Investigative Recherche

Lobbying zur Chatkontrolle

Eine neue Recherche zeigt ein umfangreiches Lobbygeflecht zur Chatkontrolle und dass schon über eine Ausweitung der geplanten Massenüberwachung gesprochen wird.

Eine investigative Recherche, veröffentlicht in der Zeit, hat das umfangreiche Lobbygeflecht zur geplanten Chatkontrolle offengelegt. Die Zeit-Recherche basiert auf Dutzenden Interviews, internen Dokumenten und Anfragen nach Informationsfreiheitsgesetz und zeigt enge Verbindungen von Lobbyvereinen und Unternehmen zur EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und vor allem zu Ylva Johansson, die für die Chatkontrolle zuständige EU-Kommissarin.

Die Recherche bekräftigt auch unsere eigenen Erfahrungen: die EU-Kommission hat den Gesetzesvorschlag für die Chatkontrolle nur in Absprache mit großen US-amerikanischen Unternehmen und Gruppen erarbeitet, welche teilweise ein finanzielles Eigeninteresse an der Chatkontrolle haben – den Dialog mit Expert.innen und der Zivilgesellschaft dagegen hat sie immer wieder verweigert. Jetzt wird erstmals bekannt wie groß das Lobbynetzwerk für die Chatkontrolle ist und wie viel Geld in das Werben für das Überwachungsgesetz fließt.

Als Chatkontrolle wird ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission bezeichnet, der vorsieht anlasslos die privaten Nachrichten der gesamten Bevölkerung zu durchleuchten. Außerdem sieht das Gesetz vor, Internetdienste zu Alterskontrollen zu verpflichten und Netzsperren und erweiterte Uploadfilter einzusetzen.

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Die Recherche belegt auch, dass die Überwachungsfilter, die mit der Suche nach Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern begründet werden, auch schnell auf andere Inhalte ausgeweitet werden können. Demnach hat die leitende Beamtin der zuständigen Generaldirektion Inneres der EU (GD HOME) bereits Gespräche darüber mit der Exekutivdirektorin von Europol geführt. Das geplante EU-Zentrum könne auch für andere Zwecke genutzt werden als allein für die Suche nach Missbrauchsbildern.

„Die Recherche bestätigt die schlimmsten Befürchtungen zur Chatkontrolle: der Kinderschutz wird hier als Türöffner für eine Infrastruktur zur anlasslosen Massenüberwachung missbraucht, während schon über eine Ausweitung der Filter gesprochen wird.“ – Konstantin Macher von Digitalcourage e.V.

Wir fordern die politischen Entscheidungsträger.innen dazu auf jetzt die einzig logische – und lange überfällige – Konsequenz zu ziehen und das Überwachungsgesetz mit der Chatkontrolle zu stoppen.

„Damit ist auch die letzte Glaubwürdigkeit zu dem geplanten Überwachungsgesetz verspielt. Die Chatkontrolle muss jetzt sofort gestoppt werden.“ – Konstantin Macher von Digitalcourage e.V.

Chatkontrolle

Mit der Chatkontrolle sollen unsere Geräte gegen uns eingesetzt werden. Die EU-Kommission plant einen maßlosen Übergriff auf unsere Smartphones. Wir wehren uns gegen diesen Totalangriff auf unsere Grundrechte.

netzpolitik.org hatte bereits in der Vergangenheit über die Lobbyaktivitäten des US-Schauspielers Ashton Kutcher mit seiner Organisation Thorn berichtet. Thorn gibt sich als zivilgesellschaftliche Kinderschutzorganisation, verkauft aber auch die Software Safer und wirbt für den verpflichtenden Einsatz dieser Art von Software. Diese Lobbybemühungen waren vor einem Jahr sehr sichtbar bei einem Werbeauftritt des Schauspielers im Europäischen Parlament für die Chatkontrolle mit der zuständigen EU-Innenkommissarin Ylva Johannson und der wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretenen, ehemaligen Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Eva Kaili. Ashton Kutcher war vor kurzem als Vorstand von Thorn zurückgetreten, nachdem bekannt wurde, dass er sich vor Gericht für den wegen zweifacher Vergewaltigung zu 30 Jahren Gefängnis verurteilten, ehemaligen Schauspielkollegen Danny Masterson eingesetzt hat. Die Recherche zeigt aber, dass das Lobbynetzwerk für die Chatkontrolle noch viel größer ist.

Die investigative Recherche wurde neben der Veröffentlichung auf Deutsch in der Zeit auch in anderen Sprachen veröffentlicht:

Spanisch
Englisch
Französisch
Italienisch
Griechisch
Niederländisch

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