Self-Tracking – Lohnt sich der Hype?

Self-Tracking, also das Erheben, Sammeln und Auswerten von Daten über die eigenen Körperfunktionen scheint immer beliebter zu werden. Der Grund dafür ist die Vereinfachung des Messens durch Smartphones, Fitnessarmbänder, ähnliche Geräte und Applikationen.

„Runtastic“, „Myfitnesspal“ und „Sleep Cycle“ sind nur drei Beispiele für Self-Tracking-Anwendungen. Diese messen die Laufstrecke und -zeit, protokollieren die Ernährung oder beobachten die Schlafaktivitäten. Die datenhungrigen Assistenten versprechen Selbstoptimierung in jedem Lebensbereich. Doch mal nachgefragt: Was haben wir davon?

Zum Konkurrenzdenken anspornen
Viele Apps bieten den Vergleich mit der Leistung Anderer, etwa mit Freundinnen, Freunden und Familie, meist durch die Verknüpfung mit einem Social-Media-Kanal wie Facebook. Der Leistungsvergleich soll Nutzerinnen und Nutzer zu Konkurrenzdenken anspornen. Das kann motivieren – aber auch deprimieren.

Der Preis für die fragwürdige Optimierung
Auf den ersten Blick wirken die Apps praktisch. Wer sie nutzt, glaubt, den eigenen Körper endlich im Griff und das Leben unter Kontrolle zu haben. Ist das so? Und was ist der Preis? Über den Nutzen von Self-Tracking lässt sich streiten, darüber, dass die Apps datenhungrig Akten auf fremden Rechnern anlegen, nicht. Ein ungutes Gefühl macht auch, dass in den meisten Fällen unklar bleibt, wer alles auf diese Profile und Daten zugreifen kann.

12 von 13 Fitnessarmbändern im Test durchgefallen
In der Ausgabe 12/17 hat die Stiftung Warentest 13 Fitnessarmbänder getestet. Dabei fielen 12 Armbänder wegen schlechter Datenschutzbestimmungen negativ auf. In den allgemeinen Datenschutzbestimmungen von Apple wird beispielsweise erklärt, dass personenbezogene Daten an sogenannte Dienstleister weitergeben werden, die sich mit der „Verarbeitung von Informationen, Kreditgewährung, Ausführung von Kundenbestellungen (…)“ (Stand: 15. Mai 2018, https://www.apple.com/legal/privacy/de-ww/ Archiv: https://web.archive.org/web/20180515142735/https://www.apple.com/legal/privacy/de-ww/) beschäftigen. Das heißt, sensible Gesundheitsdaten wie etwa Blutdruck oder Herzfrequenz werden an Unternehmen weitergegeben, die zum Beispiel die Kreditwürdigkeit berechnen. Noch undurchsichtiger wird die Selbstvermessung dadurch, dass Auskunfteien wie beispielsweise die SCHUFA nicht preisgeben, welche Daten in welcher Form verarbeitet und bewertet werden. Es ist plausibel, anzunehmen, dass Auskunfteien die Kreditwürdigkeit aufgrund von schlechten Gesundheitswerten heruntersetzen.

Datenkraken und Versicherungen wollen Gesundheitsdaten
Viele Unternehmen arbeiten mit Dienstleistungen von Google und Amazon. „Runtastic“ teilt in seinen Datenschutzbestimmungen mit, dass personenbezogene Daten an unterschiedliche Marketingunternehmen, Google und Amazon weitergeleitet werden. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass bei Benutzung von „Runtastic“ die eigenen Gesundheitsdaten bei Datenkonzernen landen, die in erster Linie damit Geld verdienen wollen.

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BigBrotherAward für Versicherung
An Self-Tracking-Daten sind jedoch nicht nur große Konzerne wie Google, Facebook und Co., sondern auch Versicherungen interessiert. Im Jahr 2016 erhielt die Generali Versicherung einen BigBrotherAward für ihr Bonusprogramm. Dieses Programm verspricht der Kundschaft Boni, wenn diese sich im Gegenzug überwachen lässt. Das bedeutet, nur Kund.innen, die sich durch einen Tracking-Gerät überwachen lassen, können bei diesem Programm mitmachen. Besonders sportlich Aktive erhalten dann einen Bonus.

Solidarität geht anders
„Versicherungsboni“ mag zunächst positiv klingen, vor allem für sportlich Aktive. Dieses System bedeutet aber auch, dass andere Menschen, die nicht sportlich aktiv sind oder keinen gesunden Lebensstil führen oder führen können, benachteiligt werden. Das Prinzip der Krankenversicherung beruht jedoch im Ursprung auf Solidarität. Das heißt, alle zahlen gleich viel ein, egal ob eine Person gesund oder chronisch krank ist. Denn auch ein gesunder Mensch weiß nicht, wie lange dieser Gesundheitszustand anhält, egal was für einen Lebensstil sie oder er führt. Und somit könnte es sein, dass Sie als gesunder Mensch vielleicht zeitweise die Boni der Krankenversicherungen genießen, dass dieses System sich jedoch später gegen Sie wenden kann.

Self-Tracking-Zwang
Je mehr Menschen ihre Daten preisgeben, desto schwieriger wird es für andere, die keine Daten preisgeben wollen. Denn wenn ein Unternehmen keine oder nicht genug Daten über eine Person hat, kann das Unternehmen zum Beispiel einen Vertrag verweigern, weil das Risiko eines Ausfalls als zu hoch eingeschätzt wird (siehe Wolfie Christl „How Companies use personal data against people“).

Unternehmen profitieren am meisten
Im Hype um Self-Tracking haben die Nutzenden nicht besonders viel von ihren eigenen Daten – die Unternehmen jedenfalls haben mehr von dem Trend. Vor allem große Konzerne, Versicherung und Kreditinstitute profitieren von den Daten. Je mehr Daten sie bekommen, desto präziser können sie das Verhalten der Nutzenden berechnen.

Die Technik kann helfen – aber der Hype lohnt sich nicht
Die gute Nachricht ist, dass sich der Hype definitiv nicht lohnt und Sie all diese Geräte und Applikationen gar nicht brauchen, um besser laufen, essen oder schlafen zu können. Wer auf solche Tracking-Spielerein verzichtet und auf den eigenen Körper hört, wird die Anzeichen erkennen, die der Körper sendet, und kann reagieren. Die Technik hinter dem Hype kann auch sinnvoll genutzt werden. Wer beispielsweise an Diabetes leidet, kann mit einem Sensor am Arm und einem Lesegerät seine Blutzuckerwerte kontinuierlich messen und beobachten. Die Technik kann zu besseren Blutzucker-Langzeitwerten verhelfen.

Für chronisch Kranke kann die Technik zur erhöhten Lebensqualität führen – als Lifestyle-Produkt ist Self-Tracking jedoch untauglich. Denn letztlich geben wir damit Geld für ein Produkt aus, das unnötig ist und zugleich unsere Gesundheitsdaten in den Schlund der Big-Data-Industrie wirft. Die Gewinner sind Technikunternehmen, Versicherungen und Datenhändler – nicht die Kundin oder der Kunde.