Monopolisierung in der Videospiel-Branche
Die Videospiel-Branche ist ein 300 Milliarden Dollar schwerer Markt, was dem Volumen von Musik- und Filmindustrie zusammen entspricht. Die Hauptakteure in diesem Markt sind mittlerweile größtenteils alte Bekannte – BigTech-Datenkraken.
Ein Markt im Umbruch
Im Januar 2022 ging durch die Schlagzeilen, dass Microsoft eine Übernahme des Computer- und Videospielkonzerns „Activision Blizzard“ plant, stolze 69 Milliarden Dollar sollen dafür fließen. Das bedeutet: Microsoft wird sich neun weitere Entwicklerstudios einverleiben und so auf insgesamt 32 Entwicklerstudios heranwachsen. Zeitgleich soll der Kauf einen Kundenstamm von 400 Millionen Spielerinnen mit sich bringen.
In China lässt sich bei dem Internetgiganten Tencent ein ähnlich großes Interesse an Übernahmen beobachten. Die Firma soll bereits mehr als 100 Videospielunternehmen übernommen haben. Neuerdings interessiert sich Tencent vermehrt für ausländische Unternehmen, weil China mit seinen Regulierungen den eigenen Videospielmarkt schrumpfen lässt. Die zuständige Behörde soll unter anderem keine neuen Veröffentlichungen von Videospielen genehmigen und die Spieldauer der Nutzer.innen massiv einschränken, insbesondere die von Minderjährigen.
Das Muster der Übernahmen zieht sich durch den Markt der Videospiele. Gerade in den letzten Jahren machten hierbei vermehrt große Übernahmen Schlagzeilen. Ursache für diesen Druck im Markt sind vermutlich die Ambitionen von einigen Unternehmen, allen voran von Meta (aka Facebook), sich den Entwicklungen rund um ein „Metaverse“ zu widmen. Gemeint ist damit ein digitaler Raum, gebidet durch eine Vielzahl an Technologien, wie aus Blockchain, Kryptowährungen, virtuellen und erweiterten Realitäten. In diesem Zusammenhang betonte Microsofts CEO und Chairman Sadya Nadella die Bedeutung von Videospielen in der heutigen Zeit anlässlich der Übernahme von Activision Blizzard: „Spiele sind heute die dynamischste und aufregendste Kategorie der Unterhaltung auf allen Plattformen und werden eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Metaverse-Plattformen spielen.“. Mit den bevorstehenden Technologien müssen die bewährten Geschäftsmodelle und Verkaufsschlager neu überdacht werden, in der Art und Weise wie Videospiele funktionieren und gespielt werden. Die großen Unternehmen haben die vorhanden Ressourcen, sich vorzubereiten und hier mitzumischen. Daher kommen die Existenzsorgen kleinerer Entwicklerstudios ihnen sehr gelegen.
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Bedenkliche Monopolbildung durch BigTechs
Wer heute Videospiele spielen will, nutzt dafür in den meisten Fällen digitale Zugänge, über die Käufe und Downloads stattfinden. Über die Bereitstellung von Spielen hinaus können hier entsprechende Distributionsplattformen viele weitere Funktionen für die Entwickler.innen und Spieler.innen erfüllen. Das können zum Beispiel persönliche Nutzerprofile sein, Erfolgsstatistiken, Freundeslisten, Kommunikationsdienste, die Sicherung der Spielstände und Kopierschutzfunktionen. Auf dem PC übernimmt das hauptsächlich die Firma Valve mit ihrer Plattform und Software namens Steam. Den mobilen Markt dominieren die Appstores von Google und Apple. Sie alle nehmen 15%–30% Provision für Käufe über ihre Distributionswege. Das schließt auch digitale Inhalte innerhalb der von ihnen verbreiteten Produkte ein, wie zum Beispiel Avataränderungen in einem Spiel, z.B. optische Veränderungen an einer Spielfigur, die die Spieler.innen selbst vornehmen können. Es wird somit jede noch so kleine Möglichkeit ausgenutzt, um an Videospielen zu verdienen. Welche Bedeutungen diese Machtpositionen einzelner Unternehmen darstellen, machte im Jahr 2021 ein prominenter Fall deutlich: Epic Games, das Entwicklerstudio hinter dem Spiel 'Fortnite', entschied sich eine eigene Zahlungsabwicklungsmethode innerhalb ihres Spiels zu verwenden – anstelle der von Apple vorgeschriebenen. Daraufhin entfernte Apple das Spiel kurzerhand aus seinem Appstore. Unternehmen, die sich nicht vollkommen unterwerfen, dürfen hier nicht mitmischen.
Alternative Distributionswege, wie zum Beispiel der freie Appstore F-Droid, sind den durchschnittlichen Nutzer.innen nicht bekannt. Die dort vertreten Apps sind ausschließlich freie Software und kostenlos, womit proprietäre Software und bekannte, kommerziell erfolgreiche Spiele hier nicht vertreten sind.
Auch Amazon hat in diesem Sektor seine Finger im Spiel. Als im Dezember 2021 Amazons Web Services Probleme machten, gingen damit zeitgleich zahlreiche Spiele offline. Millionen Spieler.innen waren betroffen. Zu Amazon gehört außerdem die größte internationale Livestreaming-Plattform Twitch, die aus der Nische von Echtzeit-Videospielübertragungen entstanden ist. Auch hier hat Amazon sein Prime-Abomodell über die in der Gaming-Szene sehr beliebte Plattform gestülpt, um daran verdienen zu können.
