Hallo CDU: Vorratsdatenspeicherung und Verfassungsschutz sind nicht die Lösung
Nur einen Tag nach dem Terror in Halle/Saale sagte CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg im Deutschlandfunk, dass gegen rechte Hetze im Internet und im Bildungssystem vorgegangen werden müsse. Zudem forderte er: „Eingriffe in den Datenschutz […] [und] dann müssen wir uns über Mindestspeicherfristen unterhalten […]“.
Während über Sozial- und Bildungsarbeit gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Diskriminierung und über Täter- und Opferberatungen nicht weiter gesprochen wird, fordert die CDU ein ganzes Paket an Überwachungsmaßnahmen, wie der Deutschlandfunk berichtet. Gleichzeitig steht zur Debatte, die staatliche Förderung für das Nazi-Aussteigerprogramm „Exit“ zu streichen, berichtete die taz.
Warnung zum Weitergeben
Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung und die Aufrüstung des sogenannten
Verfassungsschutzes schaden unserem Rechtsstaat und der Demokratie.
Leiten Sie diesen Text gern weiter an Ihre Abgeordneten und Bekannte.
Vorratsdatenspeicherung: Wer geht wann in welche Synagoge?
Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung hat in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat nichts zu suchen. Eine Lehre aus den Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus ist, dass die Bevölkerung vor Übergriffen des Staates geschützt werden muss. Es darf keine Nummern geben, die Personen lebenslang eindeutig zugeordnet werden können. Es darf keinen zentralen Katalog geben, in dem erfasst ist, wer welcher Religion angehört.
Und: Es darf keine Vorratsdatenspeicherungen von Kommunikation oder deren Umständen geben. Denn die 1933 gewählte nationalsozialistische Regierung hat derartige Daten genutzt, um gezielt Menschen zu verfolgen, zu inhaftieren und zu töten. Die technisch-organisatorische Grundlage für die systematische Vernichtung von Juden war eine umfangreiche Datenverarbeitung von Informationen, die kein Staat über die Bürgerinnen und Bürger erfassen darf (siehe Buch: IBM und der Holocaust auf wikipedia.de).
Wer nach dem Terror in Halle an der Saale eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung fordert, ignoriert die Macht von Daten und die sich ergebende langfristige Gefahr für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat.
Einschränkungen für den Zugriff auf diese Daten, wie Richtervorbehalte oder minimal beschränkende Vorgaben für Maximal- und Mindestspeicherfristen können die Bevölkerung vor den Gefahren dieser Massenüberwachung nicht schützen. Denn Überwachungsgesetze werden bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, verschärft, aber so gut wie nie zurückgefahren. Eine Partei, die diese Daten nutzen will, wird die Schutzschranken einreißen, die nach dem zweiten Weltkrieg mit dem Ende des Naziregimes zum Schutz von Menschen errichtet wurden. Wir dürfen nicht vergessen, was schon einmal bitter gelernt wurde: Staatliche Datensammlungen können tödlich sein. Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung erfasst alles – eben auch, wer wann in eine Synagoge, eine Moschee, in ein Gewerkschaftshaus oder auf eine Demonstration geht.
Konsequent wäre es, Vorratsdatenspeicherungen zu verbieten und demokratisch kontrollierte und gezielte Ermittlungsarbeit weiter auf ein modernes demokratieverträgliches Niveau anzuheben.
Info: Was ist Vorratsdatenspeicherung?
Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dass Kommunikationsanbieter per Gesetz verpflichtet sind, unter anderem auf Vorrat zu speichern, wer wann wo wie lange mit wem telefoniert und wer wann wo mit dem Internet verbunden ist. Erfasst werden die Metadaten der Kommunikation aller Menschen. Den aktuellen Stand zur deutschen Vorratsdatenspeicherung haben wir in einem Übersichtsartikel aufgeschrieben, der erklärt, wie die Regierungen der EU-Länder in der EU aktuell mit einer Kampagne versuchen, Massenüberwachung zu legalisieren.
Zitat: „Am konkretesten lassen sich Metadaten als "Aktivitätsdaten" definieren, als Aufzeichnungen aller Dinge, die wir mit unseren elektronischen Geräten tun, und aller Dinge, die sie von selbst machen. [...] Metadaten können deinem Überwacher verraten, wo du letzte Nacht geschlafen hast und wann Du heute Morgen aufgestanden bist.“ (Edward Snowden, Permanent Record)
Forderung: Ermittlung statt Massenüberwachung
Digitalcourage fordert ein gesetzliches Verbot von Vorratsdatenspeicherungen und eine Debatte über Maßnahmen, die grundrechtskonform einen Beitrag zu mehr Sicherheit leisten. Dazu gehören Mittel wie QuickFreeze oder Polizei-Sonderdezernate gegen rechte Gewalt.
Mit unserer Verfassungsbeschwerde wollen wir Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und der EU verhindern.
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„Verfassungsschutz“: Heillos verstrickt in Neonazi-Szenen
Neben einer Vorratsdatenspeicherung fordert die CDU eine Aufrüstung des sogenannten Verfassungsschutzes. Dieser tritt zwar selten in Erscheinung, wenn es darum geht, die Verfassung zu schützen, soll aber unter anderem einen Zugang zu den Daten der Vorratsdatenspeicherung erhalten. Das ist eine Verletzung der Gewaltenteilung und damit einer der Grundlagen unseres Rechtsstaates.
