Newsletter vom 11.4.2025

Zombies im Koalitionsvertrag

Themen u. a.: Koalitionsvertrag bringt Zombies zurück, Überwachungswerbung, Technik-Tipps

Liebe Leute,

der Koalitionsvertrag ist da! Nach dem ersten Lesen müssen wir leider eine Zombie-Warnung aussprechen. CDU/CSU und SPD holen offenbar altbekannte Überwachungsmonster zurück ins Leben: Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen, automatisiertes Kfz-Kennzeichen-Scannen, Staatstrojaner, mehr Videoüberwachung an öffentlichen Orten, nachträglicher Abgleich biometrischer Gesichtserkennung mit Bildern im Internet.

Und der nächste Hammer: Die Verwaltung soll in Zukunft ausschließlich digital erreichbar sein. „Digital only“ heißt: Es soll keine Alternative mehr geben. Das ist institutionalisierter Digitalzwang! Damit wird die von uns geforderte Grundgesetzänderung, die allen Menschen den Zugang zur Daseinsvorsorge garantiert, noch einmal dringlicher. Das Recht auf ein Leben ohne Digitalzwang muss für alle gelten, die ein bestimmtes Gerät oder eine App nicht besitzen, nicht nutzen können oder – oft aus guten Gründen – nicht nutzen wollen.

Darüber hinaus soll künftig „Datennutzung“ vor Datenschutz stehen. Die geplanten Änderungen hat Digitalcourage-Vorstandsmitglied Thilo Weichert in einem Blogartikel kommentiert.

Wir versprechen: Wir werden alles daran setzen, die Überwachungszombies zurück in die Gruft zu schicken und gleichzeitig den Digitalzwang sowie die Entkernung des Datenschutzes zu bekämpfen. Solche Angriffe auf unsere Grundrechte haben wir schon oft abgewehrt – und das werden wir auch wieder schaffen. Mit Ihrer und Eurer Hilfe!

Mit besten Grüßen aus Bielefeld
Rena Tangens
und das ganze Team von Digitalcourage

 


Inhalt

 
1  Datennutzung statt Datenschutz?! – Kommentar von Thilo Weichert
2  Mitmachen: Wo gibt es das Deutschlandticket noch smartphonefrei?
3  vzbv-Gutachten zu personalisierter Werbung und unser Kommentar
4  Petition „Save Social“ im Bundestag übergeben
5  Technik-Tipps
  5.1  Nuudel – Termine finden, kleine Abstimmungen organisieren
  5.2  Wie sicher sind US-Cloud-Dienste mit Servern in Europa?
  5.3  #UnplugTrump: Digital unabhängig von Trump und Big Tech
6  Post an Digitalcourage
7  Shop
  7.1  Buchtipp: In der Social Media Falle von Björn Staschen
8  Digitalcourage in den Medien
9  Termine

1  Datennutzung statt Datenschutz?! – Kommentar von Thilo Weichert

In den aktuellen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zeichnen sich besorgniserregende Pläne ab: Das Grundrecht auf Datenschutz droht zugunsten wirtschaftlicher Interessen ins Hintertreffen zu geraten. Thilo Weichert, Vorstandmitglied bei Digitalcourage und ehemaliger Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein (2004–2014) kommentiert das geplante Vorgehen auf dem Blog von Digitalcourage.

https://digitalcourage.de/blog/2025/koalitionsverhandlungen-datennutzung-statt-datenschutz-kommentar

2  Mitmachen: Wo gibt es das Deutschlandticket noch smartphonefrei?

Viele Verkehrsbünde bieten das Deutschlandticket ausschließlich über ihre eigenen Apps an. Wer spontan ohne Handy Bus oder Bahn fahren will, hat Pech: Kein Empfang? Akku leer? Dann droht schnell ein erhöhtes Beförderungsentgelt von 60 Euro. Wer nicht permanent getrackt werden möchte oder schlicht kein Smartphone besitzt, wird ebenfalls vor Probleme gestellt.

Aber es gibt noch Verkehrsunternehmen, die das Deutschlandticket in analoger Form ausgeben, zum Beispiel als Chipkarte oder ausgedruckten QR-Code.

Digitalcourage möchte eine Übersicht zusammenstellen, wo und in welcher Form das Deutschlandticket ohne App-Zwang möglichst datensparsam und analog erhältlich ist – und dafür brauchen wir Eure Unterstützung.


Habt Ihr Hinweise auf solche Möglichkeiten?
Dann schreibt bitte eine Mail an: deutschlandticket@digitalcourage.de

(Falls Ihr nicht alle Fragen beantworten könnt, keine Sorge – wir freuen uns auf jeden Fall über Euren Hinweis.) 

  • Stadt
  • Name des Verkehrsunternehmens
  • In welcher Form (Karte, Ausdruck etc.) – außerhalb einer App – wird das Deutschlandticket angeboten?
  • Sonstige Anmerkungen (Link zum Angebot etc.)

Sobald wir genug Informationen gesammelt haben, veröffentlichen wir auf unserer Website eine Liste mit allen uns bekannten Ausgabestellen für das analoge Deutschlandticket. So machen wir gemeinsam sichtbar: Es geht auch ohne Digitalzwang. Vielen Dank für’s Mitmachen!

