Vorratsdatenspeicherung - SpaceNet klagt vorm EuGH
Wir drücken die Daumen, wenn am 13.09.2021 die mündliche Anhörung zur Klage des Internetproviders SpaceNet AG (C-793/19) und des Verbandes der Internetwirtschaft (eco) und ein Parallelverfahren der Telekom Deutschland GmbH (C-794/19) gegen die Vorratsdatenspeicherung vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) beginnen. Dort soll überprüft werden, ob die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung gegen die EU-Grundrechte-Charta verstoßen.
Aus welchen Gründen klagt SpaceNet?
Aus ähnlichen Gründen wie wir: Auch SpaceNet und der eco Verband halten die Vorratsdatenspeicherung für unverhältnismäßiges Sicherheitstheater, das uns alle gefährdet und zwar ohne jeden Nutzen: Denn die versprochenen Ziele (Terrorabwehr, Bekämpfung schwerster Verbrechen) können damit nicht erfüllt werden.
Den Provider SpaceNet als ein kleines Unternehmen würde die Pflicht zur Speicherung vor riesige Probleme stellen: Auch wenn nur eine sehr geringe Anzahl an Auskunftsersuchen eingeht, meist einstellig im Jahr, müsste das Unternehmen nicht nur Möglichkeiten zur Speicherung schaffen, sondern vor allem auch die Sicherheit dieser gespeicherten Informationen gewährleisten. Und zwar kontinuierlich. Viele Kunden der SpaceNet AG sind nach eigenen Angaben Berufsgeheimnisträgerinnen, z. B. Rechtsanwältinnen, Kliniken oder Kirchen. Die Providerfirma klagt deshalb vor allem, um sensible Kundeninformationen bestmöglich zu schützen – indem sie garnicht erst erhoben werden.
Um die Dimension klar zu machen: eine flächendeckende annlasslose Datenspeicherung würde bedeuten, dass deutschlandweit 2,35 Milliarden Datensätze pro Tag anfallen – die alle sicher verwahrt und nach Ablauf der Aufhebungsfristen wieder gelöscht werden müssen. Ein enormes Sicherheitsrisiko. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob Sicherheitsbehörden tatsächlich die Kapazitäten haben um aus diesen Massen von Daten(müll) etwas zu filtern, das relevant wäre um Straftaten zu verhindern.
Juristisch ausgedrückt: SpaceNet beruft sich auf den Schutz von Privat- und Familienleben (Art. 7), den Schutz der personenbezogenen Daten (Art. 8), die Berufsfreiheit (Art. 15), die unternehmerische Freiheit (Art. 16) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 52) nach der EU-Grundrechte-Charta.
„Nach wie vor wünscht sich Digitalcourage, dass letztendlich nicht Gerichte, sondern das Parlament sich gegen jede Vorratsdatenspeicherung auspricht. Denn anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten ist keine rechtsstaatliche Ermittlungsmaßnahme, sondern - egal wie man es dreht oder wendet - eine Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung.“
padeluun von Digitalcourage
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Warum eine Vorratsdatenspeicherung NICHT hilft, Terrorismus und schwere Verbrechen zu verhindern – Die wichtigsten Argumente gegen die Vorratsdatenspeicherung gibt es in unserem Faltblatt zum Thema: Im Shop bestellen oder herunterladen und selbst ausdrucken.
Was könnte das anstehende Urteil des europäischen Gerichtshofes bringen?
Im Oktober 2020 hatte das EuGH zuletzt festgestellt, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht zulässig ist. Gleichzeitig wurde damals aber auch Ausnahmen gemacht: Zum Beispiel wurden IP-Absenderadressen als Metadaten definiert, für die ein niedrigeres Schutzniveau gilt. Ihre Speicherung wurde deshalb als legal angesehen.
Schon damals haben wir davor gewarnt, dass Regierungen diese Ausnahmen nutzen werden um den Wesenskern der Entscheidung des EuGH zu unterwandern: Indem sie jedes Schlupfloch ausnutzen und so die Ausnahmen zur Regel machen.
Wir hoffen, dass der EuGH mit dem anstehenden Urteil nun so viel Klarheit schafft, dass dieser Strategie der Nationalstaaten ein Riegel vorgeschoben wird und die Vorratsdatenspeicherung als sicherheitspolitische Scheinmaßnahme endlich ein für alle Mal vom Tisch ist.
Was bedeutet das für unsere Klage vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht?
Bis der Europäischen Gerichtshof ein Urteil verkündet, kann es noch einige Monate dauern. Es ist gut möglich, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht dies abwarten möchte, um kein Urteil zu sprechen, das kurze Zeit später durch das EuGH als höhere Instanz wieder ausgehebelt werden könnte.
Wenn das EuGH der Providerfirma SpaceNet Recht gibt und klar bestätigt, dass der Provider nicht zum Speichern der Verkehrsdaten verpflichtet ist, dann bliebe dem deutschen Gesetzgeber nichts anderes übrig als nachzuziehen: Mit einer Aufhebung der Verpflichung zur Vorratsdatenspeicherung. Das heißt: Dann könnten auch wir den Sekt schon mal kalt stellen.
Wenn das EuGH dem Druck der Mitgliedstaaten nachgibt, und die entgültige Entscheidung über eine Vorratsdatenspeicherung den Nationalstaaten überlässt oder weit interpretierbare Spielräume offen lässt, wird unsere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht umso wichtiger. Denn wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass die Vorratsdatenspeicherung schon mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.