Sky-Marshalls auf Abwegen? Züge der Überwachungshysterie

Ein gerade so verhinderter Anschlag befeuert die Legitimationsstrategien von Überwachungssympathisanten. Denn kurze Zeit nach der Gewalttat im französischen Hochgeschwindigkeitszug Thalys, wird die Forderung nach mehr Sicherheitsvorkehrungen in Zügen immer lauter.

Am Abend des 21.08.2015, eröffnete eine unbekannte Person das Feuer auf die Insassen des Hochgeschwindigkeitszuges Thalys, der sich auf dem Weg von Amsterdam nach Paris befand. Der 26-jährige Mann war mit einer Pistole, sowie mit einem Sturmgewehr und einem Messer bewaffnet. Es gelang ihm zwei Personen schwer zu verletzen, bevor er überwältigt wurde. Drei amerikanische Fahrgäste, darunter ein US-Soldat konnten den Täter außer Gefecht setzen und so Schlimmeres verhindern. Die drei Helden der Stunde erhielten am 24. August den Orden der Legion d’Honneur. Als Motiv für den Anschlag wird ein islamistischer Hintergrund vermutet, da der Mann bereits bei vier europäischen Geheimdiensten als Islamist bekannt sei.

Noch mehr Reiseschikanen

Als Konsequenz auf dieses Ereignis wird nun auch in anderen europäischen Ländern über mehr Sicherheit für den Zugverkehr diskutiert. Dazu wurde bei einem Treffen europäischer Innen- und Verkehrsminister.innen, bei dem – neben Frankreich und Deutschland, auch Großbritannien, Italien, Spanien, die Benelux-Staaten, die Schweiz und die EU-Kommission vertreten sind, ein Drei-Punkte-Plan zur Diskussion gestellt. Diverse Sicherheitsvorkehrungen für Hochgeschwindigkeitszüge wie Thalys, ICE, TGV oder Pendolino stehen dabei zur Debatte:

  • besserer Polizeischutz in Zügen und Bahnhöfen
  • mehr Personal für die Sicherheitsbehörden
  • Einführung sogenannter „Train Marshalls“ nach dem Vorbild der „Sky Marshalls“
  • Pass- und Gepäckkontrollen (aber keine „systematischen Kontrollen“ laut de Maizière)
  • Ausweitung des Überwachungsapparates auf wichtige internationale Strecken
  • ein europäisches System des Passenger Name Record (PNR), wie wir es vom Flugverkehr kennen: Ein Zentralregister von Passagierdaten, die das benutzte Verkehrsmittel, sowie die Hotelreservation aufnehmen
  • stärkerer Austausch von Informationen zwischen den Geheimdiensten, Grenzdiensten und Polizeibehörden
  • Einführung von Nacktscannern an (deutschen) Bahnhöfen Angesichts dieser möglichen Maßnahmen, heißt es euphemistisch: „Zugreisende haben mit mehr Kontrollen zu rechnen.“

Zeit für die Pferdekutsche?

Nachdem der Flugverkehr und Fährfahrten durch „passenger name record“ (PNR) überwacht werden, Autos durch Mautstationen und das beschlossene automatische Notrufsystem eCall, Fußwege und der Öffentliche Personennahverkehr durch Videokameras und RFID überwacht werden, ist damit die letzte anonyme Fortbewegungsmöglichkeit das erklärte Ziel der Datenkraken. Doch leicht werden sie es damit nicht haben. Denn das bisher schwer vermittelbare „PNR“, erfährt auf diese Weise mehr kritische Aufmerksamkeit durch die Bevölkerung, die weiterhin unbehelligt in den zug einsteigen möchte. Besonders angesichts der vielen Züge voller unregistrierter Flüchtlinge, die gerade ausdrücklich in Deutschland begrüßt werden, wird noch deutlicher, wie menschenfeindlich und repressiv die angestrebten Überwachungsmaßnahmen sind.

System vs. Courage

Das das Überwachungssystem an dieser Stelle gescheitert ist wird in der Öffentlichkeit nicht ausreichend diskutiert. Denn es bleibt fraglich, ob diese Maßnahmen überhaupt zur vermehrter Sicherheit führen. Der Täter war geheimdienstlich bekannt und die Überwachungsmaßnahmen im Thalys sind bereits jetzt stärker ausgebaut, als auf anderen Strecken. Aufgehalten wurde er davon nicht. Um so absurder erscheinen nun die Forderungen nach mehr Sicherheit und noch mehr Überwachung. Es war nicht das System, das hier Schlimmeres verhindert hat, sondern es war die Zivilcourage der Passagiere.

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