Die Macht der Digitalkonzerne beschränken – Für eine digitale Grundversorgung im 21.Jahrhundert!

"Google muss zerschlagen werden" forderten Rena Tangens und padeluun bereits anlässlich des BigBrotherAwards 2013 an den Internet-Giganten. Wir haben den Referentenentwurf des GWB analysiert und einen umfangreichen Forderungskatalog veröffentlicht.

Digitalcourage steht für „eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter“. Wichtige Grundprinzipien, die wir dabei verfolgen, sind Dezentralität, offene Systeme und das Verringern von Machtungleichgewicht. Denn Machtkonzentration lädt ein zum Machtmissbrauch. Aus diesem Grund beobachten wir seit vielen Jahren die „Global Player“-Firmen auf dem Datenmarkt sehr kritisch. Und wir sehen mittlerweile das Wettbewerbsrecht als eine Möglichkeit, ihre Macht einzuschränken.

Mit der 10. Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) hat die Bundesregierung sich 2019 vorgenommen, das Kartellrecht fit für das digitale Zeitalter zu machen. Das Ergebnis ist – gemessen an den Herausforderungen durch die zunehmende Macht der Digitalkonzerne – ernüchternd.

Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern in der Initiative „Konzernmacht beschränken“ haben wir den Referentenentwurf des GWB analysiert und einen weiterführenden, umfangreichen Forderungskatalog veröffentlicht.

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Das Problem: Machtkonzentration behindert den Wettbewerb

Internetgiganten wie Google/Alphabet, Amazon, Apple und Facebook dominieren die digitale Ökonomie. Internetplattformen wie Flixbus und Booking.com verfügen über hohe Marktanteile. Wichtige Märkte sind bereits in der Hand von einem Konzern (Monopole) oder werden von einigen wenigen Konzernen beherrscht (Oligopole).

  • Die digitale Ökonomie ist von Winner-takes-it-all-Märkten geprägt. Wenn einer von mehreren Konkurrenten es schafft, eine kritische Masse zu erreichen, kann er sich auf dem Markt durchsetzen und die Bedingungen diktieren. Viele Digitalkonzerne legen es darauf an, ein Monopol zu erreichen. Peter Thiel, Gründer von Paypal und Palantir, Finanzier von Facebook, brachte das auf die Formel: „Competition is for losers“ (1).

  • So können diese Konzerne quasi als „Torwächter“ den Zugang zu milliardenschweren Märkten kontrollieren. Sie können Web-Entwickler.innen, Anbietern von Komplementärdiensten oder Händlern unverhältnismäßig hohe Kosten aufbürden, ihnen ausbeuterische Zugangsbedingungen diktieren oder den Zugang komplett verweigern.

  • Zwei- oder mehrseitige Märkte: Online-Plattformen verbinden oft mehrere Marktseiten miteinander, wobei der Nutzen der einen Marktseite von der Masse / Mitgliederzahl der anderen Seite abhängt. Beispiel: Google bietet seine Suchmaschine „gratis“ für die Nutzer.innen an. Geld verdient Google, indem es die Aufmerksamkeit der Nutzer.innen gezielt an Werbefirmen verkauft. Der Umsatz bei den Nutzer.innen kann so kein ausreichendes Kriterium für eine marktbeherrschende Stellung mehr sein – der Marktanteil von Google (86% weltweit, über 90% in Deutschland (2) und der Zugriff auf die Nutzungsdaten aber schon.

  • Doppelrolle: Google war anfangs nur eine Plattform, über die andere Firmen, ihre Produkten und Dienstleistungen findbar wurden; ähnliches gilt für Amazon, die anfangs nur ein Marktplatz waren, auf dem andere Firmen ihre Produkte angeboten haben. Später haben sie dann begonnen, eigene Produkte, Reisen usw. über den gleichen Kanal selbst zu verkaufen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Plattformen ihre eigenen Angebote per Ranking systematisch höher einstufen als die der Marktplatz-Kunden: Bereits 2017 hat die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eine Milliardenstrafe (3) gegen Google verhängt wegen Bevorzung eines eigenen Angebots. Weitere EU-Bußgelder wegen Missbrauch der Marktmacht sind gefolgt (4).

