Newsletter vom 13.06.2023

Ganz klassische Ermittlungsarbeit

Protest gegen Chatkontrolle, Neues von unserer Klage gegen den DB Navigator, Aktivkongress 2023 und vieles mehr

Liebe Leute,

wenn sich am Mittwoch die Innenministerinnenkonferenz in Berlin trifft, dann passiert das unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und strikter Geheimhaltung. Wir finden, diese Versammlung sollte sich – trotz ihres hohen Risikos für unsere Grundrechte – nicht vor der Öffentlichkeit verstecken. Wir haben deshalb ermittelt, wo sich die EU-Überwachungskommissarin Ylva Johansson mit den deutschen Innenminister.innen trifft, damit wir unseren bunten und kreativen Protest gegen die Chatkontrolle in Sicht- und Hörweite tragen können.

Übrigens: Dazu haben wir keine Chatkontrolle auf den Endgeräten der Politiker.innen oder andere Überwachungsmaßnahmen gebraucht. Den geheimen Tagungsort der Innenminister.innen konnten wir mithilfe ganz klassischer Ermittlungsarbeit finden. Vielleicht ist das ja mal eine Inspirationsquelle für die deutschen und europäischen (Un-)Sicherheitspolitiker.innen.

Mit besten Grüßen aus Bielefeld

Julia Witte, Konstantin Macher
und das gesamte Team von Digitalcourage

Inhalt

1  Morgen: Protestaktion gegen die Chatkontrolle

2  Geschichten von Digitalcourage-Mitgliedern

3  Neues von unserer Klage gegen den DB-Schnüffelnavigator

4  Politthriller ums KI-Gesetz

5  Aktivcongress: Noch einige Plätze für Spontane

6  Public Data Sprint Braunschweig am 23. und 24. Juni 2023

7  Überwachungsgesamtrechnung: Ausschreibung

8  Praktikum bei Digitalcourage

9  Digitalcourage-Shop: Lektüretipps für den Sommer

  9.1  Unterhaltsam und erhellend

  9.2  Für Tüftler.innen ab 6 Jahren

  9.3  Zum Nachdenken

  9.4  Blick über den Tellerrand

10  Termine

 

1. Morgen: Protestaktion gegen die Chatkontrolle

Überwachungspolitiker.innen greifen das „digitale Briefgeheimnis“ an. Mit der Chatkontrolle plant die EU-Kommission den Totalangriff auf unsere vertrauliche und sichere Kommunikation. Die zuständige EU-Innenkommissarin Ylva Johansson ist vom 14. bis 16. Juni 2023 in Berlin bei der deutschen Innenminister.innenkonferenz zu Gast und wird dort für ihre Überwachungspläne werben. Dabei warnen sämtliche Expert.innen, dass die Chatkontrolle nicht nur ein unverhältnismäßiger Eingriff in unsere Grundrechte ist. Sie ist auch technisch nicht geeignet, ihr erklärtes Ziel zu erreichen und würde obendrein unser aller IT-Sicherheit gefährden. Deshalb protestieren wir gegen das Chatkontrolle-Überwachungspaket.

Kommt dazu und erteilt der Chatkontrolle eine Absage. Briefgeheimnis retten, Chatkontrolle stoppen!

Ort: Budapester Straße 25, 10787 Berlin (gegenüber Hotel Pullmann)
Zeit: Mittwoch, 14. Juni, 12–14 Uhr

Alle Informationen zur Protestaktion in unserem Blog:
https://digitalcourage.de/blog/2023/chatkontrolle-protestaktion-imk

 

2.  Geschichten von Digitalcourage-Mitgliedern

„Ich beziehe seit Ewigkeiten den Newsletter. Und irgendwann dachte ich, ich sollte die Arbeit doch mal dauerhaft unterstützen. Den Ausschlag gegeben hat die Nachricht zum DB Navigator, den ich selbst sehr häufig nutze. Ich möchte ihn auch gern weiter nutzen und finde es sehr gut, dass ihr der Bahn da auf die Finger schaut und auch vor einer juristischen Auseinandersetzung nicht zurückschreckt!”

