Newsletter vom 07.07.2023

Der Kampf ums Fediverse

Fediverse, Freedom not Fear, bunter Protest und vieles mehr

Liebe Leute,

es vergeht gerade kaum ein Tag, ohne dass neue Nachrichten und Ankündigungen die sozialen Medien durchschütteln.

Twitter versinkt immer tiefer im Chaos und wird zunehmend unbenutzbar. Währenddessen wittern andere Konzerne ihre Chance, frustrierte Twitter-Nutzer.innen einzusammeln. Nachdem die Gerüchteküche schon seit einigen Wochen brodelte, hat Facebook/Meta gestern tatsächlich eine neue App gestartet. Dass diese App ein Datenschutzproblem sein wird, zeigt sich schon darin, dass sie zunächst nur in den USA und UK verfügbar sein soll – die EU-Datenschutzgrundverordnung kann oder will man offensichtlich nicht erfüllen.

Diese App soll später auch eine Anbindung an das Fediverse bekommen, also an das dezentrale soziale Netzwerk, in dem auch wir unsere Mastodon-Instanzen als Alternative zu Facebook, Instagram und Co. betreiben. Viele fürchten, dass Facebook die Anbindung an das Fediverse aber vor allem dazu nutzen möchte, die Teilnehmer.innen des Fediverse einzulullen und sich einzuverleiben.

Und noch etwas wird die Machtverhältnisse verändern: Das Digitale-Märkte-Gesetz rüttelt an der Monopolstellung von Facebook und anderen Internetgiganten. Wo große Techkonzerne bisher oft schamlos ihre Marktmacht ausgenutzt haben, um den Wettbewerb zu unterdrücken, will die EU-Kommission bald sehr viel härter regulieren.

Mir ist in diesen Wochen noch einmal sehr deutlich geworden: Es ist wichtig, dass wir uns nicht nur über Inhalte unterhalten, sondern auch über die Rahmenbedingungen, in denen unsere (digitale) Kommunikation stattfindet. Wie eine Party vorbereitet wird und was in der Einladung steht, hat Einfluss darauf, wie die Gäste sich verhalten. Wir wollen nicht, dass es eine Party wird, bei der alles egal und alles toleriert ist, solange es dem Profit des Gastgebers dient. Wir wollen Partys, bei denen Leute offen und freundlich sind und noch Wochen später von den inspirierenden Gesprächen schwärmen.

Mit besten Grüßen aus Bielefeld
Julia Witte und das ganze Team von Digitalcourage

Inhalt

1  AG Eltern und Schulsoftware

2  Vernetzungstreffen: Jetzt anmelden für „Freedom not Fear”

3  Bunter Protest gegen die Chatkontrolle

4  (Liebes-)Post an Digitalcourage

5  Digitale-Märkte-Gesetz: Für diese großen Firmen wird es bald ernst

6  Ausweise bald als App?

7  Frankreich: Angriff auf Verschlüsselung

8  Praxistipp: Google Street View widersprechen

9  Mitklicken: Petition für Opt-in bei der elektronischen Patientenakte

10  Aus unserem Shop

11  Termine

 

1. AG Eltern und Schulsoftware

Immer wieder erreichen uns Anfragen verzweifelter Eltern, weil die Schule ihrer Kinder nicht von datensammelnder, rechtlich bedenklicher Schulsoftware abrücken möchte. Wir stellen bereits viele Informationen und Argumente auf unserer Website zur Verfügung, doch in einigen Fällen sind die harmonischen Mittel erschöpft. Wir haben leider nicht die Ressourcen, juristisch zu beraten oder an fachkundige Anwält.innen zu verweisen, möchten Betroffene aber vernetzen:

Unsere AG Eltern und Schulsoftware bringt Eltern zusammen, die bereits juristisch gegen den Einsatz von Microsoft 365, Zoom, Google und anderen datensammelnden Programmen an ihrer Schule vorgegangen sind oder dies noch vorhaben. Auch Eltern, die gegen die Entscheidung eines Schulträgers oder eines Ministeriums vorgehen möchten, sind hier richtig, um von möglichen Vorgehensweisen oder juristischen Maßnahmen zu berichten. Herzlich eingeladen sind außerdem Juristinnen und Juristen, die sich dieses Themas bereits angenommen haben und betroffene Eltern ehrenamtlich unterstützen möchten. Interessierte können sich gerne per E-Mail bei uns melden: mail@digitalcourage.de

Weitere Infos zur neuen Arbeitsgruppe auf unserer Website:
https://digitalcourage.de/blog/2023/ag-eltern-und-schulsoftware

 

2. Vernetzungstreffen: Jetzt anmelden für „Freedom not Fear”

Menschen aus ganz Europa treffen sich einmal im Jahr, um für mehr Freiheit in einer digitalisierten Welt zu arbeiten, in Workshops Wissen zu teilen, gemeinsame Aktionen zu planen und sich mit anderen zu vernetzen. „Freedom not Fear” findet vom 1. bis zum 4. September 2023 in Brüssel statt. Wir sind dabei, denn auch Treffen mit EU-Politiker.innen, bei denen wir unsere Anliegen einbringen und Hintergrundinformationen bekommen, gehören dazu.