  • Die Digital-Konzerne beziehen ihren Gewinn aus der sogenannten "Überwachungs- dividende“ ((5) Shoshana Zuboff, Buch „Überwachungskapitalismus“). Je ausgeklügelter das Datensammeln ist, desto stärker wird es dazu genutzt, die Nutzer.innen zu manipulieren. Die Zeitschrift Economist brachte es so auf den Punkt (6): Wer am tiefsten in das Privatleben von Menschen eindringt („kommerzielle Überwachung“), die meisten Nutzer.innen bindet und möglichst intransparent Daten abgreift, gewinnt gleichzeitig enorm an Marktmacht.

Unsere weltweite Kommunikation, unsere Versorgung und unsere Wirtschaftssysteme hängen von diesen Konzernen ab. Die Machtkonzentration bringt Nachteile für uns alle als Bürger.innen und als Verbraucher.innen. Sie bedroht die Demokratie und den Zusammenhalt der Gesellschaft.

European Parliament, CC-BY 2.0
Margrethe Vestager, EU-Wettbewerbskommissarin

Die Lösung: Marktmacht regulieren. Aber wie?

Um diese Frage zu beantworten, muss man in Deutschland in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) schauen, das gerade novelliert wird. Ziel dieses Gesetzes ist die Erhaltung eines funktionierenden, ungehinderten und möglichst vielgestaltigen Wettbewerbs. Das Gesetz soll vor allem die Anhäufung und den Missbrauch von Marktmacht reglementieren und bekämpfen.

In der Praxis ist das Kartellrecht aber eng verknüpft mit einer marktgläubigen, herkömmlichen Wirtschaftspolitik, die mit dem Mantra der Effizienz und der Selbstkorrektur der Märkte verteidigt wird. Und das spiegelt sich leider im Entwurf zur 10. Novellierung des Wettbewerbsgesetzes (GWB-E) wider.

Doch schauen wir in die Details:

Was wird im Referentenentwurf geregelt?

Herzstück des Entwurfes ist die Einführung von §19a GWB-E, der sich auf Unternehmen mit überragender, marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb bezieht. Hier wird deutlich, dass der Referentenentwurf sich im Wesentlichen auf die Missbrauchsaufsicht konzentriert.

Missbräuchlich i.S.d. Kartellrechts sind Verhaltensweisen von marktbeherrschenden Unternehmen, die einem Unternehmen nur aufgrund seiner Marktmacht möglich sind und durch die andere Unternehmen in einer Weise behindert oder benachteiligt werden, die bei wirksamem Wettbewerb nicht möglich wäre.

Solche missbräuchlichen Praktiken sollen nun künftig nach Überwindung hoher Hürden untersagt werden können.

Wichtiger ist aber, was im Entwurf u.a. nicht angepackt wird:

  1. Bei der Fusionskontrolle (also wenn Unternehmen sich zusammenschließen) bleibt die Marktbedeutung der Digitalkonzerne leider unberücksichtigt. Damit können weiterhin übermächtige Digitalkonzerne systematisch kleine innovative Unternehmen in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung aufkaufen und damit den Markteintritt bzw. das Wachsen von Konkurrenz gezielt verhindern. Man spricht hier auch von Killerakquisitionen. Beispiel: Facebook hat WhatsApp gekauft und damit gezielt verhindert, dass sich hier anderes soziales Netzwerk als Konkurrenz aufbaut.

  2. Keine der vorgeschlagenen Neuerungen ermöglicht, dass wirtschaftliche Fehlentwicklungen rückgängig gemacht werden können. Eine nachträgliche Entflechtung („Zerschlagung“) wird nicht eingeführt. Bereits bestehende Monopole bleiben unangetastet. Die Bundesregierung hatte 2019 Entflechtungsregeln auf europäischer Ebene gefordert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie dann solche Regeln nicht selbst in Deutschland als „ultima ratio“ einführen will.

  3. Der Entwurf enthält keine Überlegungen, wie das Kartellrecht zukünftig zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und zur Erreichung globaler Nachhaltigkeitsziele beitragen kann.

Bundeskartellamt, CC-BY 4.0

Fazit

Die derzeit geplante 10. GWB-Novelle greift zu kurz. Der Regierungsentwurf ist in der vorliegenden Form nicht geeignet, um funktionierende digitale Märkte zu gewährleisten, Marktabschottung zu verhindern und die Marktmacht der Internetgiganten zu beschränken.

Aus diesem Grund fordern wir als Mitglied der Initiative „Konzernmacht beschränken“:

  1. Im Gesetz soll in § 19a GWB aufgelistet werden, was als Missbrauch der Marktmacht definiert wird. Insbesondere soll ein Selbstbegünstigungsverbot aufgenommen werden. (Missbrauchsaufsicht)

  2. Das Bundeskartellamt sollte bei Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung sogenannte Killerakquisitionen untersagen können. Es sollte hier eine Beweislastumkehr gelten (Fusionskontrolle).