An dieser Stelle zitieren wir Mitglieder, die erzählen, wie sie zu Digitalcourage gefunden haben. Diese Geschichten und Euer Vertrauen geben uns jedes Mal wieder einen Motivationsschubser. Ohne die Unterstützung unserer vielen Mitglieder gäbe es uns und unsere Arbeit in dieser Form nicht. Dankeschön! Es ist großartig, dass es Euch gibt.

 

3.  Neues von unserer Klage gegen den DB-Schnüffelnavigator

Eine 148 Seiten lange Klageerwiderung hat die Bahn verfassen lassen, inklusive vieler nichtssagender Anhänge. Im Oktober 2022 hatten wir Klage gegen die App DB Navigator eingereicht, weil der Schnüffel-Navigator viele persönliche Informationen weitergibt – ohne dass Nutzer.innen sich dagegen wehren könnten. In ihrer Klageerwiderung liefert die Bahn zwar ausführliche Einblicke in ihre interne Konzernorganisation und -prozesse, weiterführende Details zur Datenverarbeitung bei der App gibt sie aber nicht preis. Kurz gefasst teilt die Bahn in dem Schriftsatz mit: Sie möchten gerne so weiter machen.

Wir haben dem Gericht unsere Erwiderung bereits zugestellt und noch mal erklärt, warum die Bahn nicht einfach weiter ihre Nutzer.innen tracken darf, ohne ihnen eine Möglichkeit zu geben, dies abwählen zu können. Denn höchstrichterliche Rechtsprechung und die Handlungsempfehlungen und Sanktionspraxis der europäischen und deutschen Datenschutz-Aufsichtsbehörden haben längst klargestellt: Nicht abwählbare Tracker dürfen nur eingesetzt werden, wenn sie objektiv unbedingt erforderlich sind. Es reicht nicht, dass ein Anbieter diese Tracker einfach nur ganz dringend einsetzen will, weil das zum Geschäftsmodell gehört. Der nächste Schritt bei unserer Klage wird die Verhandlung sein, ein Termin wurde noch nicht bekannt gegeben.

 

4.  Politthriller ums KI-Gesetz

Heute (Dienstag, 13. Juni, angesetzt ab 13 Uhr) findet im Europäischen Parlament die Schlussdebatte zum sogenannten KI-Gesetz (AI Act) statt. Nach über zwei Jahren Verhandlung soll dann am Mittwoch abgestimmt werden. Und es bahnt sich ein politischer Thriller an: Obwohl sich die Fraktionen zuletzt auf einen Kompromiss verständigt hatten, der unsere Forderung nach einem Verbot biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum in Teilen erfüllt, hat die Fraktion der europäischen Konservativen (EVP, darunter die deutschen Parteien CDU/CSU), diese Einigung auf den letzten Metern aufgekündigt. Damit geht es diese Woche wieder um alles: Wird das Europäische Parlament für ein konsequentes Verbot biometrischer Massenüberwachung stimmen oder sie stattdessen gar legalisieren?

Heute ist die letzte Chance, Europaabgeordnete zu kontaktieren und ein Verbot biometrischer Massenüberwachung zu fordern! Deren Kontaktmöglichkeiten lassen sich über diese Website finden:
https://www.tttp.eu/

 

5.  Aktivcongress: Noch einige Plätze für Spontane

Ausgehungert nach persönlichen Treffen und interessiert, an digitalpolitischen Themen zu arbeiten? Der Aktivcongress ist ein Vernetzungstreffen von Aktiven und solchen, die es werden wollen. Er findet vom 13. bis 16. Juli 2023 in Remscheid statt und wird von den Teilnehmenden vor Ort gestaltet. Der Aktivcongress ist also kein Event zum Zurücklehnen und Konsumieren, sondern eine Veranstaltung für alle, die sich einbringen und etwas tun wollen: mit Workshops, Diskussionen, Vorträgen und Planungstreffen, aber auch mit Zeit für kreativen Austausch und Vernetzung.

Achtung! Die Anmeldefrist läuft morgen (Mittwoch, 14. Juni 2023) aus. Danach gibt es bis Ende der Woche noch eine Warteliste.

