Uploadfilter: Artikel 13 ist nicht das einzige Problem

Drei Punkte zur Artikel 13-Diskussion: Erstens können alle aktiv werden. Zweitens zeigt die Union, dass sie Kritik fürchtet. Und drittens wird über in einer anderen EU-Verordnung vorgesehenen Uploadfilter kaum gesprochen.

Im Streit um Artikel 13 geht es um die Frage, ob Online-Plattformen alle Inhalte, die Nutzerinnen und Nutzer hochladen wollen, automatisch filtern sollen, um Inhalte zu blockieren, die als urheberechtlich geschützt erkannt werden. Technisch umgesetzt wird dieser Eingriff in die Kommunikation im Internet mit sogenannten Uploadfiltern. 
Wer darin eine Gefahr für die Meinungsfreiheit, Vielfalt und für die Mem- und Remix-Kultur im Internet sieht oder eine Infrastruktur für Zensur und Überwachung fürchtet, sollte drei Dinge wissen:

  1. Erstens können alle mithelfen, die Uploadfilter in Artikel 13 zu verhindern.
  2. Zweitens haben CDU und CSU im Europaparlament gezeigt, dass sie die Kritik und Proteste fürchten.
  3. Und drittens werden in einem anderen EU-Gesetzgebungsverfahren Uploadfilter verhandelt, über die aktuell kaum jemand spricht. 

1. Artikel 13 verhindern ist machbar

Wer helfen will, die Uploadfilter in Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform zu verhindern, kann auf die zahlreichen Demos gehen oder Abgeordnete kontaktieren.
Die Kampagne Pledge2019 (#Pledge2019) fordert dazu auf, Mitglieder des Europäischen Parlaments zu kontaktieren, damit sie versprechen, gegen Artikel 13 zu stimmen. Das Argument der Kampagne lautet: 
„Europawahl 2019: Wir werden nur Politiker*innen wählen, die gegen Artikel 13 stimmen und 'Nein' zu Upload-Filtern sagen“.
Auch unsere französiche Partnerorganisation La Quadrature du Net ruft dazu auf, Mitglieder des Europäischen Parlaments (MEPs), insbesondere des LIBE-Ausschusses, zu kontaktieren – und hat dafür ein Online-Tool gebaut: “anti-terrorism” censorship Regulation – Call your MEP. Die wichtigsten Argumente haben wir auf Deutsch zusammengefasst.

 

2. Die Artikel-13-Angst der Union

CDU und CSU wollten Anfang März 2019 im Europaparlament als Teil der von Manfred Weber angeführten Europäischen Volkspartei (EVP) die Abstimmung über die Urheberrechtsreform mit einem Verfahrensmanöver offenbar vorziehen. Das berichtete die EU-Abgeordnete Julia Reda auf Twitter, während Manfred Weber zunächst ablenkte, dementierte und das Vorhaben schließlich zurückgenommen wurde. 
Aus unserer Sicht ist das Manöver der CDU untragbar: Eine Abstimmung nur drei Wochen, nachdem ein hoch umstrittener Kompromiss erreicht wurde – das ist absolut undemokratisch! Dieses Artikel-13-Manöver der Union in Europa zeigt, dass ihre Argumente nicht überzeugen, dass die gefundene Lösung einer Debatte nicht standhält und dass CDU und CSU die Kritik und Proteste aus Kultur, Wirtschaft und netzpolitischen Verbänden fürchten.
Die Vorverlegung ist nicht das erste Manöver, das wir beobachten: aus dem Entwurf wurde zuvor die Nennung der umstrittenen Uploadfilter entfernt, aber inhaltlich wurde die Verpflichtung zum automatischen Filtern nicht angetastet. Überzeugt hat das die Gegner nicht. Wohlbemerkt: diese Manöver geschehen vor dem Hintergrund, dass sich Union und SPD im Koalitionsvertrag vom März 2018 darauf geeinigt haben, keine Uploadfilter einzuführen. Die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung liegt in dieser Debatte nach technischem K.O. am Boden.

"Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden  Inhalten zu 'filtern', lehnen wir als unverhältnismäßig ab." (Koalitionsvertrag vom März 2018)

