Gutachten: anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist illegal
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Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben auf bundestag.de (PDF) ein sehr lesenswertes 12-seitiges Gutachten veröffentlicht. Netzpolitik.org hat das Dokument in einem Artikel veröffentlicht und titelt: „Die deutsche Vorratsdatenspeicherung bleibt mausetot“.
Das Gutachten vom 6. November 2020 fasst im wesentlichen die jüngsten Urteile des EU-Gerichtshofs aus Oktober 2020 zusammen. Und es bestätigt unsere erste Einschätzung: Anlasslose Massenspeicherung war, ist und bleibt illegal.
Die deutsche Vorratsdatenspeicherung gehört abgeschafft
Der Kern des Gutachtens ist auf Seite 10 zu finden:
In den Urteilen sind die Grundsätze der Einführung der [Vorratsdatenspeicherung] (…) bereits mit beträchtlicher Tiefe herausgearbeitet (…). Danach dürfte die deutsche Regelung von 2015 kaum Bestand haben, denn sie sieht zwar kürzere Speicherfristen vor, die Speicherung soll danach jedoch immer ohne gesonderten Anlass erfolgen, was den oben genannten Grundsätzen des EuGH nicht entspricht.
Wieder einmal wird dem deutschen Gesetzgeber unmissverständlich gesagt, dass anlasslose Speicherung von Daten illegal ist. Seit Jahren versperren SPD und Union davor die Ohren und hatten 2015 bewusst zum zweiten Mal ein grundrechtswidriges Gesetz beschlossen. 2017 hatte die Bundesnetzagentur die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW ausgesetzt (Pressemitteilung). Zuvor musste das Bundesverfassungsgericht 2008 das Vorgängergesetz für verfassungswidrig erklären. (Mehr in unserer Chronik zur Vorratsdatenspeicherung)
Angeschoben wurde das Gutachten durch den Bundestagsabgeordneten Stephan Thomae:
„Statt also sehenden Auges in die Europarechtswidrigkeit zu steuern wäre es besser, die Bundesregierung und insbesondere Bundesjustizministerin Lambrecht und Bundesinnenminister Seehofer würden ihren Tanz ums goldene Kalb ,Vorratsdatenspeicherung' endlich beenden und unverzüglich anfangen an einer verfassungs- und europarechtskonformen Gesetzesgrundlage für eine anlassbezogene Speicherung nach dem Quick-Freeze-Modell zu arbeiten.“
Das Gutachten nutzt ein, von uns befreites, Dokument
Mit einer Transparenz-Anfrage verlangten wir 2019 auf fragdenstaat.de nach der Position der Bundesregierung bei der mündlichen Verhandlungen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union im September 2019. Nach einigem Briefwechsel erhielten wir Auskunft. Auf diese bezieht sich nun auch das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste.
Die Bundesregierung hatte argumentiert, dass EU-Recht bei Vorratsdatenspeicherung nicht anzuwenden sei, wenn Telekommunikationsanbieter zur Weiterleitung der Daten an Geheimdienste gezwungen werden. Denn in diesem Fall würden die Anbieter nicht selbst speichern. Geheimdienste seien wiederum nationale Angelegenheiten und darum hier nicht an EU-Recht gebunden. Dieser Rhetorik hat der EU-Gerichtshof in seinem Urteil aus Oktober 2020 eine klare Absage erteilt.
Stumpf für Massenüberwachung
Zuletzt machten NRW, Hessen und Niedersachsen Mitte November 2020 Druck und forderten, dass die ausgesetzte illegale Vorratsdatenspeicherung wieder scharf geschaltet werden solle – trotz des Urteils des EU-Gerichtshofs, des oben erwähnten Gutachtens und weiterer nicht abgeschlossener Gerichtsverfahren, wie unserer Verfassungsbeschwerde.
Hintergrund war ein Treffen mit Ermittlungsbehörden zum Thema Kinderschutz. Massenüberwachungsfreie Alternativen zur Vorratsdatenspeicherung wurden von den Ländern nicht diskutiert. Dabei macht ein Bericht aus dem Innenministerium NRW deutlich: Vorratsdatenspeicherung hilft nicht weiter.
Wir hatten die Pläne der drei Länder umgehend kritisiert:
„Der Normalfall in Demokratien und Rechtsstaaten muss lauten: keine Überwachung von Kommunikation. Ausnahmen müssen konkret begründet, gezielt und verhältnismäßig sein“, sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage. „Der Fokus sollte auf Maßnahmen gerichtet werden, die Kinder konkret und gezielt vor Missbrauch schützen – nicht auf die Frage, wie Massenüberwachung begründet werden kann.“
Verzweifelte Wiederbelebungsversuche
Im Oktober 2019 forderten Stimmen aus der Union nur einen Tag nach dem Anschlag in Halle/Saale eine Wiederbelebung der illegalen Vorratsdatenspeicherung. Auch hier haben wir umgehend widersprochen. Im Juni 2020 versuchte die Innenministerkonferenz erfolglos die illegale Vorratsdatenspeicherung wieder auferstehen zu lassen.
Unterstützen: Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung!
Mit unserer Verfassungsbeschwerde wollen wir die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und der EU endgültig kippen. Dafür freuen wir uns über Unterstützung!
Mehr zum Thema Vorratsdatenspeicherung
Weitere Artikel zum Thema sind in unserem Blog mit dem tag Vorratsdatenspeicherung zu finden. Mehr Hintergrundinformationen gibt es auf unserer Themenseite. Immer wieder informieren wir auch in unserem E-Mail-Newsletter sowie auf Mastodon und Twitter über die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und der EU.
Aktuelles
- BigBrotherAwards 2021 online ansehen.
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