Metadaten – alles außer harmlos!

Warum sind Metadaten für uns und unsere Gesellschaft eine Gefahr?
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Smartphone mit Verbindungsdaten

In der Diskussion um die mögliche EU-weite Vorratsdatenspeicherung fällt häufig der Begriff „Metadaten“. Für den Neusprech Metadaten haben wir bereits 2014 einen BigBrotherAward verliehen. Politikerinnen und Politiker wollen uns weismachen, dass diese „Daten über Daten“ nur wenig Aussagekraft besäßen, sie wären weniger intim, als die eigentlichen Inhalte unserer Kommunikation. Doch längst ist nachgewiesen, dass Metadaten ausreichen, um unser Leben bis in die letzte Ecke zu durchleuchten.

Was sind Metadaten?

Mit dem Begriff „Metadaten“ werden strukturierte Daten beschrieben, die Informationen über Merkmale und Eigenschaften anderer Daten enthalten, beispielsweise eines Telefonanrufes. Kurz gesagt, sind sie Daten über Daten. Die Liste möglicher Kommunikationsmetadaten ist lang: Uhrzeit und Dauer eines Telefonats, der Standort, die IP-Adresse, wie häufig wir wen kontaktieren, telefonisch oder per Nachricht, ...
Europol listet in der Daten-Matrix (PDF), die Diskussionsgrundlage für eine mögliche neue, EU-weite Vorratsdatenspeicherung ist, 487 Kategorien von Metadaten. Auch wenn der Inhalt der Kommunikation nicht mit aufgezeichnet wird, lassen sich persönliche Informationen schon daraus ableiten, mit wem beispielsweise gerade telefoniert wird, wo man sich aufhält, wie lange es dauert. Häufiger Kontakt zu ärztlichem Fachpersonal gestattet Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand, Kommunikation mit Parteien oder Vereinen kann Hinweise auf die politische Orientierung geben und lange oder wiederholte Gespräche mit religiösen Einrichtungen verweisen auf den individuellen Glauben.

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Was sagen sie über unser Leben?

In einem Selbstversuch von Ton Siedsma wurden eine Woche lang mithilfe einer App sämtliche Metadaten aufgezeichnet und anschließend vom iMinds Forschungsteam der Universität Gent ausgewertet. Die Forschenden fanden heraus, wann, wo und wie er arbeitet oder schläft, in welcher Position er beschäftigt ist, mit wem er eine Beziehung führt sowie welche sozialen Kontakte er hält. Zudem erlangten sie durch simple zusätzliche Recherchetätigkeit Zugang zu seinen Accounts bei Amazon und Google.

Der Politiker und Aktivist Malte Spitz hat „seine“ Metadaten für sechs ganze Monate veröffentlicht. Nur mithilfe einer Klage hat er die Daten von der Telekom übermittelt bekommen. Eine Karte zeigt, wo er sich an welchem Tag aufgehalten hat und mit wem er über sein Telefon wie lange in Kontakt stand. Mit zusätzlichen frei verfügbaren Informationen aus dem Internet konnte oftmals sogar rekonstruiert werden, was genau er gemacht hat.

Die Beispiele verdeutlichen, wie viele personenbezogene Informationen in den Metadaten stecken. Mit ihnen ergibt sich ein enormes Wissen über soziale Vernetzungen, Lebensgewohnheiten und Aufenthaltsorte – bis hin zu Liebesbeziehungen, Schlafverhalten und Krankheiten.

Chilling-Effekte treten ein

Werden Menschen sich dieser Überwachung bewusst, passen sie ihr Verhalten an, um möglichst nicht aufzufallen und um negativen Reaktionen zu entkommen. Sie vermeiden es, nach bestimmten Begriffen im Internet zu suchen, nehmen nicht an Demonstrationen teil oder vermeiden den Kontakt zu anderen Menschen oder Orten. Das ist eine inakzeptable Einschränkung der Freiheitsrechte.

Besondere Relevanz bekommen Chilling-Effekte, auch Abschreckungseffekte genannt, bei Whistleblowern. Der Fall Edward Snowden hat gezeigt, wie wichtig diese für unsere demokratische Gesellschaft sind. Anonymität ist eine Grundvoraussetzung für mutige Menschen wie Snowden, doch die geplante Vorratsdatenspeicherung bringt Informantinnen und Informanten in Gefahr entdeckt zu werden und Konsequenzen befürchten zu müssen.

Whistleblowing

Whistleblowing bedeutet soviel wie "jemanden verpfeifen", wenn ein Missstand oder ein Gesetzesbruch weitergegeben wird. Meist wird zunächst versucht das Problem intern auf Unternehmensebene weiterzugeben, was häufiger passiert als man vielleicht denkt. Im internen Meldesystem von Volkswagen gehen zum Beispiel jährlich ca. 900 bis 1000 Meldungen ein. In manchen Unternehmen wird so etwas jedoch ignoriert und der Whistleblower riskiert, im Betrieb ausgegrenzt oder gar gekündigt zu werden. In nächster Instanz bleiben der Whistleblowerin oder dem Whistleblower der Journalismus oder die Staatsanwaltschaft. Wenn nicht garantiert werden kann, bei der Meldung anonym zu bleiben, ist die Hemmschwelle höher, einen Gesetzesbruch anzuzeigen. Das Bewusstsein darüber, dass man mithilfe von Metadaten überwacht werden kann, vergrößert diesen Abschreckungseffekt zusätzlich und fördert dadurch konformistisches Verhalten. Denn wer überwacht wird, ändert sein Verhalten. Und dies widerspricht eindeutig dem Grundgedanken einer liberalen demokratischen Gesellschaft.

Metadaten sind personenbezogene Daten

– auch wenn uns manchmal vorgekaukelt wird, sie seien harmlos. Die durch die Vorratsdatenspeicherung geplante Erhebung und Speicherung dieser Daten bringt uns persönlich, aber auch unsere freie demokratische Gesellschaft in Gefahr und bedroht unsere Grundrechte.