Aktion für Netzneutralität: 500.000 wollen kein Zwei-Klassen-Internet

Das hohe Gut der Netzneutralität auf Händen getragen: „Save the Internet“, Digitalcourage und Co. haben mehr als 500.000 Eingaben für ein faires Internet zur Bundesnetzagentur gebracht. Video, Fotos und Aktionsbericht…

Am Dienstag, 9. August 2016, haben Aktivist.innen von „Save the Internet“, Digitalcourage, StopWatchingUs Köln und dem AK Vorrat ein riesiges Paket durch Bonn getragen. Darin waren mehr als 500.000 Eingaben für ein faires Internet, die die Bundesnetzagentur entgegengenommen hat.
Die deutsche Regulierungsbehörde hat bis Ende August 2016 die Möglichkeit in der EU starke Regeln für ein faires Internet durchzusetzen. Dazu muss das Prinzip der Netzneutralität ohne Schlupflöcher verankert werden. Wenn das nicht passiert, gehen schrittweise Pressefreiheit, Chancengleichheit, Vielfalt und Kreativität im Internet verloren.

Video der Aktion anschauen (Fotos sind unten in der Bildergalerie…)

„Der Vizepräsident der Deutschen Bundesnetzagentur Wilhelm Eschweiler hat es als derzeitiger Vorsitzender der europäischen Regulierungsbehörden in der Hand, ob den 500.000 Eingaben Gehör verschafft wird, oder ob Europa das Interesse der großen Telekomfirmen über das Interesse der restlichen Gesellschaft stellt“, sagt Thomas Lohninger von „Save the Internet“.

Offener Brief für Netzneutralität

Auf Händen haben die Aktivist.innen das riesige Paket durch die Bonner Innenstadt direkt in die Bundesnetzagentur getragen. Direkt vor dem Eingang haben sie dann mit Megaphon einen offenen Brief von Tim Berners-Lee, WWW-Erfinder, Barbara van Schewick, Professorin an der Universität Stanford, und Lawrence Lessig, Creative-Commons-Gründer vorgelesen. Die Forderungen sind klar: keine Überholspuren, kein „Zero Rating“, keine Diskriminierung von Daten und kein Zwei Klassen-Netz. Netzneutralität fordern zusammen mit 500.000 Bürgerinnen und Bürgern auch Bürgerrechtsorganisationen, Verbraucherschützer, Startups und Technologieunternehmen, Wissenschaftler.innen, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der deutschen Journalistenverband und der Verband deutscher Zeitungsverleger.

Paket und Appell abgeliefert

Nachdem das Paket abgeliefert war, haben die Aktivist.innen noch einmal im Gespräch energisch an die Bundesnetzagentur appelliert, starke Netzneutralität zu schaffen. Denn bis Ende August 2016 wird die Zukunft des Internets in Europa entschieden. Klar ist, dass Internet-Konzerne jede Möglichkeit nutzen werden, um das Prinzip der Netzneutralität auszuhebeln. Denn die Ungleichbehandlung von Informationen ist ein Millionengeschäft. Darum müssen alle noch bestehenden Schlupflöcher im EU-Gesetz unbedingt geschlossen werden.

„Jetzt liegt es an den europäischen Regulierungsbehörden, ob Internet-Konzerne ein unfaires Zwei-Klassen-Netz erschaffen können“, sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage. „Wenn die Behörden Netzneutralität nicht wirksam durchsetzen, dann werden die mächtigsten Unternehmen schon bald bestimmte Daten und Informationen bevorzugen und damit alle anderen Daten und Informationen benachteiligen. Die Nutzer.innen werden dafür auch noch kräftig zur Kasse gebeten.“

Hintergrund: Netzneutralität in der EU

Im Oktober 2015 hat die EU ein Gesetz zur Netzneutralität beschlossen. Netzneutralität bedeutet, dass sämtliche Daten vom Internetanbieter unabhängig vom Absender, Empfänger und Inhalt ohne Unterscheidung gleich befördert werden müssen. Das garantiert für Alle den freien und gleichen Zugriff auf Daten. Netzneutralität ist seit den Anfängen des Internets ein Fundament der digitalen Kommunikation und sichert Offenheit, Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Vielfalt im Netz.
Das „Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation“ (Gerek, englisch: BEREC) hat bis 30. August 2016 Zeit, festzulegen, wie das EU-Gesetz zu Netzneutralität konkret angewendet wird. Das entscheidet über die Zukunft des Internets in der EU. Aktuell hat die deutsche Regulierungsbehörde Bundesnetzagentur den Gerek-Vorsitz. Mehr als 500.000 Menschen haben an einer Konsultation von Gerek teilgenommen und Netzneutralität gefordert – die Beteiligung ist die größte, die es in einer Gerek-Konsultation je gab.

„Internetkonzerne kämpfen seit Jahren für ein Zwei-Klassen-Netz, denn sie wollen in Zukunft Dienstleistungen und Daten von zahlenden Unternehmen und Kund.innen bevorzugen, um Geld zu machen“, sagt Friedemann Ebelt, von der Grundrechteorganisation Digitalcourage. „Das bedeutet, wer nicht zahlt, bekommt Daten und Informationen langsamer und wird so in der freien Wahl beim Surfen eingeschränkt. Diese Diskriminierung muss verhindert werden.“

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