Mehr Informationen zum Aktivcongress und den Themen auf unserer Website:
https://digitalcourage.de/blog/2023/aktivcongress-2023

 

6.  Public Data Sprint Braunschweig am 23. und 24. Juni 2023

Erforscht gemeinsam mit anderen soziale Netzwerke! Bei einem „Public Data Sprint” arbeiten interessierte Laien und Wissenschaftler.innen zusammen, um innerhalb eines kurzen Zeitraumes ein Forschungsthema gemeinsam aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.

Beim kommenden Public Data Sprint in den Räumlichkeiten der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig geht es um diese Forschungsfragen: Wie sind Politiker.innen in sozialen Medien vernetzt? Wer spricht mit wem worüber?

Jede.r kann teilnehmen, es sind keine Vorkenntnisse notwendig. Die Arbeitsweisen und der Umgang mit der verwendeten Lernplattform werden während der Veranstaltung erklärt, so dass alle am Ende in der Lage sind, die Grundlagen sozialer Netzwerkforschung zu verstehen und die Methoden auch selbstständig in (außer-) schulischen politischen Bildungsformaten einzusetzen. Die Veranstaltung wird in Kooperation mit der Lernplattform EPINetz, dem Citizen-Science-Projekt “Gemeinsam Gesellschaft erforschen” (GINGER) der Universität Bremen, der Ortsgruppe Braunschweig des Digitalcourage e. V. sowie der Landeszentrale für politische Bildung Niedersachsen ausgerichtet.

Anmeldung und mehr Informationen auf einer Info-Website der Digitalcourage Ortsgruppe Braunschweig:
https://dcbs.codeberg.page/datasprint-website/

 

7.  Überwachungsgesamtrechnung: Ausschreibung

Wenn viele einzelne Überwachungsmaßnahmen des Staates zusammenkommen, führt das dazu, dass Menschen sich permanent beobachtet fühlen. Und das schadet unserer Demokratie. 2010 hat das Bundesverfassungsgericht festgehalten, dass die Summe aller Überwachungsmaßnahmen ein gewisses Maß nicht überschreiten soll. Bisher war das allerdings graue Theorie. Die Ampel-Regierung hatte im Koalitionsvertrag beschlossen, eine Überwachungsgesamtrechnung aufstellen zu wollen, die einen Überblick über alle bestehenden Überwachungsmaßnahmen schafft. Das Bundesinnenministerium hat dieses Projekt jetzt ausgeschrieben. Es soll eine wissenschaftliche und evidenzbasierte Untersuchung gemacht werden, die aufzeigt, welche Auswirkungen bestehende Überwachungsbefugnisse auf Freiheit und Demokratie haben. Der Abschlussbericht soll spätestens 31.12.2024 vorliegen. Gesucht werden dazu laut Ausschreibung Wissenschaftler.innen aus Forschungsprojekten oder mit einer Lehrtätigkeit im Bereich Öffentliche/Innere Sicherheit und/oder mit Expertise im Bereich Sicherheitsrecht.

Ob die Überwachungsgesamtrechnung wirklich Aussagekraft hat, hängt ganz davon ab, wie gründlich das Vorhaben jetzt umgesetzt wird. Deshalb hoffen wir, dass sich engagierte Wissenschaftler.innen bewerben!

Offizielle Ausschreibung für das Erstellen einer Überwachungsgesamtrechnung:
https://www.evergabe-online.de/tenderdetails.html?id=519340

 

8.  Praktikum bei Digitalcourage

Kaffee kochen können wir selber. Deshalb suchen wir junge Menschen, die gut schreiben können, hartnäckig und sorgfältig recherchieren (on- und offline) und Lust haben, zusammen mit uns die Verleihung der BigBrotherAwards zu organisieren. Junge Menschen, die genau wie wir dafür brennen, sich für eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter einzusetzen. Was wir uns von Praktikant.innen wünschen: Motivation, etwas zu lernen, politisches Engagement, Eigeninitiative, Computerkenntnisse, Kreativität, selbstständiges Arbeiten und Organisationstalent.

