Bundesverfassungsgericht bestätigt

Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig

Endlich: Das Bundesverfassungsgericht beendet den juristischen Streit um die Vorratsdatenspeicherung. Unsere Klage endet erfolgreich mit einer Feststellung zur Unanwendbarkeit der deutschen Regelung.

Heute ist ein historischer Tag: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt heute am 30. März 2023, dass die Vorratsdatenspeicherung unanwendbar ist. Unser Wunsch nach rechtlicher Klarheit wurde damit erfüllt und unsere Forderung bestätigt. Es führt nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts heute und des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 20. September 2022 kein Weg mehr daran vorbei: Das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist unanwendbar und mit EU-Recht unvereinbar.

padeluun, Gründungsvorstand von Digitalcourage dazu:

„Es ist traurig, dass immer wieder Gerichte die Vorratsdatenspeicherung kippen müssen; stattdessen muss das Parlament sich klar dagegen aussprechen. Denn anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten ist keine rechtsstaatliche Ermittlungsmaßnahme, sondern – egal wie man es dreht oder wendet – eine Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung.”

Formal wurde die Verfassungsbeschwerde von Digitalcourage unter Berufung auf das EuGH-Urteil für unzulässig erklärt – mit der Begründung, dass die angegriffene Regelung zur Vorratsdatenspeicherung nicht mehr anwendbar ist. Die für ungültig erklärte Norm hatte eine anlasslose Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten von Anrufen, SMS und IP-Adressen samt Standortinformation vorgesehen. Und zwar nicht von Verdächtigen, sondern von der gesamten Bevölkerung.

Rena Tangens, Gründungsvorstand von Digitalcourage zum Urteil:

„Diese Überwachungsmaßnahme ist eine Gefahr für unsere Freiheit – sie hat keinen Platz in einer Demokratie. Das ist vom EuGH und nun auch vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden. Der Gesetzgeber muss diese Gesetzesleiche jetzt konsequenterweise auch endlich streichen.”

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterstreicht nun noch einmal, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung keine Rechtswirkung mehr entfaltet und nicht mehr angewendet werden kann.

Konstantin Macher von Digitalcourage:

„Mit seinem Urteil bestätigt und bekräftigt das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung und stellt klar: Es gibt keine Spielräume im deutschen Recht dafür, trotzdem eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Wir fordern von der Politik diesen Schlussstrich unter die Vorratsdatenspeicherung endlich zu akzeptieren.“

Julia Witte von Digitalcourage:

„Die Ampel hat im Koalitionsvertrag versprochen eine rechtstaatliche Regelung zum Thema Vorratsdatenspeicherung zu finden. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt bestätigt: Das kann nur heißen die Vorratsdatenspeicherung zu streichen.“

Wir freuen uns heute und feiern diesen Sieg der Zivilgesellschaft. Wir danken allen, die diesen Weg mit uns gegangen sind und unsere Verfassungsbeschwerde als Mitglieder oder mit Spenden unterstützt und ermöglicht haben.

Hintergrund zur Vorratsdatenspeicherung

Im Februar 2018 wurde die Verfassungsbeschwerde (BVer2683/16) von Digitalcourage vom Bundesverfassungsgericht angenommen. Mehr als 37.000 Menschen haben die Klage mit unterzeichnet und über 20 prominente Mitbeschwerdeführer.innen unterstützen sie – neben Rena Tangens und padeluun von Digitalcourage sind dies u.a. der Kabarettist Marc-Uwe Kling, der ex-Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, die Schriftstellerin Juli Zeh, der katholische Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, der Europaabgeordnete Patrick Breyer und der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes Frank Überall.

Am 20. September 2022 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt: Eine Speicherung von Verbindungsdaten ist immer ein schwerer Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Menschen – auch wenn nur für einen kurzen Zeitraum gespeichert wird (siehe C-793/19). Daher ist die anlasslose Vorratsdatenspeicherung mit europäischen Grundrechten nicht vereinbar. Geklagt hatte u.a. der deutsche Internetprovider SpaceNet AG, die Klage richtete sich gegen die (seit 2017 ausgesetzte) deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung.

Seit 2002 kämpft Digitalcourage e.V. (damals FoeBuD) gemeinsam mit einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen die Vorratsdatenspeicherung: mit einer ganzen Reihe von Großdemos unter dem Motto „Freiheit statt Angst“, mit Argumenten, Aufklärung, Kreativität und vielen Aktionen, sowie mit einer ganz breiten Bewegung von Bündnispartner.innen. Digitalcourage war bereits an der Verfassungsklage des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) beteiligt, die 2010 erfolgreich die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zum ersten Mal zu Fall gebracht hat.

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