Paraguay macht's vor: Vorratsdatenspeicherung verhindert

In Zeiten von NSA-Skandal, BND-Affäre und Vorratsdatenspeicherung muss man manchmal schon ein wenig weiter über den Tellerrand schauen, um gute Nachrichten zu hören. Zum Beispiel in Paraguay.

In Zeiten von NSA-Skandal, BND-Affäre und Vorratsdatenspeicherung muss man sehr weit über den Tellerrand schauen, um positive Nachrichten mitzubekommen. Ein Beispiel ist die Verhinderung der Vorratsdatenspeicherung in Paraguay. Hierzulande will die SPD die Kommunikationsüberwachung gegen Widerstände aus der ganzen Gesellschaft, gegen das Grundgesetz, ein EU-Urteil und die eigene Basis einführen.

In Paraguay hat der Senat die Vorratsdatenspeicherung gar nicht erst zum Gesetz werden lassen. Zu verdanken ist das einer großen Kampagne von Amnesty, der EFF und der paraguayischen NGO Tedic. Auch wir haben den Aufruf gegen die Vorratsdatenspeicherung in Paraguay unterzeichnet. Ihre Verhinderung ist ein Schritt, an dem sich auch deutsche Politikerinnen und Politiker ein Beispiel nehmen müssen.

Ausreden gleichen sich

Die Argumente, mit denen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eingeführt werden sollten, kommen dabei merkwürdig vertraut vor: Terrorismus, Verfolgung von Pädophilie und Ermittlung in organisierter Kriminalität. Alle diese Aspekte sind auch im Gesetz von Heiko Maas zur Vorratsdatenspeicherung vorhanden. Und doch konnten diese Ausreden die Paraguayerinnen und Paraguayer nicht überzeugen. Vergangenen Donnerstag lehnte der Senat das Gesetzesvorhaben endgültig ab.

Metadaten sind nicht harmlos

Für 12 Monate hätten dann sämtliche Metadaten bei den Telekommunikationsprovidern gespeichert werden müssen: IP-Adresse, Dauer sämtlicher Telefon- und Internetverbindungen, Geolocaction, IMSI und IMEI. Und der Staat hätte darauf zugreifen können, wie er wollte. Auch das klingt vertraut, ist doch der Richtervorbehalt im deutschen Vorratsdatenspeicherungsgesetz nur ein kleines Feigenblatt. Aber natürlich sind solche Metadaten hoch sensibel, wie schon mehrmals bewiesen wurde.

Archiv des Terrors 2.0

Die Kampagne der drei NGOs in Paraguay gegen die Vorratsdatenspeicherung fand großen Anklang in der Bevölkerung. Paraguay war bis 1989 eine Militärdiktatur und das Gefühl, ausspioniert zu werden, ist vielen Menschen noch präsent. In Anlehnung an die Spione der Diktatur, den sogenannten Pyragües, wurde das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung „pyrawebs“ genannt. Als nach der Diktatur tonnenweise Akten gefunden wurden, in denen es auch um das Ausspionieren der Bevölkerung ging, sprach man vom „Archiv des Terrors“. Ein neues Archiv des Terrors wollten die Paraguayer.innen unbedingt verhindern – mit Erfolg.  

Gesetz zu unbestimmt

Denn Paraguay hat „no“ gesagt zur Vorratsdatenspeicherung. Konkret hielten die Senator.innen das Gesetz für zu unbestimmt – immerhin musste hier gegen das Grundrecht auf Privatsphäre abgewogen werden. Dabei muss genau begründet werden, dass es verhältnismäßig und unbedingt notwendig ist, die Grundrechte einzuschränken, auch in Paraguay. Daran sollte sich der deutsche Bundestag ein Beispiel nehmen.  

Alternativlos?

Es gibt es Alternativen zur Vorratsdatenspeicherung: Anlassbezogene Überwachung und „Quick Freeze“– wer verdächtigt ist und gegen wen ermittelt wird, darf überwacht werden. Diese beiden Ermittlungsansätze wurden von Amnesty International, der EFF und „Tedic“ als probate Gegenmittel zur ungesetzlichen, unverhältnismäßigen und grundrechtsmissachtenden Massenüberwachung vorgeschlagen.  

Diskussion statt Trotz

Übrigens ist der Gesetzentwurf in Paraguay vor über einem Jahr eingebracht worden – und hatte damit ausreichend Zeit, demokratisch und parlamentarisch diskutiert zu werden, anders als bei uns, wo Justizminister Heiko Maas und Innenminister Thomas de Maizière den Gesetzentwurf trotzig im Eiltempo durchdrücken wollten – und jetzt nur aufgrund von EU-Notifizierungsverfahren auf den Herbst verschoben wurde.  

In Deutschland will die große Koalition jetzt die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen – obwohl der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht entschieden haben, dass diese gegen die Grundrechte verstößt, nicht verhältnismäßig ist und nicht unbedingt notwendig ist! Paraguay ist da schon einen großen Schritt weiter.  

Globales Signal

Global betrachtet ist die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland ein verheerendes Signal. Grundlegende Prinzipien unseres Rechtsstaates wie die Unschuldsvermutung und das Trennungsgebot von Geheimdienst und Polizei sollten jetzt nicht aufgegeben werden. Staaten mit weniger fester demokratischer Tradition warten nur darauf, ihre eigene Bevölkerung auszuspionieren, um dann mit dem Finger auf Deutschland zu zeigen und zu sagen: „Ihr macht das doch auch!“ – schauen wir lieber nach Paraguay und sagen: „So wollen wir das auch!“


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