Der sogenannte Verfassungsschutz ist undemokratisch, intransparent, unkontrolliert und hat mehrfach aktiv die Aufklärung von rechtem Terror verhindert. Der sogenannte Verfassungsschutz ist auf dem rechten Auge blind und kann darum keine Lösung für die Gefahren von rechtem Terror sein. Der sogenannte Verfassungsschutz hat 2016 einen BigBrotherAward für sein Lebenswerk erhalten, unter anderem, weil er ein „skrupelloses Vertuschungssystem betreibt, wichtige Beweismittel und brisante Akten geschreddert hat, und so jede parlamentarische Kontrolle torpediert“ hat. In seiner Laudatio stellt der Bürgerrechtler Dr. Rolf Gössner weiter fest: Dieser Geheimdienst ist „heillos verstrickt in Neonazi-Szenen“ und begründet das unter anderem wie folgt:
„Der „Verfassungsschutz“ war in den 90er Jahren aktiv an Aufbau und Betrieb des rechtsextremen Thule-Netzes beteiligt. Thule diente der Vernetzung, Kommunikation und Koordination von Neonazis im ganzen Bundesgebiet. Einer der Hauptbetreiber war V-Mann des bayerischen „Verfassungsschutzes“, der eigens in die Neonaziszene eingeschleust wurde, monatlich 800 DM erhalten haben soll sowie Auslagen für Technik und Betrieb. Insgesamt sollen für diese Nazi-Aufbau- und Vernetzungsarbeit mehr als 150.000 DM Steuergelder geflossen sein. (SZ 15.11.2012)“
„Die parlamentarischen Kontrollausschüsse hatten bei ihren Aufklärungsversuchen mit massiven Informationsblockaden und Urkundenunterdrückungen zu kämpfen – erinnert sei nur an die Aktenschredderaktion im VS-Bundesamt kurz nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie oder im Berliner „Verfassungsschutz“. Die Kontrolleure blickten in unglaubliche Abgründe einer organisierten Verantwortungslosigkeit; entsprechend vernichtend fällt parteiübergreifend ihr Urteil aus: „historisch beispielloses Staats- und Behördenversagen“.“
Den vollständigen Text der Laudatio sollte jede Person lesen, bevor sie eine Aufrüstung dieses Geheimdienstes fordert – Video der Laudatio ansehen.
Geheimdienste abschaffen
Digitalcourage hat 2015 nach den Verbrechen des NSU gefordert: „Geheimdienste abschaffen!“, denn:
„Im Skandal um den Nationalsozialistischen Untergrund hat sich der Verfassungsschutz als unfähig bewiesen, die Bevölkerung zu schützen. Schlimmer noch: er hat durch die Finanzierung und Deckung von V-Leuten die organisierte Kriminalität sogar tatkräftig unterstützt. Gleichzeitig wurden die Aufklärung der Morde und Verbrechen des NSU blockiert und in großem Umfang Akten vernichtet. Darum fordern wir: Geheimdienste sofort abschaffen!“
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Forderung: Neue Sicherheitsstrukturen aufbauen
Unserer Einschätzung nach muss der sogenannte Verfassungsschutz durch eine demokratisch kontrollierbare Behörde ersetzt werden. Geheimdienste abwickeln ist machbar. Digitalcourage Gründungsvorstand padeluun plädiert für eine geordnete Abschaffung der Geheimdienste:
„Einem Dienst, der seine Arbeitsweise nicht offenlegt, kann nicht vertraut werden. Daraus folgt, dass Geheimdienste durch ein zu gründendes Gremium abgeschafft werden müssen. Gleichzeitig muss eine transparente und kontrollierte Abwehr aufgebaut werden.“
Also: Was ist zu tun?
Das gefährliche Sicherheitstheater der CDU ist durchschaubar. Anstatt die Ursachen von Antisemitismus, Neonazismus und Sexismus demokratisch, sozialpolitisch und rechtsstaatlich anzugehen, wird versucht, immer und immer wieder Massenüberwachung zu legalisieren und einen immer und immer wieder versagenden Geheimdienst zu stärken. Es gibt viele Handlungsoptionen:
- Leiten Sie diesen Text gern weiter an Ihre Abgeordneten und Bekannte. Schreiben Sie uns gern, wenn Sie eine Antwort von einer Politikerin oder einem Politiker bekommen haben an: mail+vds-vs@digitalcourage.de .
- Unterstützen Sie unsere Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung
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Sinnvolle und bitter nötige Maßnahmen gegen Rechtsextremismus
- Echte und ehrliche Aufklärung der wiederkehrenden Vorfälle
- Zerschlagung der rechten Netzwerke bei Polizei, Bundeswehr und in der Justiz.
- Unabhängige Stelle einrichten, die bei Anzeigen gegen die Polizei ermittelt.
- Herausgabe der NSU-Akten
- Whistleblowerschutz
- Verfassungsschutz abwickeln und Alternative aufbauen
- Justiz und Behörden in Bezug auf digitale Gewalt schulen und spezialisieren. Mit ausreichend Personal ausstatten.
- Vereine und Organisationen, die politische Bildung betreiben, die Gemeinnützigkeit anerkennen und verlässlich finanziell fördern.
- Synagogen, Moscheen, Flüchtlingsheime wirksam schützen
- Konsequent gegen Verstöße vorgehen, wie Hakenkreuze, Hitlergrüße und so weiter.
- Schluss mit der Verharmlosung von menschenfeindlichen Äußerungen - auch im Bundestag.
- DLF: CDU fordert Rückkehr der Vorratsdatenspeicherung
- heise.de: Rufe nach Meldepflicht für Hass-Postings in sozialen Netzwerken
- Humanistische Union e.V.: Geheimdienste vor Gericht
- Gab es einen 11. NSU-Mord in Rheda-Wiedenbrück?
- Bürgerrechtler 38 Jahre rechtswidrig vom Verfassungsschutz überwacht
- Verfassungsschutz gegen Bürgerrechtler Rolf Gössner
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