Ein vorher feststehendes Programm gibt es nicht, denn „Freedom not Fear” ist ein Barcamp. Das heißt, das Programm entsteht vor Ort und richtet sich nach den Themen und Fragen, die die Anwesenden interessieren und zu denen sie etwas einbringen wollen. Willkommen sind nicht nur alle, die schon aktiv an digitalpolitischen Themen arbeiten, sondern auch alle, die noch Gleichgesinnte und den passenden Anschubser suchen.

Die Anmeldung ist noch bis zum 17. Juli 2023 möglich. Es gibt auch noch ein paar freie Hotelplätze. Die gesamte Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

Mehr Informationen und der Link zur Anmeldung auf der Website von Freedom not Fear (englisch):
https://www.freedomnotfear.org/

Freedom not Fear sucht außerdem nach einem neuen Logo. Das Organisationsteam freut sich über kreative Einreichungen – auf Grundlage des bisherigen Designs oder ganz anders.

Mehr Infos unter:
https://cryptpad.digitalcourage.de/pad/#/2/pad/view/FoZCCdnFzBtV1o2jxlzHqcMX8zdFzLtCT8pZS+DWsw4/

 

3. Bunter Protest gegen die Chatkontrolle

Unser analoger Prototyp der Chatkontrolle zum Handy-Durchleuchten, ein riesiges Banner und ein Winkelschleifer, mit dem auf brachiale Art und Weise ein (mitgebrachter) Briefkasten geknackt wurde – zur Innenminister.innenkonferenz in Berlin haben wir mit dem Bündnis „Chatkontrolle STOPPEN!“ gegen die Überwachungspläne der EU-Kommission protestiert und einiges aufgefahren. Die Lage ist ernst: Die EU-Kommission will mit ihrem Überwachungs-Gesetz zur Chatkontrolle das digitale Briefgeheimnis brechen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Wir wollen nicht in einer Dystopie aufwachen, in der Regierungen durch die Chatkontrolle alles überwachen können, in der sie festlegen können, was wir öffentlich oder privat schreiben dürfen und in der es keine verlässliche Verschlüsselung und IT-Sicherheit mehr gibt. Deshalb werden wir uns weiter der Chatkontrolle entgegenstellen.

Ausführlicher Bericht und Fotos von der Protestaktion:
https://digitalcourage.de/blog/2023/chatkontrolle-protestaktion-imk-aufnahmen

 

4. (Liebes-)Post an Digitalcourage

Wir freuen uns immer wieder sehr über die tollen, herzerwärmenden Rückmeldungen von unseren Mitgliedern. Zum Beispiel über diese hier:

„Seit Jahren verfolge ich jetzt schon eure Positionen und Aktionen und bin wohl ein Fan eurer Arbeit. Daher jetzt auch die Fördermitgliedschaft. Für Letzteres ausschlaggebend ist die zunehmende Sorge, dass unsere Entscheidungsträger aufgrund mangelnder Information, schlechter Beratung und vielleicht auch Naivität Entscheidungen treffen, deren Tragweite sie nicht abschätzen können (Chatkontrolle, Vorratsdatenspeicherung …). Hier vertraue ich darauf, dass Ihr weiterhin aufklärende Arbeit leistet (und auch die aufklärt, die es vielleicht gar nicht wollen) und einen vernünftigen Gegenpol zu diversen, zu oft versteckten, Lobbyinteressen bildet.”

Solche Nachrichten motivieren uns, weiter jeden Tag unser Bestes zu geben. Herzlichen Dank!

 

5. Digitale-Märkte-Gesetz: Für diese großen Firmen wird es bald ernst

Im Herbst letzten Jahres wurde ein EU-Gesetzespaket verabschiedet, das in den nächsten Monaten hoffentlich große Wirkung entfaltet und Bewegung in unsere monopolgeprägten Internetmärkte bringt. Denn das Digitale-Märkte-Gesetz (kurz: DMA für „Digital Markets Act”) zielt darauf ab, die Macht der großen Digitalkonzerne einzudämmen, indem es strenge Spielregeln für die ganz großen Online-Plattformen aufstellt. Vor wenigen Tagen wurde öffentlich, welche Firmen selbst angezeigt haben, dass sie unter die Regeln fallen. Das sind: Alphabet (Google), Amazon, Apple, ByteDance (TikTok), Meta (Facebook), Microsoft und Samsung.

Nun ist die EU-Kommission am Zug, diese Liste zu bestätigen. Für diese Unternehmen gilt dann zum Beispiel, dass sie ihre Betriebssysteme nicht mit Apps ausliefern dürfen, die technisch zwar nicht nötig sind, aber trotzdem nicht deinstalliert werden können. Oder dass beispielsweise Amazon und Google eigene Dienstleistungen und Produkte auf ihrer Plattform nicht gegenüber denen anderer Anbieter bevorzugen dürfen. Außerdem soll die Übernahme anderer Firmen strenger kontrolliert werden und Unternehmen auch zerschlagen werden können.

 

6. Ausweise bald als App?

Reisepass und Personalausweis bald nur noch als Smartphone-App? So scheint sich das zumindest die EU-Kommission vorzustellen. Sie will Ausweisdaten künftig auf dem Smartphone speichern und kontaktlose Grenzkontrollen mit Biometrie einführen. In einer öffentlichen Konsultation hat die Kommission um Stellungnahmen zur Digitalisierung von Reisedokumenten gebeten. Wir haben deutlich gemacht, welche Gefahren wir im Vorschlag der EU-Kommission sehen.

Welche Bedingungen aus unserer Sicht unbedingt erfüllt werden müssen und welche Gefahren wir bei diesem Vorschlag sehen: https://digitalcourage.de/blog/2023/initiative-digitalisierte-reisedokumente

 

7. Frankreich: Angriff auf Verschlüsselung

Habt Ihr ein alternatives Handybetriebsystem? Oder benutzt Ihr Jitsi für Videokonferenzen? Oder den Messenger Signal? In Frankreich gilt das jetzt offensichtlich schon als verdächtig. Französische Ermittlungsbehörden versuchen, den Einsatz von Verschlüsselung und sicherer Software zu kriminalisieren. Unsere französische Partnerorganisation „La Quadrature du Net” hat einen Meinungsartikel gegen diese weltfremden Unterstellungen verfasst.

Deutsche Übersetzung eines Meinungsartikels von „La Quadrature du Net” auf unserem Blog (das Original ist in der Zeitung „Le Monde” erschienen):
https://digitalcourage.de/blog/2023/meinungsartikel-la-quadrature-du-net

 

8. Praxistipp: Google Street View widersprechen

Google fotografiert zur Zeit in Deutschland wieder Straßen und Häuser für Google Street View und versichert, Menschen und Autokennzeichen würden automatisch verpixelt. Alle haben aber das Recht, der Veröffentlichung von Aufnahmen der eigenen Person, eigener Fahrzeuge und selbst bewohnter oder genutzter Gebäude und Grundstücke zu widersprechen. Das geht sowohl vor als auch nach einer Veröffentlichung. Die Verbraucherzentrale stellt einen Mustertext zum Widerspruch zur Verfügung.

Mustertext und Anleitung zum Widerspruch bei der Verbraucherzentrale:
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/digitale-welt/datenschutz/apple-look-around-und-google-street-view-so-widersprechen-sie-fotos-38402

 

9. Mitklicken: Petition für Opt-in bei der elektronischen Patientenakte

Diese Petition benötigt 50.000 Unterzeichnende, damit sie im Bundestag behandelt werden muss: „Der Deutsche Bundestag möge beschließen: Die elektronische Patientenakte (ePA) darf nur mit ausdrücklichem Einverständnis der betroffenen BürgerInnen angelegt werden (Opt-in).“ Derzeit ist geplant, die elektronische Akte verpflichtend für alle Patientinnen und Patienten anzulegen, die nicht ausdrücklich widersprochen haben (Opt-out). Wer das nicht möchte, sollte protestieren.

Mitzeichnen können Sie direkt auf der Website des Deutschen Bundestags:
https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2023/_05/_05/Petition_150309.html

 

10. Aus unserem Shop

kurz&mündig: Datenschutz in Kirchengemeinden
Geburtstage der Kinderbibelgruppe, Telefonnummern vom Posaunenchor, die Ankündigung von Beerdigungen, Fotos vom Sommerfest der Beratungsstelle – persönliche Daten schwirren überall im kirchlichen Kontext umher. Dieser Band unserer Wissensreihe enthält wertvolle Tipps für Haupt- und Ehrenamtliche in der kirchlichen Arbeit. Praktische Checklisten für die Gemeindearbeit erleichtern den Umgang mit den anvertrauten Daten.

kurz&mündig: Datenschutz in Kirchengemeinden von Jochim Selzer in unserem Onlineshop:
https://shop.digitalcourage.de/kurzmuendig-datenschutz-in-kirchengemeinden.html

Buch: Cloudmoney – Warum die Abschaffung des Bargelds unsere Freiheit gefährdet
Nicht erst seit der Coronakrise bezahlen immer mehr Menschen bargeldlos mit Karte oder App. Corona hat die Entwicklung deutlich beschleunigt. Nutznießer sind vor allem die großen IT-Unternehmen wie Amazon und Google und die Großen der Finanzindustrie, die unter dem Banner des Fortschritts schon seit Längerem die bargeldlose Gesellschaft propagieren. Der englische Finanzexperte und Aktivist Brett Scott zeigt, dass und wie Big Tech und Big Finance immer enger zusammenrücken und mithilfe der allgegenwärtigen digitalen Geräte ihre Macht über uns gefährlich ausbauen, zum Nachteil für unsere Freiheit und Unabhängigkeit. Eine augenöffnende Analyse und ein Weckruf, die als unausweichlichen Fortschritt dargestellte Welt des digitalen Gelds, das Scott »Cloudmoney« nennt, nicht widerspruchslos hinzunehmen.

Buch: Cloudmoney in unserem Onlineshop:
https://shop.digitalcourage.de/buch-cloudmoney.html

 

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