Rezension: Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat

Im Sommer 2018 erschien Marc-Uwe Klings Kinderbuch „Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat“. Ein Digitalcourage-Teammitglied fasst ein paar Eindrücke dazu zusammen.

Inhalt
Wie in jedem Märchen, so gibt es auch in Klings Erzählung eine wundersame Begebenheit: Die Oma hat das Internet kaputt gemacht, nicht nur ihre Verbindung, sondern das ganze Internet. Das glaubt natürlich zu Beginn niemand in der Familie. Aber es ist passiert und alle merken schmerzlich, wie abhängig sie bei ihren verschiedenen Tätigkeiten vom Internetzugang sind. So strandet dann auch der Pizza-Junge, weil er keine Navigation mehr hat. Da ihre „smarten“ Geräte ohne die Verbindung nahezu nutzlos geworden sind, wenden sich die Protagonist.innen in der Geschichte einander zu (statt ihren Geräten) und warten gemeinsam auf die „Reparatur“ des Internets. Dabei erleben sie einige individuell bedeutsame Dinge.

Interpretation
Leider würden innerhalb von Stunden schreckliche Dinge passieren, wenn das Internet tatsächlich global ausfällt. Dass Marc-Uwe Kling diese Probleme nicht weiter ausmalt, ist bei einem Kinderbuch nur allzu verständlich. Ansonsten lässt sich aber viel Positives von dem Buch berichten. So wird gut dargestellt, wie unwahrscheinlich ein Ausfall des Internets ist im Vergleich zum Ausfall des eigenen Internetanschlusses, was vermutlich jede.r schon mal erlebt hat. Auch die Definitionsversuche der Personen, was das Internet ist (Teletext vs. Pinnwand), geben Anlass zum Nachdenken: Philosophisch stellt sich hier die Frage: In wie weit prägen unsere individuellen Interaktionen das Verständnis von dem betreffenden Ding selbst? Oder verständlicher: Was ist das Internet für uns? Nachrichtenmedium? Kommunikationsmedium? Ein Kaufhaus? Eine Einnahmequelle? Treffpunkt für Spiele oder die wahre Liebe?

Ganz hervorragend wird auch die Abhängigkeit der Gesellschaft vom Funktionieren des Internets vermittelt. Zwischen den Zeilen bringt Kling damit die „Erbsünde“ aller „smarten“ Geräte auf den Tisch: Sie sind nicht „smart“, sondern abhängig von der Internetverbindung zu ihren Herstellern. Echte, weil unabhängige, smarte Geräte sind von einem Internetausfall gar nicht betroffen, weil sie alle Logik integriert haben. Damit wäre aber auch keine Kontrolle der Geräte mehr möglich. Folglich bedeutet „smart“, in unserem vom Marketing der Großkonzerne geprägten Sprachgebrauch, lediglich: Das Gerät ist so schlau wie ein Quiz-Kandidat, der permanent den Telefonjoker zieht. Ehrlicher wäre der Begriff „fernkontrollierte Geräte“, gerade für Smartphones, Smart-TVs und Smart-Watches.

Durch Tiffany, die als einzige (noch) keine (eigene) Internetnutzung praktiziert, erfährt man auch einen großen Nachteil unseres alltäglichen Internet-Konsums: Die Vernachlässigung unserer persönlichen zwischenmenschlichen Beziehungen. Für sie wird durch den Internetausfall auf einmal alles interessanter. Die Verwandten tun Dinge gemeinsam und spielen ausgiebig mit ihr. Da ist es am Ende nicht verwunderlich, wenn sie sich den nächsten Ausfall wünscht. Allgemeiner können wir uns fragen: Vernachlässigen wir durch unseren Online-Konsum andere tolle Aktivitäten? Schließen wir durch die Internet-Nutzung systematisch Andere aus und vernachlässigen sie dadurch? Facebook-Nichtbenutzer.innen? Menschen ohne Smartphone oder ohne Internetzugang?

Fazit
Ein wirklich lustiges, hoch aktuelles und spannendes Kindermärchen. Selbst als IT-Profi (oder gerade deshalb) war ich bis zum Schluss gespannt, wie die Oma das Internet kaputt gemacht hat. ...Klick, Klick. Subtil richtet sich das Buch auch an die Eltern und fragt: Ist dir der Online-Quatsch wirklich wichtiger, als mit deiner Tochter zu spielen? Im Zeitalter von Spiel-/Computersüchtigen Eltern ist das nicht unberechtigt.

Das Buch kann im Digitalcourage-Shop bestellt werden.

Autor: Marc-Uwe Kling
Titel: Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat
Erstveröffentlichung: 28.06.2018
Seitenzahl: 72
Kinderbuch

Astrid Henn

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