  3. Auf jeden Fall sollte eine rechtliche Grundlage für eine nachträgliche, missbrauchsunabhängige Entflechtung als „ultima ratio“ geschaffen werden.

  4. Datenschutz- und Verbraucherschutzorganisationen sollten institutionell gestärkt werden. Sie sollten u. a. ein Antragsrecht auf die Einleitung eines Verfahrens beim Bundeskartellamt erhalten.

Darüber hinaus schlägt die „Initiative Konzernmacht beschränken“ vor:

Eine Änderung des Kartellrechtes allein reicht nicht aus. Wenn man davon ausgeht, dass es sich bei App-Märkten, Online-Marktplätzen, Suchmaschinen und sozialen Medien/Messengern um Güter handelt, die zur digitalen Grundversorgung im 21. Jahrhundert gehören, sollte die Bundesregierung den uneingeschränkten Zugang zu den Plattformmärkten gesetzlich sicherstellen. Dazu sollte die Bundesregierung ein “Plattformstrukturgesetz“ auf den Weg bringen, das die “Platzhirsche“ reglementiert:

  • Wir brauchen ein Verbot, Daten von unterschiedlichen Diensten zusammenzuführen (Beispiel WhatsApp und Facebook)
  • Online-Plattformen sollten gewährleisten, dass Nutzer.innen ihre Profile und Daten jederzeit zu einem anderen Dienst mitnehmen können und so die freie Wahl haben, mit wem sie Geschäfte machen (Datenportabilität).
  • Die Systeme der Online-Plattformen sind so zu gestalten, dass auch die Nutzer.innen von anderen Diensten mit ihnen kommunizieren können. (Interoperabilität). Positivbeispiel: E-Mail, denn die kann ausgetauscht werden, egal, bei welchem Provider jemand ist. Negativbeispiel: Facebook. Um mit anderen Menschen auf Facebook in Kontakt zu treten, brauche ich einen FB-Account.)
  • Zur digitalen Grundversorgung im 21. Jahrhundert gehört es auch, dass der Staat öffentliche Infrastrukturen bereitstellt bzw. unterstützt. Ein konkretes Beispiel: Ein europäischer Suchindex.

Der Gesetzentwurf der 10. GWB-Novelle wurde im September 2020 von der Bundesregierung gebilligt und liegt nun beim Bundestag und Bundesrat zur weiteren Beratung.

Wir bleiben dran!

Konkretes Beispiel für Digitale Grundversorgung: Der Europäische Suchindex

In puncto Suche im Internet ist Europa derzeit von der Gnade von vier Monopolen abhängig, die alle außerhalb der EU angesiedelt sind: Google(USA), Bing (USA), Yandex (Russland) und Baidu (VR China). Diese vier haben jeweils einen eigenen enorm großen Suchindex aufgebaut – eine Datenbank, in der alle findbaren Webseiten mit Inhalten und Links analysiert und geordnet abgespeichert sind. Andere, neue Suchmaschinen haben derzeit keine Chance auf dem Markt egal, wie gut ihre Suchalgorithmen, ihr Design oder ihr Geschäftsmodell ist. Denn der Vorsprung der großen vier mit ihrer Datenbank ist nicht einzuholen für eine einzelne kleine Firma. (Suchmaschinen wie Startpage und DuckDuckGo sind von Google bzw. Bing abhängig, deren Suchindex sie teilweise mitbenutzen dürfen)

Unser Vorschlag: Europa sollte mit öffentlichen Mitteln einen eigenen Suchindex aufbauen und diesen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Mit dem Zugriff auf diesen europäischen Suchindex würden europäische Firmen auch mit begrenztem Start-Budget endlich eine Chance im Suchmaschinenmarkt bekommen. Firmen, die effiziente Suchalgorithmen programmieren, gutes Design und andere Geschäftsmodelle statt „pseudo-gratis gegen Nutzerdaten” entwickeln, könnten sich etablieren.

Erfreulich: Auf unsere Initiative empfiehlt der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBGU) die Einrichtung eines Europäischen Suchindex in seinem Digitalisierungsgutachten und in seinem Politikpapier „Ein europäischer Weg in unsere gemeinsame digitale Zukunft“!