Bewerbungen bitte an bewerbung@digitalcourage.de, Fragen beantworten wir auch gerne telefonisch unter 0521 1639 1639.

Mehr Infos und Erfahrungsberichte ehemaliger Praktikant.innen:
https://digitalcourage.de/praktikum. Gerne auch weiterleiten an Bekannte, Freundinnen, Nachbarn oder Nichten, die interessiert sein könnten.

 

9.  Digitalcourage-Shop: Lektüretipps für den Sommer

9.1  Unterhaltsam und erhellend

Unschuldsvermutung, Streik oder Meinungsfreiheit – viele rechtliche Errungenschaften sind für uns heute selbstverständlich. In diesem Buch erzählt der Anwalt und preisgekrönte Autor Bijan Moini anschaulich von dem weiten Weg, den wir zurückgelegt haben, um zu unserem Recht zu kommen – und von den Menschen, die unsere Gesetze formten. Anhand vieler Beispiele zeigt er, dass unser Rechtssystem entgegen mancher Unkenrufe von Gerechtigkeit geprägt ist – indem es Einzelne vor dem Staat schützt, die Schwachen vor den Mächtigen oder Verdächtige vor dem Mob. Ein spannender Blick auf Geschichte und Gegenwart unserer Gesetze.

”Unser gutes Recht. Was hinter den Gesetzen steckt.” von Bijan Moini in unserem Online-Shop:
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-buecher-und-broschueren/unser-gutes-recht.html

9.2  Für Tüftler.innen ab 6 Jahren

Das illustrierte Kinderbuch „Ada und Zangemann” erzählt die Geschichte vom berühmten Erfinder Zangemann und dem Mädchen Ada, einer neugierigen Tüftlerin. Ada beginnt mit Hard- und Software zu experimentieren und erkennt dabei, wie wichtig der eigenständige, freie Umgang mit Software für sie und andere ist. Ein Kinderbuch von Matthias Kirschner, dem Präsidenten der FSFE, das Freude am Tüfteln vermittelt und zum selbstbestimmten Umgang mit Technik aufruft.

Kinderbuch „Ada und Zangemann” von Matthias Kirschner:
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-buecher-und-broschueren/buch-ada-und-zangemann.html

9.3  Zum Nachdenken

Johannes Caspar zeigt in seinem Buch „Wir Datensklaven”, dass Demokratie, Freiheit und Solidarität auf der Kippe stehen. Doch wir können etwas dagegen tun. Es gilt, sogenannte Künstliche Intelligenz menschengerecht einzusetzen sowie soziale Plattformen und Dienste grundlegend zu demokratisieren. Informationelle Integrität für die Menschen und digitale Souveränität für demokratische Staaten müssen zentrale Werte werden. Der Autor diskutiert aktuelle EU-Regulierungsansätze zur Digitalisierung. Darüber hinaus entwirft er Wege, wie wir die Datenherrschaft künftig abstreifen können.

„Wir Datensklaven” von Johannes Caspar:
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-buecher-und-broschueren/buch-wir-datensklaven.html

9.4  Blick über den Tellerrand

Kaum ein anderes Land der Welt geht so restriktiv gegen Presse- und Meinungsfreiheit vor wie die Volksrepublik China. Die Proteste in Hongkong im Jahr 2019 sind nur ein Teil der Folgen dieser Politik, die auch auf Europa wirkt. Ausländische Reporter stehen zunehmend unter intensiver Beobachtung.

Der deutsche Journalist Marcel Grzanna gibt Einblicke in einen Staat, der sein Volk in Unfreiheit erzieht, und in die ständigen, bisweilen auch bedrohlichen Konfrontationen mit Polizei und Staatssicherheit während der Recherchen. Ein schonungsloser und zugleich persönlicher Bericht über die Mechanismen des größten Überwachungsstaates der Welt.

„Eine Gesellschaft in Unfreiheit. Ein Insiderbericht aus China, dem größten Überwachungsstaat der Welt.”
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-buecher-und-broschueren/buch-eine-gesellschaft-in-unfreiheit.html

10.  Termine