Dies sind nur kurze Beispiele, die die problematischen Abhängigkeiten verdeutlichen. Schon heute haben wenige BigTech-Unternehmen ihre Nischen und Monopolstellungen in der Videospielbranche. Bedenkliche zukünftige Entwicklungen zeichnen sich leider heute schon ab. Zum Beispiel, dass Ideen und Begriffe der Allmende (wie "Metaversum" etc.) kolonialisiert und zum Patent angemeldet werden.
Abomodelle und Cloud-Gaming
Der moderne Trend der BigTechs, Videospielunternehmen aufzukaufen, wird mit Blick auf Microsofts Xbox-Gamepass in ein anderes Licht gerückt. Dieser soll bereits über 25 Millionen Kund.innen gewonnen haben, die für einen geringen Abopreis den Zugang zu einer umfangreichen Anzahl an Spielen erhalten. Mit der Übernahme einer großen Menge an Entwicklerstudios ergibt sich hieraus ein zunehmend konkurrenzloses Angebot.
Spätestens durch Netflix und Co. sind uns diese Art von Abonnements bekannt, die uns ein unschlagbares Angebot machen. Vielen ist nicht klar, welche Veränderungen allein Streamingplattformen in der Film- und Serienbranche verursacht haben. Kleinere Entwicklerstudios werden förmlich dazu gezwungen, ihre Produkte über die Plattformen anzubieten und nach fremden Bedingungen ihr Geschäft abzuwickeln, um am Markt zu partizipieren. Die großen und erfolgreichen Studios nutzen ihren Einfluss gerne für exklusive Deals, etwa Exklusivtitel für einzelne Plattformen. Das bedeutet, dass die Nutzer.innen ihre Abonnements genau bei dem einen Anbieter abschließen müssen, um den gewünschten Inhalt zu erhalten. In der Spielebranche bedeutet dies, dass Nutzer.innen einige Titel nur exklusiv auf den Geräten gewisser Hersteller spielen oder nur in bestimmten Online-Stores erwerben können.
Eine weitere, richtungweisende Entwicklung ist das Cloud-Gaming – das bedeutet, dass internetfähige Geräte genügen, um Spiele spielbar zu machen. Die Spielinhalte werden live über das Netz übertragen und laufen auf externen Servern der Unternehmen. Der Vorteil liegt darin, dass keine spezielle Hardware wie Konsolen oder leistungsstarke PCs für anspruchvolle Spiele benötigt wird und überall gespielt werden kann. Schon heute stehen für diese Zugangsart beispielsweise xCloud von Microsoft, Stadia von Google, und Luna von Amazon zur Verfügung – also wieder viele Angebote der größten IT-Konzerne. Ganzheitlich ausgereift ist das alles noch nicht, da zum Beispiel Einschränkungen durch langsame Internetverbindungen entstehen, was das Spielgefühl in einigen Spielen negativ beeinflusst und für erfahrene Spieler.innen unattraktiv macht.
Datenkraken wachsen weiterhin
Bereits 2012 zeichnete Digitalcourage das Unternehmen „Blizzard“ mit einem BigBrotherAward für eine Vielzahl an fraglichen Vorgehensweisen aus. Dazu gehörten beispielweise Persönlichkeitsprofile, die Blizzard über ihre Spieler.innen erhoben hat, oder Arbeitsspeicherscans, Chataufzeichnungen oder umfassende Handlungsprotokollierungen, die innerhalb der Spiele aufgezeichnet wurden. Das Vertrauen in die Entwickler.innen und das Unternehmen wurde erschüttert.
Auch heute noch wird den Videospielunternehmen anscheinend großes Vertrauen geschenkt:
Viele Spiele, insbesondere kompetetive Shooter, verwenden Anticheat-Software in Form von Kerneltreibern, um die Spieler.innen vor unfairem Handeln anderer Spieler.innen zu schützen. Damit wird unter anderem für die Unternehmen sichergestellt, dass die Spielerbasis durch den Frust, der durch Schummeln ausgelöst werden kann, nicht einbricht. Kerneltreiber arbeiten noch vor dem Betriebssystem, ermöglichen damit Komplettüberwachungen der PCs, können Sicherheitslücken erzeugen oder dem Spaß von Entwickler.innen dienen, heimlich Kryptowährungen mit den leistungsstarken Rechnern der Spieler.innen zu schürfen.
Wenn diese Anti-Cheating-Software dann auch noch von den Monopolisten selbst programmiert wird, ggf. mit dem Ziel Daten abzugreifen, dann können wir hier von einer Art stillschweigend akzeptiertem Trojaner sprechen.
Ein anderer Ansatz im Kampf gegen Spielmanipulation durch Cheating ist es, sämtliche Eingabedaten der Spieler.innen mit maschinellem Lernen zu analysieren und auf diese Weise der Problematik des Schummels entgegenzuwirken. Besonders bekannt ist hierfür das bereits oben genannte Valve mit VAC. Einige Unternehmen setzen auch auf die Kombination von Kerneltreibern und maschinellem Lernen.
Die BigTechs Meta, Google, Apple, Microsoft, Tencent greifen bereits bekanntermaßen Massen an Daten von Internetnutzer.innen mit ihren Angeboten, wie Social-Media-Plattformen, Messenger-Diensten oder Betriebssystemen ab. Nun beuten sie auch noch die Daten der Spieler.innen auf dem Spielemarkt aus, bedienen sich an sensiblen Nutzerprofilen und Verhaltensanalysen. Mit den aktuellen Entwicklungen fällt also ein weiterer, höchst privater Bereich im Leben von Milliarden von Menschen zunehmend in die Hände der bereits bekannten Datenkraken. Der BigBrotherAward, den Digitalcourage 2012 an Blizzard verliehen hat, ist nur die Spitze des Eisbergs. Vielleicht läuft das Gaming zu sehr unter dem Radar, um von Gesetzgebung und Regulierern richtig im Blick genommen zu sein.