Vorratsdatenspeicherung in der EU: Estland, Bulgarien & Österreich planen Neustart

Die Justiz- und Innenminister von Estland, Bulgarien und Österreich wollen ihre EU-Ratspräsidentschaften nutzen, um die europarechtswidrige Vorratsdatenspeicherung wiederzubeleben. Das wurde auf einem informellen Treffen beschlossen.

Die Justiz- und Innenminister von Estland, Bulgarien und Österreich wollen ihre jeweiligen EU-Ratspräsidentschaften, die von Juli 2017 bis Ende 2018 aufeinander folgen, für eine Wiederbelebung der europarechtswidrigen Vorratsdatenspeicherung nutzen. Dazu entwickelten die drei Länder in einem informellen Treffen am 7. Juli 2017 ein gemeinsames 18-Monats-Programm (PDF vom 2. Juni 2017 – Vorratsdatenspeicherung hier noch nicht enthalten), mit dem sie einen roten Faden für Vorratsdatenspeicherung durch drei EU-Ratspräsidentschaften ziehen wollen. EU-Justiz-Kommisarin Věra Jourová begrüßt die Wiederaufahme der Debatte über die Vorratsdatenspeicherung und den Schritt, neue Möglichkeiten für anlasslose Massenüberwachung von Telefonen und Internetverbindungen zu prüfen.

tweet von Jourova

Aktualisierung vom 8. August 2017: Statewatch.org hat zwei vertrauliche Papiere veröffentlicht, mit Details zu den Plänen des EU-Rats (PDF). Processing and storage of data in the context of the draft ePrivacy Regulation und Requirements of the Tele 2 judgement regarding data retention

Trio-EU-Ratspräsidentschaft
Estland: 1. Juli 2017 – 31. Dezember 2017
Österreich: 1. Januar 2018 – 30. Juni 2018
Bulgarien: 1. Juli 2018 – 31. Dezember 2018

Die Trias missachtet mit ihrem Vorhaben gleich zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs: 2014 hat dieser die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt, und zwei Jahre später hat er die Vorratsdatenspeicherungen von Schweden und Großbritannien für grundrechtswidrig befunden. Gegen das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung liegen dem Bundesverfassungsgericht aktuell mindestens zehn Verfassungsbeschwerden vor. Digitalcourage klagt gemeinsam mit 20 prominenten Persönlichkeiten in Karlsruhe.


Einzig gangbare Option ist keine Vorratsdatenspeicherung

Im Zuge des Treffens am 7. Juli 2017 einigten sich die Anwesenden zudem auf die Einrichtung einer Expertengruppe, welche rechtskonforme Optionen der Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene erarbeiten soll. Mit Hinblick auf das Treffen der Östlichen Partnerschaft im November 2017 werden die Gespräche der Justiz- und Innenminister als wichtiger Teil der Vorbereitungen gewertet. Der estnische Justizminister Urmas Reinslau betonte, dass Estland im EU-Rat die Arbeit Maltas fortführen möchte. In Österreich hat die rot-schwarze Koalition im Januar 2017 eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung gestartet (siehe netzpolitik.org).

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