Instagram, TikTok, X & Co.

Digitaler Ablasshandel: Vier Regeln fürs Bleiben

Man muss ja nicht sofort alle Accounts kündigen. Für alle, die es langsam angehen lassen wollen, haben wir Regeln für einen ethischen Umgang mit Social Media formuliert.
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Ein altes Gemälde mit einer Szene eines Ablasshandels: Eine Person legt eine Münze auf einen Tisch. Unter ihrem Arm ein Sack. Per Bildbearbeitung sind die Logos von TikTok, Facebook und Instagram eingefügt.

Die Feststellung, dass die giergetriebenen Sozialen Medien zum Erstarken des Faschismus beitragen, spricht sich langsam herum.

Leider bewahrheitet sich dabei unsere Vorhersage zunehmend: Wenn unsere Kommunikation monetarisiert wird, werden solche Inhalte verstärkt, die sich gut zu Geld machen lassen und das sind meist Dinge, die uns ärgern oder aufregen. Im Ergebnis spielen uns die Algorithmen der Plattformen zunehmend gegeneinander aus und tragen damit zur Polarisierung und sozialen Erkaltung unserer Gesellschaft bei. Anstatt unsere Technik zu nutzen, um unsere besten Eigenschaften zu betonen, setzen wir sie dafür ein, unsere schlechtesten Eigenschaften zu stärken.

Dennoch nutzen viele Menschen, Organisationen und sogar Unis, Politikerinnen oder Journalisten diese Plattformen weiter.

Wir können das sogar nachvollziehen. Denn als individuelle Entscheidung ist es schwierig, sich von einem solchen Dienst zu verabschieden. Man spürt zunächst nur die Nachteile. Die Vorteile sind nur strukturell wahrnehmbar und können im Gefühl die Nachteile nicht aufwiegen.

Digitalcourage hat sich aus guten Gründen entschieden, den ungleichen Kampf nicht mehr länger durch Beteiligung zu legitimieren. Wir verurteilen aber nicht jene, für die das (derzeit noch?) keine Option ist. Sofern sie dabei ein paar Grundregeln beachten.

Unterstützen Sie die gute Sache: Freiheit, Grundrechte und Demokratie.

Viele Menschen engagieren sich bei uns in ihrer Freizeit, seien auch Sie dabei!

Bleiben Sie auf dem Laufenden über unsere Arbeit und unsere Themen.

Warum wir trotzdem Verständnis haben

Wir verstehen das Dilemma. Wer auf giergetriebene Plattformen verzichtet, verliert den Kontakt zu wichtigen Menschen und kann bei Mainstream-Themen mitunter schlechter mitreden. Es entsteht der Eindruck, man beraube sich um ein wichtiges Sprachrohr, mit dem man viele Menschen erreichen und aktivieren kann. Wir halten das für eine verzerrte Wahrnehmung, die aufgrund einer großen Marketing-Lüge entsteht.

Der Nutzen des Ausstiegs ist leise und kollektiv; die vermeintlichen Verluste sind laut und persönlich. Genau deshalb wirkt der Schritt größer, als er ist – das ist der Trick der Plattformen. Und was macht man mit großen Aufgaben? Richtig: In kleinere Schritte unterteilen und eins nach dem anderen angehen.

Um die Macht der Tech-Bro-Firmen zu brechen, können wir zwei Dinge tun:

  1. Anderen den Umstieg zur Alternative erleichtern, indem wir diese durch unsere eigenen Inhalte aufwerten.
  2. Den eigenen Umzug vorbereiten, indem wir uns eine Community aufbauen, zu der wir unabhängige Kommunikationswege haben, die keiner Konzernlaune ausgeliefert sind.

Also: Hürden senken, Redundanz schaffen, freie Kanäle aufbauen. Die nächste Plattform kippt sicher. Wer heute Beziehungen jenseits der Tech-Bro-Plattformen pflegt, wechselt morgen entspannt und ohne große Schmerzen.

Je mehr mitmachen, desto einfacher wird es für alle. Deshalb formulieren wir klare Regeln für alle, die noch bleiben.

Vier Regeln für den Umgang mit giergetriebenen Social-Media-Plattformen

  1. Alternativen aktiv nutzen und bewerben
    Veröffentlichen Sie Ihre Inhalte auch im Fediverse (z. B. Mastodon, Pixelfed, PeerTube). Spiegeln Sie nicht nur Inhalte dorthin, die Sie für problematische Algorithmen optimiert haben, sondern treten Sie in echten Austausch. Wer auf Instagram aktiv ist, hat auch Zeit für einen Mastodon-Post.

  2. Menschen weglocken, nicht hinlocken
    Wer Menschen nur auf giergetriebene Plattformen verweist, zwingt sie zur Teilnahme am toxischen System. Verlinken Sie stattdessen Ihre Website, Ihren Newsletter oder Fediverse-Accounts. Holen Sie die Menschen auf Instagram, TikTok und Co. ab – aber laden Sie sie nicht zum Bleiben ein.

  3. Ablehnung sichtbar machen
    Kommunizieren Sie offen, dass Sie die Logik dieser Plattformen ablehnen. Erklären Sie, warum Sie dennoch dort posten – und wie man Sie unabhängig davon erreichen kann.

  4. Verantwortlich kommunizieren
    Posten Sie keine unbestätigten Inhalte. Reagieren Sie nicht auf Hass, sondern melden und blockieren Sie ihn. Unterwerfen Sie sich nicht blind dem Algorithmus: Pointieren Sie, aber übertreiben Sie nicht. Polarisieren Sie nicht. Verkürzen Sie nicht bis zur Unkenntlichkeit.