Newsletter vom 20.09.2023

Kinderschutz statt Massenüberwachung

Zum Weltkindertag erklären wir, was statt der Massenüberwachung mit der Chatkontrolle getan werden müsste, um Kinder wirklich zu schützen. Außerdem berichten wir vom aktuellen Stand und rufen zu dezentralen Aktionen auf.

Newsletter vom 20.09.2023 – online lesen und teilen

Liebe Leute,

eigentlich würde man meinen, an einem solchen Tag gebe es keine Kontroversen. Wir sind uns schließlich alle einig, dass Kinder Rechte haben und ihr Wohl geschützt werden muss. Daran erinnert der heutige Weltkindertag. Aber leider ist es nicht so einfach.

Seit über zwei Jahren beschäftigt uns die Chatkontrolle – ein Gesetzesvorschlag, der vermeintlich Kinderschutz im Sinn hat, dafür in Wahrheit aber nicht geeignet ist und stattdessen zu anlassloser Massenüberwachung führt.
Als Chatkontrolle wird ein Vorschlag der EU-Kommission bezeichnet, der Internetdienste zum anlasslosen Scannen privater Kommunikation verpflichten soll. Das heißt konkret: All eure Chatnachrichten würden in Zukunft von einer fehleranfälligen „KI“ auf „verdächtige” Inhalte durchsucht. Außerdem sollen verpflichtende Alterskontrollen, Uploadfilter und Netzsperren die freie Internetnutzung massiv einschränken.

Damit hat die EU-Kommission dem Kinderschutz bestenfalls einen Bärendienst erwiesen. Alle Expert.innen sind sich einig, dass die technokratische Maßnahme einer Chatkontrolle Kindern nicht helfen würde. Dabei gibt es echte Vorschläge, wie Kinder online und offline besser geschützt werden könnten, doch die geraten durch die radikalen Überwachungspläne der Chatkontrolle aus dem Blick. Solange die Chatkontrolle auf dem Tisch liegt, wird es nicht zu konstruktiven Lösungen kommen, das hat die unsägliche Diskussion zur Vorratsdatenspeicherung gezeigt.

Darum möchten wir am heutigen Weltkindertag einen Blick darauf werfen, wie wir Kinder wirklich schützen können – ganz ohne die Überwachung der privaten Nachrichten der Bürger.innen ganz Europas.
Außerdem informieren wir über den aktuellen Stand bei der Chatkontrolle. Gerade ist da richtig viel Bewegung – und wir haben einen riesigen Etappensieg verbucht. Wir erklären, was ihr jetzt tun könnt, um die Chatkontrolle zu stoppen. Damit sich die Politik endlich um echten Kinderschutz kümmern kann.

Mit besten Grüßen aus Bielefeld
Konstantin Macher und das Team von ▶︎Digitalcourage

 

Inhalt

1.  Offener Brief an die Bundesregierung

2.  Turbulente Entwicklungen

3.  Statt Chatkontrolle – was wirklich helfen würde

4.  Geschichten von Digitalcourage-Mitgliedern

5.  Dezentraler Aktionsmonat gegen die Chatkontrolle

6.  Europaabgeordnete kontaktieren

7.  Petition gegen die Chatkontrolle

8.  Mitmachaktion #CelebrateEncryption

9.  Shop

  9.1.  Buch: Direkt vor unseren Augen

  9.2.  T-Shirt: Chatkontrolle beim Chaos Communication Camp

10.  Termine

1.  Offener Brief an die Bundesregierung

Anfang der Woche haben wir mit unserem Bündnis „Chatkontrolle STOPPEN!“ die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Die Bundesregierung kann die Chatkontrolle stoppen – wenn sie wirklich will. Tut sie das nicht, wird die Chatkontrolle zur digitalpolitischen Schande der Ampelkoalition. Der Koalitionsvertrag spricht sich eindeutig gegen Chatkontrolle aus. Das muss Bundesinnenministerin Nancy Faeser jetzt umzusetzen.

Der offene Brief in unserem Blog:
https://digitalcourage.de/blog/2023/chatkontrolle-stoppen-bundesregierung

2.  Turbulente Entwicklungen

Nach der Sommerpause haben die europäischen Institutionen die Arbeit wieder aufgenommen. In der Europäischen Union sind das drei: die EU-Kommission, welche die Chatkontrolle vorgeschlagen hat, der Rat der EU, in dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten vertreten sind, und das Europäische Parlament. Der Zeitplan  ̶s̶i̶e̶h̶t̶ sah folgendes vor:

  • Am 28. September sollte der Rat der EU seine Position zur Chatkontrolle verabschieden.
  • Kurz darauf sollten erst der zuständige Ausschuss und dann das ganze Europäische Parlament abstimmen.

Es sollte also schnell gehen.

Das durchgestrichene  ̶s̶i̶e̶h̶t̶ steht hier aus gutem Grund: Der Ablauf ist nämlich gerade durcheinander geraten. Unser Protest in Deutschland und gemeinsam mit unseren europäischen Verbündeten zeigt Wirkung. Im Rat der EU lässt sich aktuell wohl keine Mehrheit für die Chatkontrolle herstellen, der für den 28. September geplante Beschluss musste darum vertagt werden. Das ist ein gewaltiger Erfolg, der zeigt, dass unser Protest wirkt und dass wir die Chatkontrolle gemeinsam stoppen können. Jetzt dürfen wir nicht nachlassen.

3.  Statt Chatkontrolle – was wirklich helfen würde

Die Chatkontrolle wird mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen begründet. Dabei erklären Sachverständige immer wieder, dass Chatkontrolle kein geeignetes Mittel zum Kinderschutz ist. Stattdessen schadet es der Suche nach konstruktiven Lösungen, wenn Privatsphäre und Kinderschutz fälschlich als Gegensatz dargestellt werden. So betonte Joachim Türk vom Kinderschutzbund bei einer Anhörung im Digitalausschuss des Bundestags, dass die Chatkontrolle unverhältnismäßig in die Rechte von Kindern eingreift:

„Die sog. Chatkontrolle ist aus Sicht des Kinderschutzbundes nicht zielführend. Der Kinderschutzbund hält den Scan von Kommunikation für einen unverhältnismäßig großen Eingriff in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger – und vor allem der Kinder –, der nicht der gebotenen Abwägung unterschiedlicher Grundrechte entspricht.“

Zum heutigen Weltkindertag möchten wir das Augenmerk auf das lenken, was wirklich helfen würde, Kinder und Jugendliche zu schützen:
https://digitalcourage.de/blog/2023/weltkindertag

4.  Geschichten von Digitalcourage-Mitgliedern

„Erstmals wurde ich auf euch auf dem 36. Chaos Communication Congress aufmerksam. Seitdem verfolgt mich Digitalcourage ständig quer durch das Netz. Sei es Gesichtserkennung, Tracking, Chatkontrolle oder Fingerabdruckspeicherung. Ihr seid in allen unserer politischen ‚Cyber-Ärgernisse‘ involviert und ich möchte zu dieser Sache einen Beitrag leisten.“

Es gibt uns immer wieder neuen Antrieb zu hören, wie Mitglieder zu Digitalcourage gefunden haben, und dabei von Euch zu erfahren, wo „der Schuh drückt“. Danke! Unsere Arbeit ist nur möglich durch die Unterstützung unserer Mitglieder.

5.  Dezentraler Aktionsmonat gegen die Chatkontrolle

Wir haben im Bündnis „ChatkontrolleSTOPPEN!“ bereits weitere Aktionen geplant und rufen zu dezentralen Aktionen auf. Wenn ihr etwas organisiert, schreibt uns, damit wir euch bei der Verbreitung unterstützen und eure Aktion, Veranstaltung oder ähnliches in den Kalender auf der Website chatkontrolle.eu aufnehmen. Wir vertrauen auf eure Kreativität und euer Engagement. Lieber eine Protestaktion starten, eine Infoveranstaltung ausrichten oder gemütlich beim Tee dazu verabreden, gemeinsam viele Europaabgeordnete anzuschreiben? Es gibt viele Wege, sich gegen die Chatkontrolle zu engagieren!

6.  Europaabgeordnete kontaktieren

Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Bundesregierung die Chatkontrolle im Rat der EU stoppt. Darum müssen wir uns auch direkt an die Europaabgeordneten wenden, die über das geplante Überwachungsgesetz abstimmen werden. Wir haben schon im April eine Hilfestellung veröffentlicht, wie eine solche E-Mail an EU-Abgeordnete aussehen könnte. Daran könnt ihr euch orientieren oder aber in eigenen Worten erklären, wie euch die Chatkontrolle betrifft und warum die Europaabgeordneten sie ablehnen sollten. Da demnächst das gesamte Parlament über die Chatkontrolle abstimmt, lohnt es sich um so mehr, jetzt nicht nur die Abgeordneten der zuständigen Ausschüsse („LIBE“ und „IMCO“) anzuschreiben, sondern alle.

Hilfestellung um Europaabgeordnete zu kontaktieren:
https://digitalcourage.de/blog/2023/chatkontrolle-aktion-mailing

7.  Petition gegen die Chatkontrolle

Ich werde nicht müde zu erwähnen, dass es eine europaweite Petition gegen die Chatkontrolle gibt. Wir können das Überwachungsgesetz nur aufhalten, wenn wir den Protest gegen die Chatkontrolle auch in den anderen Ländern stärken. Die Petition zu unterzeichnen (und an Bekannte zu schicken) ist ein einfacher Weg, jetzt direkt dabei zu helfen.