Wir haben den Aufruf auch auf dem Blog von Digitalcourage veröffentlicht:
https://digitalcourage.de/blog/2025/aufruf-deutschlandticket-ohne-app-zwang

3  vzbv-Gutachten zu personalisierter Werbung und unser Kommentar

Ein aktuelles Gutachten des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zeigt: Tracking und Profilbildung zu Werbezwecken stellen Risiken für Verbraucher und Gesellschaft dar. Diese Praktiken führen zu Manipulation, Diskriminierung und Vertrauensverlust. Die Verbraucherzentrale fordert deshalb ein neues EU-Gesetz, das Tracking-basierte Werbung verbietet. Dem Gutachten nach reichen dafür bestehende Gesetze wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das Digitale-Dienste-Gesetz (DSA) nicht aus.

Digitalcourage ist Mitglied im vzbv und fordert schon lange ein solches Verbot. Vor allem bei Online-Werbung werden die Auswirkungen von unregulierter Überwachung deutlich: In Echtzeit erstellen Werbeanbieter Profile von uns und verkaufen unsere Aufmerksamkeit beim Surfen an den Höchstbietenden. Schon 2013 haben wir Google deshalb als den größten „Daten-Auktionator“ mit einem BigBrotherAward ausgezeichnet.

vzbv-Gutachten zu personalisierter Werbung
https://www.vzbv.de/pressemitteilungen/personalisierte-werbung-regulierung-ueberfaellig

BigBrotherAward für Google 2013, Kategorie “Globales Datensammeln”
https://bigbrotherawards.de/2013/google

BigBrotherAward für Google 2023 Kategorie “Was mich wirklich wütend macht”
https://bigbrotherawards.de/2021/google

4  Petition „Save Social“ im Bundestag übergeben

Was haben Dr. Eckart von Hirschhausen, Ralph Ruthe, Marc-Uwe Kling, Nina George, Dota Kehr, Rocko Schamoni, Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin und Jan Delay gemeinsam? Sie unterstützen die Initiative “Save Social” – eine Kampagne, die soziale Netzwerke als demokratische Kraft retten will. Seit rund einem Monat läuft die Kampagne bei weact – inzwischen haben sich über 257.000 Menschen der Forderung angeschlossen: ein starkes Signal!

Am 25. März 2025 hat Save Social die dazugehörige Petition an Abgeordnete im Bundestag übergeben. Die ausgedruckte Unterschriftensammlung in Telefonbuchstärke macht deutlich, wie viele Menschen den aktuellen desolaten Zustand der großen sozialen Netzwerke nicht weiter hinnehmen wollen. Die Unterzeichner.innen fordern: Die Digitale Öffentlichkeit muss demokratisch gestaltet und kontrolliert werden. Digitalcourage war bei der Übergabe im Bundestag dabei.

Mehr zu „Save Social“ und der Übergabe der Petition auf der Website von Digitalcourage:
https://digitalcourage.de/blog/2025/petition-save-social-uebergeben

kurz&mündig über das Fediverse:
https://shop.digitalcourage.de/digitalcourage-buecher-und-broschueren/kum/kurz-und-muendig-fediverse.html

5  Technik-Tipps

5.1  Nuudel – Termine finden, kleine Abstimmungen organisieren

Ob Videokonferenz im Homeoffice oder das nächste Gruppentreffen im Park: Terminabsprachen müssen nicht in endlosen Hin und Her enden oder über die Angebote von zwielichtigen Firmen laufen. Mit Nuudle, dem datensparsamen Umfragetool von Digitalcourage, geht das ganz einfach und sicher.

Nuudel (https://nuudel.de) läuft mit Framadate und speichert nur, was Ihr speichern wollt.

  • Betrieben von Digitalcourage
  • Trackt nicht
  • Datenschutzfreundlich
  • Auftragsdatenverarbeitungsvertrag möglich
  • Funktioniert auch im Tor-Netzwerk
  • Löscht automatisch nach dem Ende der Umfrage sämtliche Daten
  • Kostenfrei (wir freuen uns über Spenden)

Nuudel wird intensiv genutzt – von Privatpersonen, Stadtverwaltungen, Universitäten, großen Firmen bis zum kleinen Ruderverein. Aktuell sind bei unserem nuudel über eine Million Umfragen gleichzeitig aktiv.

So geht‘s: nuudel.de aufrufen und zwischen Terminumfrage und Ja–nein–vielleicht-Umfrage wählen. Alles Weitere erklärt sich von selbst.

5.2  Wie sicher sind US-Cloud-Dienste mit Servern in Europa?

Mike Kuketz hat die Sicherheit von Cloud-Diensten von Firmen aus den USA untersucht, die damit werben, dass ihre Server in Europa stehen und die Daten mit einem eigenen Schlüssel verschlüsselt würden. Sein Fazit: Weder der Standort der Server noch der Einsatz eigener Schlüssel bieten echten Schutz vor Zugriffen durch US-Behörden oder Geheimdienste.

Dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gerade eine Kooperationsvereinbarung für den Aufbau “sicherer und souveräner Cloud-Lösungen für Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene” mit Google abgeschlossen hat, lässt uns zweifeln, dass das BSI die aktuellen politischen Entwicklungen überhaupt zur Kenntnis nimmt.

Kuketz-Blog: Server in der EU und eigene Schlüssel: Schützt das vor US-Zugriffen?
https://www.kuketz-blog.de/server-in-der-eu-und-eigene-schluessel-schuetzt-das-vor-us-zugriffen/

Cloud einfach erklärt – BigBrotherAward 2012
https://bigbrotherawards.de/2012/cloud

5.3  #UnplugTrump: Digital unabhängig von Trump und Big Tech

Im Kuketz-Blog gibt es eine wunderschöne Sammlung von 30 Tipps, wie wir uns unabhängig von Trump und Big Tech machen können. Mit dieser Serie will das Team vom Kuketz-Blog zeigen, wie viele kleine aber wirkungsvolle Möglichkeiten es gibt, sich digital von Trump und den großen Tech-Oligarchen abzukoppeln und gleichzeitig eine gerechtere, unabhängige Digitalwelt zu fördern.

Zuerst veröffentlicht auf Mastodon, jetzt einmal zusammengefasst im Blog:

UnplugTrump – 30 Tipps
https://www.kuketz-blog.de/unplugtrump-mach-dich-digital-unabhaengig-von-trump-und-big-tech/

Wer auf der Suche nach europäischen Alternativen zu US-amerikanischen Onlinediensten ist, sollte einen Blick auf die Seite European Alternatives von Constantin Graf werfen. Dort findet sich eine Liste mit europäischen Alternativen – von Cloud-Anbietern bis zu Chat-Programmen – um sich digital von den USA unabhängig zu machen.

European Alternatives
https://european-alternatives.eu/alternatives-to

6  Post an Digitalcourage

Ein Student aus Indien hat einen Studienplatz in Deutschland erhalten, verzweifelte jedoch nach der Zusage an den Fehlern des neuen digitalen Visumverfahrens. Sein Antrag wurde abgelehnt – angeblich weil er die falsche Visumskategorie gewählt habe. Doch im Online-Portal gab es gar keine Möglichkeit, eine andere Kategorie auszuwählen. Nach langer Wartezeit in der sich niemand für ihn zuständig fühlte, bestätigt ihm schließlich ein Mitarbeiter der Digitalabteilung des Auswärtige Amts, dass es ein “bekannter Fehler” ist. Auf sein Visum wartet der Student dennoch bis heute – mit gravierenden Folgen: Er wird zu spät für den Semesterstart in Deutschland eintreffen, hat seinen Flug verpasst und seinen Platz in einer Wohngemeinschaft verloren.

Er schildert seine Erfahrungen gegenüber Digitalcourage und zeigt damit eine weitere Dimension des Digitalzwangs: Wenn ausschließlich das Online-Formular zählt und bei Fehlern kaum noch Menschen erreichbar sind, kann das schwerwiegende Folgen haben. Der Student schreibt:

„Ich habe den Eindruck, dass Digitalisierung hier nicht zum Wohle der Bürger.innen umgesetzt wurde – sondern ohne Rücksicht auf Konsequenzen, ohne Verantwortung und ohne Transparenz.

Deshalb möchte ich Ihnen von Herzen danken. Ihre Arbeit ist nicht nur wichtig, sondern dringend notwendig. Sie geben Menschen wie mir eine Stimme – Menschen, die durch bürokratische Digitalprozesse ins Abseits geraten.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft, Erfolg und Aufmerksamkeit für Ihre wertvolle Arbeit.“

Solche Nachrichten motivieren uns, weiter jeden Tag unser Bestes zu geben. Herzlichen Dank!

7  Shop

7.1  Buchtipp: In der Social Media Falle von Björn Staschen

In seinem Buch „In der Social Media Falle“ analysiert Journalist Björn Staschen die Gefahren, die von Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok und X (ehemals Twitter) für die Demokratie ausgehen. Er zeigt auf, wie wenige Konzerne über die Regeln der digitalen Kommunikation bestimmen und damit die freie Meinungsbildung bedrohen. Staschen argumentiert, dass diese Plattformen gezielt Abhängigkeiten schaffen und demokratische Prozesse verzerren. Er plädiert für digitale Selbstverteidigung, den Einsatz alternativer Dienste wie Mastodon und eine stärkere Regulierung durch die Politik. Das Buch ist ein leidenschaftlicher Appell für mehr digitale Mündigkeit und ein Weckruf gegen die Bequemlichkeit im Netz.

https://shop.digitalcourage.de/themen/fediverse-artikel-merchandise/buch-in-der-social-media-falle.html

8  Digitalcourage in den Medien

9  Termine

 

Digitalcourage e.V.

Marktstraße 18 
33602 Bielefeld 
Deutschland

Tel: +49 521 1639 1639 
Fax: +49 521 61172 
mail@digitalcourage.de

Für Bürgerrechte, Datenschutz und eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter