Vorratsdatenspeicherung: Kippt die EU-Kommission?

Durch eine unserer Transparenzanfragen ist ein Brief des schwedischen Innenministers öffentlich, in dem er EU-Kommissarin Johannson um mehr Überwachung bittet.
Digitalcourage, CC-BY 4.0
Transparent auf der ersten bundesdeutschen Demo gegen Vorratsdatenspeicherung Juni 2006

Am 10. Dezember 2019 haben wir auf asktheeu.org die EU-Kommission die Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen dem schwedischen Innenminister Damberg und der EU-Kommissarin Johannson angefragt. Am 17. Januar 2020 hat die Kommission die zwei Briefe veröffentlicht. Hier ist unsere Analyse:

EU-Gerichtshof? Egal!

Minister Damberg schrieb der EU-Kommissarin am 2. Dezember 2019:

„I wish to take the opportune moment to inform you that one of the Swedish priorities for further developing EU internal security is data retention for the purposes of preventing and fighting crime.“

Offensichtlich hat die schwedische Regierung massenhafte Telekommunikationsüberwachung zu einer Priorität erklärt, ohne dass die Mitgliedsstaaten bislang Beweise vorlegen konnten, dass Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung von Kriminalität geeignet sei. Dennoch erklärt Damberg: „data retention is a key issue for the coming years“.
Aktuell verhandelt der EU-Gerichtshof die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung in Belgien, Großbritannien und Frankreich. Ein Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet und hätte sehr wahrscheinlich Auswirkungen auf alle weiteren EU-Länder. Minister Damberg plant offenbar, weiter an einer Politik der Massenüberwachung festzuhalten – egal wie der EU-Gerichtshof urteilen wird:

It seems to me that, regardless of the outcome of these cases, work can be taken forward at the level of our services.

Wie wird sich die Kommission verhalten?

EU-Kommissarin Ylva Johansson antwortet am 16. Januar 2020:

I agree that this is an important tool for our police and judicial authorities to have at their disposal to investigate and prosecute serious crime, particularly in light of the increasing use of communication technologies in cyber and cyber-enabled criminal offences.

Auch Kommissarin Johansson geht, noch bevor die Ergebnisse einer Studie ihres Hauses zur Vorratsdatenspeicherung vorliegen, davon aus, dass Vorratsdatenspeicherung ein wichtiges Werkzeug sei. Das ausstehende Urteil des EU-Gerichtshofs will sie respektieren:

These rulings will inevitably influence our margin of manoeuvre and future course of action.

Kommissarin Johansson erklärt weiter in ihrem Brief, dass sie daran Arbeiten möchte, dass die Strafverfolgungsbehörden die richtigen Werkzeuge haben, um die Sicherheit der Bevölkerung bei Einhaltung der Grundrechte zu gewährleisten.
Aus unserer Sicht ist Massenüberwachung in Demokratien und Rechtsstaaten grundsätzlich kein geeignetes Werkzeug. Im Gegenteil: Die Aufgabe des Staates ist es, die Bevölkerung vor Überwachung zu schützen. Es gibt unserer Eisnchätzung nach keine guten Gründe für die Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten.
Kommissarin Johansson hat es in ihren Händen, eine überwachungsfreie Sicherheitspolitik in der EU zu gestalten. Es mangelt nicht an Vorschlägen für die Verbesserung von Sicherheit.

Richtungsweisend wird Studie der Kommission

Eine für Ende 2019 angekündigte Studie der EU-Kommission ist bislang noch nicht erschienen. Diese könnte allerdings richtungsweisend für das weitere Vorgehen der Kommission sein. Beauftragt haben die Mitgliedsländer im Rat der EU die Kommission, um eine neue Grundlage für Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung zu schaffen.

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