Deutsche Übersetzung der europaweiten Petition bei uns im Blog:
https://digitalcourage.de/blog/2023/chatkontrolle-petition

8.  Mitmachaktion #CelebrateEncryption

Immer wieder versuchen Unsicherheitspolitiker.innen, Verschlüsselung in ein schlechtes Licht zu rücken und auf Verbrechen und böse Absichten zu reduzieren. Dabei wissen wir alle: Verschlüsselung ist wichtig für die Gesellschaft. Sie ermöglicht nicht nur vertrauliche und sichere Kommunikation, sondern ist auch fundamental für investigative Recherchen oder im Alltag von Unternehmen.
Darum beteiligen wir uns mit unserem europäischen Bündnis „StopScanningMe“ an einer Mitmachaktion für Social Media. Die Idee: positive Bilder rund um das Thema Verschlüsselung mit dem Hashtag #CelebrateEncryption in sozialen Medien posten, zum Beispiel im Fediverse. Verschlüsselung ist etwas Gutes, das wollen wir feiern. Die dabei entstehenden Bilder werden voraussichtlich am 10. Oktober vor dem Europäischen Parlament ausgestellt, um Europaabgeordnete an den Wert von Verschlüsselung zu erinnern.

Mehr Informationen dazu auf der Website von EDRi (englisch):
https://edri.org/our-work/party-cipate-and-celebrateencryption/

9.  Shop

In unserem Shop gibt es mehrere Artikel zur Chatkontrolle. Damit könnt ihr helfen, die Kampagne in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen. Die Erlöse fließen in die weitere Arbeit gegen das Überwachungsgesetz.

Alle Artikel zur Chatkontrolle in unserem Shop:
https://shop.digitalcourage.de/themen/chatkontrolle/

9.1.  Buch: Direkt vor unseren Augen

Daniel Moßbrucker ist investigativer Journalist und einer der führenden Experten zu Fragen der digitalen Überwachung und des Darknets. Mit seinem Sachbuch legt er erstmals im deutschsprachigen Raum eine systematische und datengestützte Recherche in pädokriminellen Zirkeln des Darknets vor. Er klärt darüber auf, wie Pädokriminelle im Internet vorgehen und wie Eltern mit diesem Wissen ihre Kinder bestmöglich schützen können. Mit dem Buch leistet er einen wichtigen Beitrag für die konstruktive Suche nach echten Lösungen anstelle von Chatkontrolle und Vorratsdatenspeicherung.

Der Autor im Gespräch mit netzpolitik.org:
https://netzpolitik.org/2023/sexualisierte-gewalt-gegen-kinder-der-gesamtueberblick-fehlt-komplett/

Das Buch in unserem Shop:
https://shop.digitalcourage.de/themen/chatkontrolle/buch-direkt-vor-unseren-augen.html

9.2.  T-Shirt: Chatkontrolle beim Chaos Communication Camp

Auf vielfachen Wunsch gibt es jetzt bei uns die auf dem Chaos Communication Camp 2023 benutzte Variante des Logos der Kampagne „Chatkontrolle Stoppen!”, und zwar als auffälligen pinkfarbenen Druck auf schwarzem Unisex T-Shirt.

„Chatkontrolle Stoppen!”, das T-Shirt in unserem Onlineshop:
https://shop.digitalcourage.de/themen/chatkontrolle/t-shirt-chatkontrolle-cccamp2023.html

10.  Termine

Dieses Mal möchten wir nicht nur relevante Termine zur Chatkontrolle aufzählen, sondern auch um Zusendung bitten. Gibt es eine spannende Veranstaltung oder organisiert ihr sogar selbst eine Aktion, die wir auf der Kampagnenseite auflisten sollten? Gerne nehmen wir weitere Termine auf: https://chat-kontrolle.eu/index.php/demos-protestaktionen/

  • Podiumsdiskussion mit Bundestagsabgeordneten in Berlin
    Am 27. September um 19 Uhr findet in den Räumen von Wikimedia Deutschland am Tempelhofer Ufer 23 eine Podiumsdiskussion mit den Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg, Tobias Bacherle und Manuel Höferlin über die EU-Pläne und das zweifelhafte Taktieren der Bundesregierung statt.

    https://chat-kontrolle.eu/index.php/2023/09/18/panel-zur-chatkontrolle/

  • Diskussionsveranstaltung zu Verschlüsselung in Brüssel
    Bereits einen Tag vorher, am 26. September, richtet EDRi mit unserem europäischen Bündnis „StopScanningMe“ in Brüssel eine Diskussionsveranstaltung über die Rolle von Verschlüsselung im Zeitalter der Überwachung aus. Dabei diskutieren Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal Foundation, Dunja Mijatović, Kommissarin für Menschenrechte im Europarat und Carmela Troncoso, Assistenzprofessorin an der EPFL und Expertin für Sicherheit und Datenschutz.

PS: Wir planen natürlich, von beiden Veranstaltungen im Fediverse zu berichten. Besonders freue ich mich aber darauf, zu hören, welche dezentralen Aktionen gegen die Chatkontrolle ihr plant, egal wie klein oder groß. Jetzt kommt es auf jede und jeden Einzelne.n von uns an!