Newsletter vom 14.04.2023

Peinlich und dreist: die EU-Kommission im EU-Parlament

Ein kurzes aber wichtiges Update zur Chatkontrolle, ein Ausblick auf die BigBrotherAwards, ein ganz besonderer Tech-Tipp und mehr.

Liebe Leute,

ich wollte ja schon fast Mitleid haben: Da ist der Vertreter der EU-Kommission zu Gast im Europäischen Parlament und musste sich gerade ausführlich von wissenschaftlichen Sachverständigen erklären lassen, warum die Chatkontrolle aus juristischer, technischer und praktischer Sicht eine ganz fürchterliche Idee ist. Und als er dann das Podium bekommt, um die Studie zu besprechen, muss er auch noch zugeben, dass er sie gar nicht gelesen hat. Aber ich habe auch nicht die Dreistigkeit, ein Gesetz zur Massenüberwachung aller Bürger.innen in der EU vorzuschlagen. Oder vor laufenden Kameras eine Studie inhaltlich zu kritisieren, nachdem ich gerade gesagt habe, dass ich sie gar nicht gelesen habe. Die EU-Kommission hat diese Dreistigkeit aber, sie macht genau das. Darum hält sich mein Mitleid in Grenzen.
Im Team stecken wir gerade ganz tief in der Vorbereitung der BigBrotherAwards. Darum fällt der Newsletter heute etwas kürzer aus, aber wir wollen euch natürlich auch in dieser Zeit auf dem Laufenden halten. In zwei Wochen werden die BigBrotherAwards verliehen und wir hoffen ihr seid genauso gespannt auf die Gala wie wir.

Mit besten Grüßen aus Bielefeld
Konstantin und das ganze Team von Digitalcourage

Inhalt

1  Chatkontrolle

2  Geschichten von Digitalcourage-Mitgliedern

3  BigBrotherAwards: Live-Übertragungen anmelden

4  Fedicamp: Anmeldung jetzt möglich

5  Tech-Tipp: Owncast

6  Shop: Vorbestellung jetzt möglich für „Screen Teens“ und „Digitale Mündigkeit“

7  Termine

1  Chatkontrolle

Beim aktuell größten Angriff auf unsere Freiheitsrechte gibt es Neuigkeiten: Die Chatkontrolle geht in die nächste Runde. Chatkontrolle ist der Plan der EU-Kommission, uns alle automatisch, nämlich mit Hilfe unserer Smartphones, zu überwachen, private und öffentliche Kommunikation zu kontrollieren, Uploadfilter, Alterskontrollen für Apps und andere Onlinedienste einzuführen und mit Netzsperren die freie Internetnutzung einzuschränken.

Im Europäischen Parlament wollte man der hauseigenen Folgenabschätzung der EU-Kommission zu dem Überwachungspaket wohl nicht ganz trauen und gab eine eigene in Auftrag. Und diese kommt zu einem vernichtenden Urteil. Die wichtigsten Punkte der Studie und die Höhepunkte der Anhörung im Ausschuss, jetzt bei uns im Blog:
https://digitalcourage.de/blog/2023/chatkontrolle-anhoerung-ep

Von der Bundesregierung ist aktuell nicht viel Unterstützung zu erwarten. Medienberichten zufolge hat sie sich geeinigt … und zwar darauf, sich zu wichtigen Teilen nicht einigen zu können. Ein Armutszeugnis für die Ampelkoalition und das ist sicher nicht das letzte Wort, das wir in dieser Angelegenheit verlieren werden. Wir werden nicht akzeptieren, dass die Regierung das Thema aussitzt – und es so durch Nichthandeln durchgehen lässt.

In der Zwischenzeit müssen wir aber Dinge selbst in die Hand nehmen – und mit „wir“ sind wir alle gemeint. Wir müssen den Abgeordneten im Europäischen Parlament klarmachen, dass wir die Chatkontrolle ablehnen und sie bei den Europawahlen 2024 an ihrer Position zu dem Überwachungspaket mit der Chatkontrolle messen werden. Als Starthilfe haben wir in unserem Blog eine Vorlage für eine E-Mail bereitgestellt. Werdet jetzt aktiv und schreibt euren Abgeordneten:
https://digitalcourage.de/blog/2023/chatkontrolle-aktion-mailing

2  Geschichten von Digitalcourage-Mitgliedern

„Meine Aufmerksamkeit ist beruflich bedingt. Immer in der IT und immer im Kontext von Netzwerken und Telekommunikation. Und so langsam nimmt alles ein Ausmaß an, dass ich beginne, die Lust an den Themen zu verlieren, für die ich ursprünglich so gebrannt habe. Und das liegt nicht an der Technik, sondern daran, wie sie Arschlöcher für ihre kurzfristigen Ziele missbrauchen. Und da seid ihr, ein Haufen von mit Idealismus und Engagement beseelten Leuten, einfach ein Lichtblick und ein, zumindest kleiner, Funken Hoffnung.“

An dieser Stelle zitieren wir Mitglieder, die erzählen, wie sie zu Digitalcourage gefunden haben. Diese Geschichten und Euer Vertrauen geben uns jedes Mal wieder einen Motivationsschubser. Ohne die Unterstützung unserer vielen Mitglieder gäbe es uns und unsere Arbeit in dieser Form nicht. Dankeschön! Es ist großartig, dass es Euch gibt.

3  BigBrotherAwards: Live-Übertragungen anmelden

Die BigBrotherAwards 2023 finden am Freitag, dem 28. April von 18 bis 20 Uhr in der Hechelei in Bielefeld statt. An vielen Orten haben Menschen, die nicht nach Bielefeld kommen können, auch bereits Live-Übertragungen angemeldet: In Braunschweig, Bremen, Düsseldorf, Hamburg, Kiel, Merseburg, Stuttgart, Tübingen und Wülfrath im Kreis Mettmann kann gemeinsam geschaut werden. Ob im lokalen Hackspace, im kleinen Café oder im Vereinsheim: Damit möglichst viele Menschen an den BigBrotherAwards teilhaben können und die „Preisträger.innen“ das Rampenlicht für ihre Überwachungspraktiken bekommen, das sie eigentlich lieber nicht hätten. Eure Stadt ist noch nicht dabei? Dann meldet über unser Formular eine Live-Übertragung an, und wir unterstützen die Veranstaltung Werbematerialien (bei Anmeldungen bis zum 19. April 2023) und Öffentlichkeitsarbeit:
https://digitalcourage.de/blog/2023/bba2023-live-uebertragungen

4  Fedicamp: Anmeldung jetzt möglich

Das Fedicamp ist eine Wiese neben dem stillgelegten Gasthaus Wiese am Rand eines Dorfs im Wendland. Das erste Fedicamp 2022 war klein und chaotisch. Das zweite wird wahrscheinlich etwas größer, aber es soll ein zwangloses Camping verschiedenster Menschen bleiben, die sich auf irgendeine Weise mit dem Fediverse verbunden fühlen. Nicht nur Expert.innen sind willkommen! Auch wir wollen dieses Jahr wieder am Fedicamp (18.–23. Juli) teilnehmen. Alles Weitere und die Anmeldung:
https://fedi.camp/

5  Tech-Tipp: Owncast

Ein Teil der heutigen Internetkultur ist es, in Livestreams mit vielen Menschen Computerspiele gemeinsam zu erleben, Musik aufzulegen oder einander an Bastelprojekten teilhaben zu lassen. Diese Kombination aus Videoübertragung und interaktivem Chat findet aktuell leider hauptsächlich auf den überwachungskapitalistischen Plattformen YouTube oder Twitch statt, welche die Nutzer.innen ausforschen und dann Daten über ihre so erfassten Interessen und ihre Aufmerksamkeit verkaufen. Das ist schade, denn eine offene Kommunikationsgesellschaft, in der wir einander an unseren Interessen und an unserem Wissen teilhaben lassen können, birgt viele Potentiale für eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter. Zum Glück gibt es das Fediverse und den Versuch, dort faire und nachhaltige Alternativen aufzubauen. Owncast ist ein solches Projekt zur Einrichtung eines Echtzeit-Video- und Audio-Streaming-Servers sowie eines Online-Chats. Owncast ist noch in einem frühen Stadium der Entwicklung, bietet aber bereits jetzt viele Möglichkeiten. Natürlich lebt interaktive Internetkultur von den Menschen, die miteinander kommunizieren. Also im Fall von Owncast, dass es Livestreams gibt, dass Menschen zuschauen und mitdiskutieren und dass sich – wie bei jeder freien und offenen Software – Menschen in der Weiterentwicklung engagieren. Wir finden das Projekt Owncast sehr spannend. Schaut es euch auch mal an (Website Englisch, Livestreams in verschiedenen Sprachen):
https://directory.owncast.online/

6  Shop: Vorbestellung jetzt möglich für „Screen Teens“ und „Digitale Mündigkeit“

Screen Teens – Wie wir Jugendliche in die digitale Verantwortung begleiten“. Dieses Buch bietet insbesondere Eltern und Pädagog.innen Tipps, Perspektiven und Wissen, um gemeinsam mit Jugendlichen durch digitale Welten zu navigieren und sowohl Chancen als auch Risiken besser einschätzen zu können. Unsere engagierte Medienpädagogin Jessica Wawrzyniak vermittelt fachkundig und einfühlsam zwischen den Generationen und zeigt, wie man angstfrei und kompetent Brücken in die digitale Verantwortung baut.
https://shop.digitalcourage.de/screen-teens-jessica-wawrzyniak.html

Digitale Mündigkeit – Wie wir mit einer neuen Haltung die Welt retten können“. Dieses Buch weist Wege in die digitale Mündigkeit und liefert das Rüstzeug zum kritischen Denken und Handeln. Die Autorin Leena Simon ist Netzphilosophin bei Digitalcourage. Sie prägte den Begriff „Digitale Mündigkeit“, als ihr auffiel, dass wir uns durch bevormundende Technik den Sinn für Verantwortung abgewöhnen (lassen). Ihr Mantra: „Egal, wie gut du dich mit Computern auskennst: Mach dir zum Ziel, mündig damit umzugehen, stell dich der Verantwortung, und der Rest kommt dann (fast) von allein.“ Das Buch zeigt auf, wie man sich dieser Verantwortung stellt, und illustriert dies mit vielen bunten Beispielen.
https://shop.digitalcourage.de/leena-simon-digitale-muendigkeit.html

Beide Bücher können jetzt vorbestellt werden.

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