3. Die TerReg-Uploadfilter unter dem Radar

Problematisch an der aktuellen Diskussion über Artikel 13 der Urheberrechtsreform ist, dass Uploadfilter zeitgleich auch in der EU-Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte (kurz: #TerReg für Terror-Regulierung) verankert werden sollen. Die wird abseits der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit verhandelt.
Die Terror-Inhalte-Verordnung soll den Missbrauch von Hosting-Diensten zur Verbreitung terroristischer Online-Inhalte verhindern.
Artikel 4 regelt zunächst Entfernungsanordnungen. Das bedeutet, eine zuständige Behörde veranlasst den Hosting-Dienst, einen Inhalt innerhalb einer Stunde vom Netz zu nehmen. Das entspricht dem sogenannten Notice-and-Take-Down-Verfahren, bei dem ein Inhalt beanstandet und anschließend entfernt wird. Diese Regelung ist kritisch, weil sie Regierungen die Macht gibt, Inhalte löschen zu lassen, ohne gerichtliche Überprüfung. Zusätzlich soll ein noch schärferes Instrument ergänzt werden. 
In Artikel 6 der Terror-Inhalte-Verordnung sind proaktive Maßnahmen geplant. Demnach können Hosting-Dienste
Maßnahmen ergreifen, „um ihre Dienste vor der Verbreitung terroristischer Inhalte zu schützen“. In der Praxis bedeutet das den Einsatz von Uploadfiltern. Einerseits ist dies laut Verordnung nicht explizit Pflicht, andererseits verlangt sie von Diensten aber die Erfüllung von Sorgfaltspflichten, „um die Verbreitung terroristischer Inhalte durch ihre Dienste zu verhindern und erforderlichenfalls die rasche Entfernung solcher Inhalte zu gewährleisten“. In der Folge geraten Anbieter, die keine Filter-Infrastruktur einführen können oder wollen, unter Druck. Die anderen Anbieter werden zur Umgehung von Verwaltungsaufwänden Uploadfilter installieren und alle damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen. Unklar ist, wie diese Uploadfilter technisch funktionieren sollen. Wie soll eine Software terroristische Inhalte erkennen, ohne dabei Filme, Spiele, Satire, Musik, Nachrichten oder Lyrik zu blockieren, die visuell und auditiv vergleichbare Eigenschaften haben? Was ist beispielsweise mit dem Terror des NSU, Anders Breivik, dem IS-Zeichen des Anis Amri oder mit Fällen, in denen Regierungen Gruppen widersprüchlich als terroristisch oder nicht-terroristisch einschätzen?

Jetzt dagegen Artikel 6 aktiv werden! Wie das geht, ist hier erklärt.

Das EU-Parlament könnte noch im Mai – vor der Europawahl – über die Uploadfilter abstimmen. Am 11. März findet berät der Kulturausschuss im EU-Parlament die Verordnung, über die am 21. März im Innenausschuss abgestimmt  wird.

Weitere Informationen

La Quadrature du Net: Censorship Regulation: First Setback at the European Parliament, 5.3.2019
https://www.laquadrature.net/en/2019/03/05/censorship-regulation-first-setback-at-the-european-parliament/

La Quadrature du Net: Anti-terrorism Censorship Regulation:
https://www.laquadrature.net/en/censorship/

netzpolitik.org: UN-Berichterstatterin warnt vor umstrittenem EU-Gesetz gegen Terrorpropaganda, 27.2.2019
https://netzpolitik.org/2019/un-berichterstatterin-warnt-vor-umstrittenem-eu-gesetz-gegen-terrorpropaganda/

European Digital Rights (EDRi): FRA and EDPS: Terrorist Content Regulation  requires improvement for fundamental rights, 20.2.2019
https://edri.org/fra-edps-terrorist-content-regulation-fundamental-rights-terreg/

heise.de: EU-Parlament vs. "terroristische Inhalte": Prinzip Notice-and-Take-Down wackelt, 16.2.2019
https://www.heise.de/newsticker/meldung/EU-Parlament-vs-terrroristische-Inhalte-Prinzip-Notice-and-Take-Down-wackelt-4311056.html

Digitalcourage: Zensur zur Terrorismusbekämpfung? Jetzt dagegen aktiv werden!, 12.2.2019
https://digitalcourage.de/blog/2019/zensur-zur-terrorismusbekaempfung-jetzt-dagegen-aktiv-werden

Digitalcourage: Brief an Europa-Abgeordnete: Terror-Verordnung stoppen! 12.2.2019
https://digitalcourage.de/blog/2019/brief-europa-abgeordnete-anti-terror-verordnung-stoppen

Julia Reda: Verhinderung der Vebreitung Terroristischer Online-Inhalte: Die Rückkehr der Uploadfilter, 6.2.2019
https://juliareda.eu/2019/02/terrorismus-online-uploadfilter/

netzpolitik.org: Filterpflicht für Online-Dienste: Uploadfilter gegen Propaganda, 5.12.2018
https://netzpolitik.org/2018/filterpflicht-fuer-online-dienste-uploadfilter-gegen-propaganda/

European Digital Rights (EDRi): Terrorist Content Regulation: Civil rights groups raise major concerns, 5.12.2018
https://edri.org/terrorist-content-regulation-civil-rights-groups-raise-major-concerns/#
 

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