Alterskontrollen
Im Kontext laufender europäischer Gesetzgebung wird darüber diskutiert ob und wie zum Kinder- und Jugendschutz das Alter von Menschen im Internet kontrolliert werden soll, z.B. wenn diese bestimmte Plattformen besuchen bzw. Internetdienste benutzen wollen. Relevant ist das aktuell insbesondere zur Chatkontrolle (CSAR) und zum KI-Gesetz (AI Act). Dabei wird insbesondere von Unternehmen, welche Dienste z.B. zur Alterskontrolle verkaufen, das Thema häufig auf rein technische Lösungen reduziert. Es gibt aber keine Belege, dass technische Maßnahmen zur Alterskontrolle online wirklich einen Beitrag dazu leisten können, Kindern und Jugendlichen einen sicheren Umgang mit dem Internet zu ermöglichen. Gleichzeitig sind mit vielen der vorgeschlagenen Ansätze zur Alterskontrolle schwerwiegende Grundrechtseingriffe verbunden, z.B. in das Recht auf Privatsphäre und anonyme Online-Nutzung und der gleichberechtigten Teilhabe am öffentlichen Leben.
Möglichkeiten und Probleme von Alterskontrollen
Es ist wichtig Kindern und Jugendlichen einen sicheren Umgang mit dem Internet zu ermöglichen. Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf auf online verfügbare Informationen zuzugreifen, sich online auszudrücken und dass ihre Privatsphäre geschützt wird. Das sagen auch die Vereinten Nationen und ihr Kinderhilfswerk UNICEF. Also müssen politische Entscheidungen darauf ausgerichtet sein:
- Kindern und Jugendlichen eine altersgerechte, digitale Teilhabe zu ermöglichen, statt sie pauschal aus dem Internet auszuschließen,
- Kinder und Jugendliche dabei einzubinden und zu einem mündigen Umgang mit Technik zu befähigen, statt sie zu bevormunden,
- Kinder und Jugendliche umfassend vor Gefahren zu schützen und ihnen im Ernstfall unkompliziert zu helfen, statt sie dabei alleine zu lassen,
- ganzheitlich zu denken um sämtliche Rechte von Kindern und Jugendlichen dabei zu wahren, statt einzelne Grundrechte gegeneinander auszuspielen.
Zur Alterskontrolle werden Maßnahmen diskutiert, die sich folgenden Kategorien zuordnen lassen:
- Alters-(Selbst-)Erklärung: Nutzer.innen machen eine Angabe zu ihrem Alter (z.B. „Ja, ich bin über 18“), akzeptieren allgemeine Geschäftsbedingungen mit Alterseinschränkungen oder Dritte bürgen für ihr Alter. Altersselbsterklärungen greifen nicht stark in die Rechte von Nutzer.innen ein aber sind leicht zu umgehen.
- Dokumentenbasierte Altersüberprüfung: Nutzer.innen müssen ein Ausweisdokument vorlegen, welches dann durch den Internetdienst manuell oder automatisiert überprüft wird, z.B. durch Vorzeigen des Ausweises mit der Webcam, durch ein staatliches System (eID) oder durch Dritte. Dokumentenbasierte Altersüberprüfung greift stark in die Rechte von Nutzer.innen ein und schließt viele Menschen pauschal von der Teilhabe aus.
- Altersschätzung: Daten von Nutzer.innen werden erhoben und mit bestehenden Daten kombiniert, um ihr Alter zu schätzen, z.B. durch eine biometrische Analyse mit Gesichtserkennung. Solche Ansätze verwenden z.B. das Aussehen der Nutzer.innen, ihr Online-Nutzungsverhalten oder ihren Browserverlauf. Systeme zur Alterserkennung greifen stark in die Rechte von Nutzer.innen ein und sind sehr fehleranfällig und potentiell diskriminierend.
Keine dieser Methoden funktioniert zuverlässig und erfüllt dabei Mindestanforderungen an Privatsphäre und den Schutz der Rechte von Kindern. Das ist auf absehbare Zeit auch nicht möglich und darum sind gesetzliche Verpflichtungen zur Alterskontrolle abzulehnen.
Kinder- und Jugendschutz hat vielen Facetten und das Thema auf rein technische Lösungen zu reduzieren wird dieser wichtigen Aufgabe nicht gerecht. Der umfangreiche Einsatz von digitalen Alterskontrollen birgt außerdem große Gefahren:
- für die Privatsphäre von Kindern und Jugendlichen und deren Daten und
- für das Recht von Kindern und Jugendlichen ihre Persönlichkeit frei zu entfalten.
- Unternehmen wird die Hoheit darüber gegeben, was Kinder und Jugendliche online sehen und tun dürfen.
- Anonymität im Internet wird für alle erschwert oder unmöglich gemacht.
- Bestehende Diskriminierungen – z.B. von Geflüchteten ohne digitale Ausweisdokumente – werden verstärkt.
- Es wird kurzfristig ein falsches Gefühl von Sicherheit erzeugt und darum werden nachhaltige Kinder- und Jugendschutzmaßnahmen verschleppt oder gar nicht umgesetzt.
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Schlussfolgerungen
- Die Politik darf keine allgemeinen Verpflichtungen zu Online-Alterskontrollen vorschreiben, da sie mit den Rechten von Bürger.innen unvereinbar sind, insbesondere mit den Rechten von Kindern und Jugendlichen.
- Politische Entscheidungsträger.innen sowie Eltern und Erziehungsberechtigte müssen sich mit der Komplexität von Alterskontrollen auseinandersetzen und dürfen sich nicht einer vermeintlichen Lösung durch technokratische Instrumente hingeben, welche umfangreiche Risiken mit sich bringen.
- Zum Kinder- und Jugendschutz müssen statt Alterskontrollen ganzheitliche Ansätze verfolgt werden, welche allen Menschen eine sichere Teilhabe am Internet ermöglichen und dabei Grundrechte wahren.
- Wenn Internetdienste Maßnahmen zur Alterskontrolle einsetzen, müssen diese notwendig, verhältnismäßig und hinreichend sicher sein, sie dürfen Daten nicht für andere Zwecke weiterverwenden, sie dürfen Daten nicht auf Vorrat speichern, sie dürfen keine biometrischen Daten oder auf biometrischen Daten basierende Daten verarbeiten, sie dürfen kontrollierte Personen nicht mit ihrer rechtlichen Identität in Verbindung bringen oder irgendeine Art von Profil von Nutzer.innen erstellen, und sie müssen sicherstellen, dass Menschen online völlig anonym bleiben können.
- Die Teilhabe am öffentlichen Leben ist ein Grundrecht aller Menschen und darf online wie offline nicht von Ausweisdokumenten abhängig gemacht werden.