte der Wähler.innen wahren: Haben die Betroffenen in der Praxis die Möglichkeit, der Digitalisierung ihrer Reaktion im Haustürwahlkampf zu widersprechen? Was passiert mit den erhobenen Daten? Werden sie weiterverkauft, weitergenutzt? Wann werden die Daten gelöscht? Liegt ausreichende Zustimmung für die Datennutzung und die Kombination von Offline- und Online-Daten vor? Aktuell ist die Situation aus Sicht der Wähler.innen völlig undurchsichtig.
  • Unklare Rolle von automatischen Entscheidungen: Unklar ist, ob Entscheidungen von Algorithmen getroffen werden und was die Folgen davon sind. Wer gestaltet die persönlichen Wahlwerbe-Ansprachen? Machen das die Politiker.innen selbst, eine Marketing-Agentur oder werden sie automatisch von Algorithmen erstellt? Wie hängen Entscheidungen in politischen Prozessen mit den Entscheidungen der automatisierten Ansprachen zusammen?

Argumente sollten überzeugen – nicht Facebook-Daten

Nach dem US-Wahlkampf sollten die Parteien den Bundestagswahlkampf verantwortungsbewusst führen. Die US-Wahl ist kein Vorbild. Wahlen sollen durch Argumente und gewonnen werden, nicht durch Algorithmen und private Daten. Durch Microtargeting nutzen Parteien ihre Informationsmacht gegenüber den Wähler.innen aus, um personalisierte Wahlbotschaften zu versenden. An Transparenz mangelt es allerdings. Darum stellen wir Projekte, Initiativen und Forderungspapiere vor, die einen Überblick über den digitalen Wahlkampf und digitale Themen geben. Jetzt lesen: „Bundestagswahl 2017: Mehr Überwachung oder Freiheit?“

Weiterführende Informationen: